26. August 2010

Don Simone und seine Makkaroni

Der folgende Beitrag wurde für das Programmheft zu Pietro Generalis "Adelina" bei "Rossini in Wildbad" 2010 verfasst, musste aber aus Platzgründen entfallen. Ersatzweise publizieren wir den Beitrag - mit freundlicher Zustimmung des Autors - an dieser Stelle.

Falsus est - Arie des Simone

Als nach dem Ende der Antike sich die Volkssprachen herausbildeten, verlor das Latein seinen Status als Muttersprache. Im Mittelalter wurde es vorrangig als Gelehrtensprache benützt, insbesondere um eine übergreifende Kommunikation im mittlerweile polyglotten Europa zu ermöglichen (als sog. Vater- oder Dachsprache). Dabei hatten natürlich vor allem der Klerus und die Gelehrten den meisten Anteil. Im mündlichen Gebrauch veränderte und vereinfachte sich das mittelalterliche Latein und näherte sich teilweise dem Vokabular und der Grammatik der jeweiligen Volkssprachen an. Als Gegenströmung entwickelte sich in der frühen Neuzeit, von Italien ausgehend, der Humanismus, der wiederum ein klassisches, an den römischen Vorbildern orientiertes Latein im Stile Ciceros oder Caesars propagierte. In der Literatur wie auch in Gelehrtenkreisen strebte man nunmehr nach Klassizität. Daneben freilich lebte auch das Mittellatein in der Kirche und im Rechtswesen weiter; es wurde allerdings als grobes Latein von den Humanisten verspottet und bekam zahlreiche derogative Bezeichnungen (latino maccheronico, Makkaronilatein, Küchenlatein, dog Latin, mock Latin usw.). Charakteristisch dafür ist die häufige Sprachmischung von muttersprachlichen und grammatisch oft unkorrekten lateinischen Einsprengseln. Dieses vulgarisierte Latein-Potpourri war oft Ziel und Gegenstand der Satire und findet sich in zahlreichen literarischen Denkmälern (am berühmtesten sind die Dunkelmännerbriefe und Teofilo Folengos Opus macaronicum).

Insbesondere im Theater hat das bewusst falsche, mit modernen Elementen gemischte Latein eine lange Tradition, so etwa in der Commedia dell’arte bei den Vecchi-Figuren bis hin zur Volksposse des 19. Jahrhunderts (z.B. Nestroys Lumpazivagabundus). In diesem Kontext legt auch Gaetano Rossi im Libretto seines Melodramma sentimentale Adelina (1810) dem pseudogelehrten, aber lebenspraktischen Schulmeister Simone als Buffofigur immer wieder lateinische bzw. pseudolateinische Floskeln in den Mund, um damit einen komischen Effekt zu erzielen. Das Publikum seiner Zeit konnte mit Sicherheit die oft arg entstellten, ungrammatischen Zitate, Sprichwörter und Redewendungen dechiffrieren und sich über die Unwissenheit und mangelnden Lateinkenntnisse der vermeintlichen Autoritätsperson amüsieren.

Das fängt schon damit an, dass er zu Beginn nicht gleich in materibus eintreten will, sondern seine Liebe zum leiblichen Wohl gleichsam konjugiert (amo, amas di mangiar) und ins Lateinische transponiert (il manducamus). Bei der Begrüßung von Varner sagt er si tu vales, vale, valeo und meint damit die römische Begrüßungsformel si vales, bene est, ego quidem valeo (wenn es dir gut geht, ist es gut, mir jedenfalls geht es gut). Mit der Grammatik und den korrekten Endungen tut sich Simone meistens schwer; gerne wählt er gravitätische lateinische Formen (sequere, finitote), die aber oftmals überhaupt nicht passen (tibi gratulor del manducamini; il manducamini; in irascimini, del conjungimini, parcetote). Hin und wieder gelingen auch manche Bildungsreminiszenzen (ab ortu solis, in vino veritas, tibi gratias, ergo, per exemplum), doch meistens geht es daneben (talis pater, talis filius o filias statt qualis pater, paribus cum paris für Gleiches mit Gleichem, cose naturalibus, lo scroccamini usw.). Nicht umsonst entgegnet ihm Varner, der ihn durchschaut, auf seine Essenseinladung mit einem Lächeln: bel latino in verità („schönes Latein, fürwahr“) und auf das Proverbium Post prandiu stabis, post cena ambulabis: è un latin che vi piace („Dieses Latein gefällt euch!“). Insbesondere in seiner Arie (Nr. 6) Falsus est, che amor sit grassiert die Pseudolatinität: Natus Amor est cum mundus ergo vecchius tamquam cuccus (vgl. die italienische Redewendung vecchio come il cucco). Auch Cupido, der (ganz konkret und sexuell gemeint) entra dentro pian pianino (schleicht sich sachte ein), wird lateinisch konjugiert (cupio, cupis) und damit auch etymologisiert; sogleich geht der Schulmeister aber wieder zur Lieblingsbeschäftigung über: in un dolce manducamus. Den Vogel schießt Simone mit einem völlig entstellten Vergil-Zitat ab: infan regina jubas; gemeint ist natürlich Aeneis II/3: Infandum, regina, iubes renovare dolorem, „einen unsäglichen Schmerz, o Königin, befiehlst du zu erneuern“. In diesem Sinne: Bel latino in verità!


Thomas Lindner


Und es ist möglich!! Ein Dorf rettet die Oper – Carmen bei der Oper Schenkenberg

Die neu gegründeten Open Air Opernfestspiele im Schenkenberger Tal, Kanton Aargau, begannen diesen August mit Aufführungen von Bizets Carmen ihre Arbeit – nach vier Jahren Vorbereitung, Planung und Proben!

Foto: Ingo Höhn (openPR- Das offene PR-Portal)
Initiiert von Tenor Peter Bernhard wurden sämtliche lokalen Kräfte mobilisiert : Banken und Firmen als Sponsoren, Schreinereien für die Kulissen, Laiensänger und Schulen für die Chöre, Schneidereien für die Kostüme… Unterstützt von professionellen Theaterleuten, entstand im Zusammenspiel aller Beteiligten ein für Akteure wie Zuschauer gleichermaßen mitreißender, begeisternder Opernabend! Jeder kleinste Helfer beim Ausschank oder beim Einlass war zu Recht stolz auf „unsere Oper“ und die einhellige Begeisterung des Publikums.

Besonders viele Kinder und Jugendliche waren mit von der Partie und wurden so „vom Opernvirus infiziert.“ (Bernhard)

Wenn man die Oper liebt und an die Qualitäten dieser Gattung glaubt, konnte man vor Glück und Rührung fast weinen. Oper hat hier für sehr viele Menschen eine neue, positive Bedeutung erlangt! Das lag auch an der überragenden, stimmungsvollen und packenden Aufführung!

Get the Flash Player to see this player.

Quelle: art-tv.ch
Auf dem Schinznacher Dorfplatz wurde extra eine spanische Stierkampfarena aufgebaut, deren Rund als Spielfläche diente und deren Ränge die Zuschauer ganz nahe ans Geschehen setzten, sie zum Bestandteil der Kulisse werden ließen. Ohne ein (zer)störendes Regiekonzept wurde die Geschichte einer tödlichen Liebe erzählt : durch die detaillierte, glaubhafte und realistische Personenregie ebenso wie durch die Farbenpracht der Kostüme oder die Lichtregie. Einige Showeffekte wie auf Pferden reitende Soldaten oder ein im Royce chauffierter Escamillo möchte ich nicht kritisieren, ebenso wenig einige kleine Änderungen der Regie, welche den Werkgehalt nicht antasteten!

Gesungen wurde in Französisch, während die prägnant gekürzten Dialoge in Deutsch gesprochen wurden. Dies ermöglichte ohne störende Übertitelung ein absolutes Verständnis der Handlung, die sich an das Libretto hielt und dadurch mit der Musik einherging!
Die überzeugende Gesamtleistung erhielt ihre Krone durch die Solisten, allen voran der José von Intendant Bernhard und die Carmen von Jordanka Milkova. Mit wuchtigem Tenor und darstellerischer Intensität gab Bernhard eine beklemmende Zerfallsstudie des Soldaten. Die Milkova ist durch ihre Spielfreude und Bühnenpräsenz ebenso wie durch ihre Attraktivität eine ideale Carmen. Hinzu kommt ihre klangvolle, echte Mezzostimme, die schlank und kultiviert geführt wird. Ein Genuss für sich!

Das eigens zusammengestellte Orchester unter der dramatisch-prägnanten Leitung von Marc Tardue fand seinen Platz ebenfalls auf den Rängen in der Arena.

Das Publikum dankte den Protagonisten durch Standing Ovations in allen, restlos ausverkauften Vorstellungen. Die allgemeine Hochstimmung ließ die Aufführung in einem – im positivsten Wortsinne! – Volksfest ausklingen.

Schenkenberg ist ein visionäres Projekt – in jeder Hinsicht! Die lokale Einbindung, die Kooperation von Laien und Profis, die ernsthafte und doch publikumsnahe Präsentation des Werks, dessen unverfälschte Wiedergabe,… Welch ein Gegensatz zur Kulturpolitik vieler großer Staatstheater oder renommierter Festspiele. Schenkenberg hat gezeigt was Oper sein kann!

In drei Jahren – denn diese Zeit braucht es – möchte die Oper Schenkenberg wieder ein Werk präsentieren.

Michael Seil (Besuchte Vorstellung 22. August 2010)

19. August 2010

Rossini-Klänge aus dem Bayreuther Orchestergraben - Wagner zitiert Rossini


Sie glauben das nicht? Doch, das ist tatsächlich so! Und Rossini-Klänge nicht nur in Bayreuth, sondern in allen Opernhäusern der Welt, wenn in Richard Wagners „Die Meistersinger von Nürnberg“ die Handwerker auf der Festwiese ihren Einzug halten (Dritter Aufzug – 5. Szene).

Zugegeben, es sind nur wenige Takte, und man muss in dem lebhaften orchestralen Getümmel sehr genau aufpassen, aber dann hört man es tatsächlich: es sind die Flöten (und nur die Flöten, gesungen wird die Melodie ohnehin nicht), die die Melodie von „Di tanti palpiti“ aus Rossinis "Tancredi" zu den Worten der Schneider spielen: „...war nicht ein Schneider, ein Schneider, ein Schneider zur Hand, der viel Muth hatt' und Verstand“. Es geht dabei inhaltlich um die Geschichte von einem Nürnberger Schneider, der einst – eingenäht in ein Bocksfell - Feinde, die Nürnberg belagerten, mit Luftsprüngen u. ä. vertrieben haben soll.


Quelle: Bollettino del Centro rossiniano di studi 1976 Nr. 1-3

Dass Wagner gerade eine derart komisch-heroische Geschichte mit dieser populären Rossini-Melodie illustrierte, erklärt Richard Osborne* wie folgt:

„Es mag Wagners Sinn für die Beleidigung eines mittelalterlichen Ritters gewesen sein, wenn diesem die Musik eines Straßenverkäufers beigegeben wird, daß er mit einer Parodie auf 'Di tanti palpiti' für das Lied der Schneider im 3. Akt der Meistersinger darauf reagierte.“
*Richard Osborne, Rossini – Leben und Werk (1986 / List Verlag München 1988, S. 317 (Anm. 2 zu Kapitel 21)
Tancredis Melodie als Musik eines Straßenverkäufers? Ich kann die damit behauptete Boshaftigkeit Wagners nicht empfinden, für mich wirkt die Parodie in dieser 1868 uraufgeführten Oper eher wie ein Augenzwinkern.

Wagner hat sich allerdings eingehend und vehement gegen Rossini bzw. gegen seine Musik gewendet, da lassen sich zahlreiche Beispiele finden in Richard Wagners Schrift „Oper und Drama“ insbes. im Abschnitt „Die Oper und das Wesen der Musik“ (Unterabschnitte II und III).*

*Komplette Texte bei Google Books:
 
Oper und Drama (Leipzig 1852)
Da bei diesen digitalisierten, sehr umfangreichen Dokumenten eine gezielte Suche über die Funktion „ Auf dieser Seite suchen“ nicht möglich ist, hier noch eine weitere Veröffentlichung des Textes im Internet (62 Suchergebnisse mit dem Suchbegriff „Rossini“!)
Rossini soll – glaubt man zumindest den zahlreichen Anekdoten – seinerseits Unfreundliches über Wagner gesagt haben. Dichtung oder Wahrheit, Ironie oder üble Nachrede – wer kann das Knäuel der vielen Geschichtchen noch entwirren, die teils von mehr oder weniger verlässlichen Augen- bzw. Ohrenzeugen stammen, meist aber einfach nur irgendwo abgeschrieben und weiterverbreitet worden sind und werden, häufig auch in der einschlägigen Fachliteratur? Fest steht allerdings, dass Rossini, als ihm im Frühjahr 1860 in Paris eine besonders bösartige Bemerkung gegen Wagner, der zu der Zeit in Paris zur Aufführung seines Tannhäusers war, in den Mund gelegt wurde, Dementis in den Pariser Zeitungen veröffentlichte.

Wagner selbst schreibt hierüber:
"In einer anderen Weise sehr freundlich anregend erwies sich für mich eine Berührung mit Rossini, welchem ein Witzreißer für die Journale ein bonmot untergeschoben hatte, wonach er seinem Freunde Caraffa, als dieser sich für meine Musik erklärte, bei einem Diner den Fisch ohne Sauce serviert und dies damit erklärt haben sollte, daß ja sein Freund auch die Musik ohne Melodie liebe. Hiergegen protestierte nun Rossini in einem öffentlichen Schreiben sehr förmlich und ernsthaft, erklärte das ihm untergelegte bonmot für eine »mauvaise blague« und bezeugte zugleich, daß er derartige Scherze sich nie in betreff eines Mannes erlauben würde, den er darin begriffen sehe, das Gebiet seiner Kunst zu erweitern. Nachdem ich hiervon Kenntnis erhalten, zögerte ich keinen Augenblick, Rossini meinen Besuch zu machen, und ward von ihm in der Weise freundlich empfangen, wie ich dies später in einem meinen Erinnerungen an Rossini gewidmeten Aufsatze beschrieben habe."
Zitiert aus: Richard Wagner - Mein Leben (Dritter Teil: 1850-1861)
Dieser denkwürdige Besuch Wagners bei Rossini fand im März 1860 statt. Edmond Michotte, so etwas wie ein persönlicher Referent Rossinis, hatte dieses Treffen arrangiert und war bei dem Gespräch anwesend, dessen Inhalt er anhand von Aufzeichnungen allerdings erst Jahrzehnte später veröffentlichte*. Hier kann man nachlesen, wie Wagner seine Vorstellungen von der Zukunft des Musikdramas verständlich und ohne große theoretische Abschweifungen schildert, auf die ein merklich interessierter Rossini detailliert eingeht, teils auch mit souveräner (und von Wagner vielleicht gar nicht wahrgenommener) freundlicher Ironie, wenn er z. B. auf Wagners begeisterte Äußerungen über die Melodie der Szene „Sois immobile“ (Guillaume Tell) oder über den Chor der Schatten im „Moise“ antwortet, er – Rossini – habe also, ohne es zu wissen, „Zukunftsmusik“ gemacht. Eine wirklich empfehlenswerte Lektüre!

* ausführliche Zitate hieraus bei Herbert Weinstock, Rossini – Eine Biographie (1968 / Edition Kunzelmann 1981), insbes. Kapitel XVI S. 318ff, und bei Wilhelm Keitel/Dominik Neuner, Gioachino Rossini (Albrecht Knaus Verlag 1992), S. 206ff. Den kompletten Text in einer neuen deutschen Übersetzung enthält das Booklet zur CD „Konrad Beikircher liest 'Wagner vs. Rossini'“.
Nach dem Tode Rossinis (13. November 1868) erschien in der Allgemeinen Zeitung Augsburg am 17. Dezember 1868 von Richard Wagner “Eine Erinnerung an Rossini”*. Sicherlich ein etwas seltsamer Nachruf, da Wagner mehr über sich selbst spricht als über Rossini, aber doch eben eine Würdigung, die mit folgenden Worten schließt:


(Zum Vergrößern bitte das Bild anklicken)
*Den (fast) kompletten Text gibt es im Internet bei Google-Books hier

Wie Albert Gier in seinem Vortrag Glanz und Elend der absoluten Melodie beim Symposion „Rossini und die Deutschen“ (Bad Wildbad 1999) anmerkt, vermochte Wagner jedenfalls im Falle Rossinis zwischen Person und Werk zu trennen.

Soweit der Hinweis auf ein interessantes Kapitel der Musikgeschichte. Abschließend noch eine kleine Randnotiz:

Festwiese - Hamburgische Staatsoper
(zum Vergrößern bitte anklicken)

Auch einen veritablen Triller gibt es in den Meistersingern zu bestaunen – entsprechendes Können der Sängerin natürlich vorausgesetzt -, und zwar ebenfalls in der Szene auf der Festwiese. Eva singt ihn in der Phrase „Keiner wie du...“, wenn sie ihrem Stolzing nach dessen Preislied den Siegeskranz aufsetzt. Darüber, wie dieser Triller in Wagners Partitur geraten ist, gibt es folgende nette Geschichte, die Lotte Lehmann erzählt haben soll, die Schülerin der Uraufführungs-Eva Mathilde Pallinger war*:

Bei den Proben zur Uraufführung der Meistersinger soll der Tenor in dieser Szene mehrfach gepatzt haben. Als es bei der x-ten Wiederholung immer noch nicht klappte, soll die Sängerin der Eva - total genervt – in ihren Part einfach einen langen Triller eingebaut haben, - sozusagen der Seufzer einer Sängerin.... Hierauf Wagner: „Der Triller bleibt!"
*s. Alan Jefferson, Lotte Lehmann – Eine Biographie, Schweizer Verlagshaus Zürich 1991, S. 23

17. August 2010

TV-Kritik: Rossini reloaded - weitgehend ein Ärgernis



Haben Sie auch am Sonnabend bei 3sat den Film „Gioacchino Rossini – Der Schwan von Pesaro“ mit dem seltsamen Untertitel „Rossini reloaded“ gesehen? Die Vorfreude war groß gewesen, hieß es doch in der Vorankündigung: „In dem Porträt erkundet Filmautor Theo Roos gemeinsam mit Juan Diego Flórez die legendäre Epoche des Belcanto und das komplexe Wesen eines Komponisten, der als musikalischer Spaßmacher galt und dem die Großen seiner Zeit Respekt zollten“. Die Enttäuschung war dann umso größer.

"Rossini reloaded" - was soll das? Rossini neu entdecken? So aber bitte nicht! Der Versuch, Rossinis Musik unter Abspielen von Teilen bekannter schmissiger Ouvertüren in schnellbewegte Bilder unserer Zeit umzusetzen, war einfach nur nervig, - Hektik pur, der ich mich bald entzog und die Augen schloss, solange nicht einer der von Rossinis Musik ansteckend begeisterten und sachkundigen Interpreten zu Worte kam oder der Schnipsel einer Opernszene gezeigt wurde.



Alberto Zedda, Joyce DiDonato, Juan Diego Flórez, Daniela Barcellona u. a. vermittelten lebhaft ihre Freude an der Musik Rossinis, ihnen zuzuhören war ein Vergnügen, unerfreulich war z. B. „Di tanti palpiti“ als Hintergrundmusik zu einem gesprochenen Zitat (Stendhal, Heine, Schopenhauer, Richard Wagner u. a. wurden von Schauspielern reichlich unglaubhaft "verkörpert").

Schade um die vertane Chance, Rossini auch über seinen "Barbiere di Sevilla" und "La Cenerentola" hinaus wieder ins Bewusstsein des operninteressierten Publikums zu rücken! Bei einer derart sprunghaften und teils hektischen Machart bleibt nicht viel in Erinnerung.

Der Film ist zur Zeit in der  Mediathek von 3sat zu sehen. Im September wird er an mehreren Sendeterminen beim ZDFtheaterkanal gezeigt.

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Im Anschluss an diesen Film gab es in einer Aufzeichnung aus Barcelona „La Cenerentola“ mit dem Rossini-Traumpaar DiDonato und Flórez. Am kommenden Sonnabend wird „La pietra del paragone“ in einer eigenwilligen, aber m. E. äußerst unterhaltsamen (und durchweg gut gesungenen) Inszenierung aus Paris gezeigt.

3sat sei Dank für diese außergewöhnliche Rossini-Fülle! Dass diese beiden Opern aber unter „Festspielsommer“ gezeigt werden, ist allerdings doch etwas irritierend, geht es bei dieser Sendereihe nach der Ankündigung von 3sat doch um: "Renommierte Festivals – internationale Stars. Zu sehen sind Aufführungen aus ... aus Schwetzingen und vielen anderen Festspielorten mehr. Konzerte, Opern und Tanz, live oder in aktuellen Aufzeichnungen.“ Da hatte ich doch tatsächlich – jedenfalls solange die Besetzungen noch nicht auf der Internetseite von 3sat standen - auf (ggf. auch ältere) Aufzeichnungen der RAI vom Rossini Opera Festival in Pesaro gehofft. Festivals in Paris oder Barcelona sind mir jedenfalls nicht bekannt, vielmehr handelt es sich um Aufzeichnungen „normaler“ Produktionen, die auch bereits auf DVD im Handel sind. Warum also diese völlig überflüssige Falschdeklaration? Programmfüller aus Mangel an (finanzierbaren) Übertragungen von anderen diesjährigen Festivals? Wie auch immer – genießen wir das seltene TV-Vergnügen mit Opern unseres geliebten Rossini! Am kommenden Sonnabend also "La pietra del paragone" in einer Inszenierung, die auf dem Bildschirm vielleicht sogar besser zur Geltung kommt als im Theater, - ein neuer Zug der Zeit?


Fotos: Bildschirmfotos 3sat / YouTube

15. August 2010

Sendungen zu Opern bei RAI Radio 3 und anderen ausländischen Radiosendern hören und aufnehmen

Wer regelmäßig in diesem Blog reinschaut, wird bemerkt haben, dass dort oft Hinweise auf interessante Opernübertragungen bei RAI Radio 3 stehen, die in den seltensten Fällen auch von deutschen Radiosendern ins Programm genommen werden. In meinem Beitrag zu den Liveübertragungen aus Pesaro hatte ich dargelegt, auf welchem (Um-)Weg man RAI Radio 3 über das Internet aufnehmen kann. Nun die erfreuliche Nachricht: Jetzt kann man auch mit dem Phonostar-Player in der aktuellen Version 3 den Sender RAI Radio 3 empfangen und aufnehmen, ich habe das Update soeben gemacht. Der Site von RAI Radio 3 ist zu entnehmen, dass der Stream jetzt über Windows Media Player läuft.

Es lohnt sich, diese Möglichkeit zu nutzen, ausländische Sender zu hören und sich ggf. von den Aufzeichnungen eigene CDs zu brennen. Die Auswahl ist enorm! Die Sender-Datenbank des Phonostar-Players enthält in der Rubrik "Gepflegte Klänge" - "Klassik und Oper" zur Zeit 186 Sender, davon 108 aus Europa. Aus dieser Liste kann man sich seine Favoritenliste zusammenstellen. Das Opernprogramm vieler dieser Sender gibt es bei operacast.

13. August 2010

"Le Siège de Corinthe" in Bad Wildbad 2010



Wenn man - wie in unserem Fall - Rossinis erste französische Oper Le siège de Corinthe, die 1826 an der Pariser Oper Premiere feierte, noch nie live erlebt hat, möchte man sich auf diese Erstbegegnung entsprechend vorbereiten - im Zeitalter des Internets natürlich kein großes Problem. Hierbei macht man sehr bald aufschlussreiche Entdeckungen: Man erfährt zuallererst - für Rossini-Kenner und -Liebhaber sicherlich Basiswissen! - , dass die Belagerung Korinths eine für Paris und die dortigen Gegebenheiten bzw. Erwartungen umgearbeitete Fassung des 1820 für das Teatro San Carlo in Neapel geschriebenen Maometto II ist. (Dieses “dramma per  musica“ haben wir im Kreise von Mitgliedern der DRG bereits viermal in den letzten 10 Jahren auf Bühnen in Straßburg, Bad Wildbad [Fassung für Venedig 1822 mit lieto fine], Amsterdam und Bremen genießen können).

Sucht man dann nach akustischen “Hilfsmitteln“ - sprich CD/DVD-Aufnahmen dieser tragedie-lyrique in 3 Akten -, gibt es die erste Überraschung: Legal ist eine einzige Gesamtaufnahme auf dem Markt, die 1992 als Mitschnitt von zwei Aufführungen in Genua von Nuova Era publiziert wurde (unter Paolo Olmi sangen u.a. Luciana Serra und Dano Raffanti). Bei YouTube kann man außerdem ausführliche Szenenausschnitte der Inszenierung anschauen, die die Opéra Lyon 2001 auf die Bühne brachte (u.a. mit Darina Takova, Marc Lahó und Michele Pertusi). Von der Produktion des ROF 2000 in Pesaro, die offiziell auf keinen Tonträgern vorliegt, habe ich nur gelesen, dass sie musikalisch durchaus gelungen, szenisch aber ein Fiasko gewesen sein soll. Der Vollständigkeit halber - und um die Sache noch komplizierter zu machen - muss natürlich erwähnt werden, dass es Live-Mitschnitte von L’Assedio di Corinto aus der Scala di Milano von 1969 (unter Thomas Schippers sangen u.a. B. Sills, M. Horne und F. Bonisolli) und aus der New Yorker Met von 1976 (wieder mit B. Sills und diesmal Sh. Verrett) gibt.

Doch - und dies ist die zweite Überraschung - ist diese Oper nicht einfach eine Art Rückübersetzung der französischen Originalversion ins Italienische, sondern eine Kompilation aller Fassungen. Die eklatanteste Abweichung dürfte sicherlich sein, dass in der Siège der Néocles eine Tenorpartie ist, während in dem fast schon pasticcio-artigen L’Assedio diese Rolle von einem Mezzosopran gesungen wird. Welche anderen gravierenden Änderungen es in dieser musikalisch durchaus fesselnden Schippers-Aufnahme gab, kann man sehr detailliert in Ph. Gossetts  faszinierendem Buch „Divas and Scholars“ nachlesen (vgl. Ch. Jernigans Rezension dieses Buches in “La Gazzetta“ 2007, pp. 64 ff.).

Eine zuverlässige Edition oder gar edizione critica dieser Oper, die man in ihrer Mischung aus italienischen Wurzeln und französischem “Ambiente“ (Sprache, Ballett etc.) als Vorläufer der grand opéra bezeichnen könnte, existiert bis heute noch nicht. So kam das Werk in einer Neuausgabe des Wildbader Festivals als “Revision nach der Originalausgabe und nach den Aufführungsquellen von Jean-Luc Tingaud“ zur Aufführung, in der der junge französische Dirigent auch die musikalische Einstudierung und Leitung innehatte. Er entfachte in dieser konzertanten Aufführung vor allem bei den martialischen Szenen das nötige orchestrale Feuer, das allerdings gelegentlich in (zu) großer Lautstärke loderte. (Der Fairness halber muss ich einräumen, dass dieser Eindruck durch unsere Plätze in der 1. Reihe bedingt entstanden sein kann.)

Die in den 2. Akt passend zu den begonnenen Hochzeitsfeierlichkeiten eingefügte Ballettmusik - den Regeln der Pariser Oper entsprechend - gelang hingegen den Virtuosi Brunensis, dem Stammorchester des Festivals, in bezaubernder Weise. Der erstmals in Bad Wildbad eingesetzte Chor Camerata Bach aus Posen überzeugte mit Wohlklang und Fülle, ließ aber einen engagierteren Bezug zur Opernhandlung vermissen. Dieses Eingehen auf das dramatische Geschehen zwischen und in den Charakteren ist auch und gerade bei konzertanten Aufführungen notwendig, damit diese nicht zu einem oratorienhaften Stehkonzert “verkommen“ (wer einmal Edita Gruberova als konzertante Norma erlebt hat, weiß, was da möglich ist, wenn man seine Rolle beherrscht!).

Majella Cullagh Lorenzo Regazzo Michael Spyres
Majella Cullagh, Heroine in zahlreichen Belcanto-Aufnahmen bei OperaRara, gelang es mit ihrer in allen Registern wohlklingenden Sopranstimme in Koloraturen und dramatischen Ausbrüchen ihrer Pamyra Leben einzuhauchen und deren Konflikt zwischen Liebe und vaterländischer Pflicht spürbar zu machen. Ihr ebenbürtig in stimmlicher Präsenz und dramatischer Gestaltung war der Bass von Lorenzo Regazzo als Mahomet II. Stimmlich am meisten beeindruckte mich trotzdem Michael Spyres, seit La Gazzetta (2007), aber vor allem seit seinem Otello (2008) ein Liebling des Wildbader Publikums. Er meisterte die teilweise hoch notierte Rolle des jungen griechischen  Offiziers Neocles (in der Premiere von Adolphe Nourrit gesungen!) mit seinem berückenden Timbre, aber auch - wo nötig - mit baritonaler Tiefe souverän und begeisternd.



Der englische Tenor Justin Lavender hat dessen große Arie aus dem 3. Akt “Grand Dieu faut-il qu’un peuple qui t’adore“ in seinem  hörenswerten Recital “Rossini und Donizetti- Arias“ (1995 bei Carlton Classics erschienen) ähnlich glanzvoll gesungen. Wir freuen uns schon auf ein Wiederhören mit M. Spyres als Tamino in der ORW in Liège im Oktober dieses Jahres und auf seinen Alamiro in Donizettis Belisario im Februar 2011 in London. Alle anderen, darunter zwei weitere Tenöre (vorrangig  Marc Sala als Cléomène aber auch Gustavo Quaresma Ramos als dessen Vertrauter Adraste) sowie Silvia Beltrami als Ismène und die beiden tiefen Männerstimmen (der französische Bass Matthieu Lécroart als der Grabwächter Hiéros und der italienische Bariton  Marco Filippo Romano als Mahomets Vertrauter Omar) rundeten das Bild einer Aufführung ab, die das Publikum in der ausverkauften Neuen Trinkhalle, deren Akustik und Fluidum trotz sicherlich großem Bemühen verbesserungswürdig sind, danach begeistert in das Wildbader Nachtleben eintauchen ließ.

Und ich bezweifle, dass ein Kritiker dieses letzten Wildbader Wochenendes Recht hat, wenn er über die Akzeptanz der vier Aufführungen beim Publikum abschließend meinte, der große Beifall und Jubel seien “typisch für ein unkritisches Festivalpublikum“. Stellvertretend für viele mag die Aussage eines in europäischen Opernhäusern wohl bewanderten Opernfreundes aus Belgien stehen, der mit einem kleinen Bus von 20 Opernbegeisterten aus Liège und Brüssel zum ersten Mal in Bad Wildbad war: Sie alle waren vom musikalischen Niveau weitgehend begeistert, von der Spielstätte des Hauptgeschehens aber weniger angetan.
Aber darüber sprachen wir ja schon …

Walter Wiertz (Besuchte Vorstellung: 23. Juli 2010)

8. August 2010

Solisten von "Rossini in Wildbad" 2010 in Bild und Ton

Auch dieses Jahr gab es beim Festival „Rossini in Wildbad“ eine interessante Mischung von bekannten und neuen Stimmen zu hören.




An erster Stelle ist Michael Spyres zu nennen, ein Tenor mit fulminanter Höhe und baritonaler Tiefe und mit einem vorbildlichen Legato, der eine viel versprechende internationale Karriere gestartet hat (aktuelle Informationen auf seiner Homepage und hier). Dieses Jahr sang er in Bad Wildbad den Néoclès in den konzertanten Aufführungen von Rossinis „Le Siège de Corinthe“:





(leider stellenweise sehr leise)

Es lohnt sich immer wieder, auch die Videos (in guter Tonqualität!) von seinen früheren (szenischen) Auftritten in Bad Wildbad zu bestaunen:
Rossini "La gazzetta" 2007
Rossini "Otello" 2008


Auch mit Lorenzo Regazzo gab es in „Le Siège de Corinthe“ (und bei den Duetti buffi mit Bruno Praticò) ein sehr erfreuliches Wiedersehen und Wiederhören in Bad Wildbad, leider aber (noch) kein Video davon. Aber ansehen sollte man sich dieses Video hier, - da ist er mal nicht auf Anhieb zu erkennen.

Videos von weiteren Solisten dieser Produktion, die auf CD erscheinen soll:
Majella Cullagh (Pamyra)
Marc Sala (Cléomène) (auch zu erleben im Wildbad-Video hier im Blog)
Silvia Beltrami (Ismène)

Auch von der diesjährigen „Cenerentola“ gibt es bei YouTube ein Video:


Wie man sieht und hört, war auch dieses Jahr Bruno Praticò wieder in Bad Wildbad dabei, diesmal als Don Magnifico. Von dessen Arie gibt es ein wunderbares Video von einem Konzert in St. Petersburg, interessanterweise dirigiert von dem international als Tenor bekannten Giuseppe Sabbatini:




Mir hat besonders der erst 22 Jahre alte Bernhard Hansky als Dandini gefallen: klangvolle Stimme, koloratursicher und von erstaunlicher Bühnenpräsenz. Auf seiner Homepage gibt es ein Audio von seiner Auftrittsarie, aufgenommen in Bad Wildbad:
Arie des Dandini



Die Cenerentola sang die bereits für Wien und Zürich engagierte Serena Malfi (Videos) - Auch von dem Sänger des Ramiro, Edgar Ernesto Ramirez, gibt es Videos bei YouTube.


Szenen-Fotos von "Rossini in Wildbad" 2010:


Insbesondere wegen der zahlreichen Fotos und für diejenigen, die des Niederländischen bzw. des Französischen mächtig sind (oder die die oft bizarren Google-Übersetzungen enträtseln mögen) hier als Ergänzung zur Presseschau die Rezensionen von „Opera gazet“ und „Forum Opéra“

Opera Gazet: alle drei Opernrezensionen hier

Forum Opéra:
Le Siège de Corinthe
La Cenerentola
Adelina
Duetti buffi

Neugierig geworden, wer in früheren Jahren bei "Rossini in Wildbad" gesungen und wer von dort aus eine internationale Karriere gestartet hat? Das steht im Einzelnen hier im Belcantoblog im Beitrag Junge Karrieren - Karrierestart in Bad Wildbad und Pesaro und in der Diskographie im Beitrag "Rossini in Wildbad" 2008 - Das Jubiläum. Weitere Beiträge finden Sie über die Rubriken in der rechten Spalte  "Rossini in Wildbad" und "Junge Karrieren".

1. August 2010

"Rossini in Wildbad" 2010 - ein Rückblick

Wieder ist ein Rossini-Festival in Bad Wildbad vorüber, aber in der Erinnerung lebt es fort.


Umschalten in den Vollbildmodus ist möglich

Rossinis Oper „Cenerentola“ machte in der neuen Spielstätte, der umgebauten Trinkhalle im Kurpark, den Anfang. Hier wurde auch „Le Siège de Corinthe“, Rossinis erste große französische Oper, konzertant mit großem Erfolg aufgeführt und vom SWR aufgezeichnet. Das Königliche Kurtheater im Kurpark wiederum bildete den schmucken Rahmen für kleinere Inszenierungen wie die „Malibran-Kadenzen“, Klavierstücke unter anderem von Ignaz Moscheles mit den „Gems à la Malibran.“ Außerdem wurde hier die modern und ironisch inszenierte kleine Oper „Adelina“ von Pietro Generali gegeben. Letzterer war ein Zeitgenosse Rossinis, daher lag es nahe, einen Prolog „Rossini erobert die Oper“ mit Auszügen aus Gioachino Rossinis frühen Opern zu entwerfen, szenisch einzurichten und der „Adelina“ voranzustellen. So wurde Rossinis Eroberung der italienischen Opernwelt und seine Auseinandersetzung mit damaligen Erfolgskomponisten wie Generali deutlich. Die Veranstaltung wurde am gleichen Tage zeitversetzt im Radio übertragen.


Alle Aufführungen wurden freundlich aufgenommen, zum Teil enthusiastisch vom Publikum gefeiert. Weitere Programmpunkte des unter dem Motto „200 Jahre im Rampenlicht – Gioachino Rossini“ stehenden Festivals waren „Duetti Buffi: Unsterbliche Buffoszenen“ und ein „Chopin-Zyklus III“. Über die einzelnen Produktionen soll noch in diesem Blog berichtet werden. (Wir freuen uns über weitere Beiträge, die an die Adresse rf@belcantoblog gesendet werden können. Auch Kommentare zu diesem Festival sind sehr willkommen).


Aber das Festival lebt nicht nur von seinen Aufführungen, sondern auch durch die Mitwirkenden und treuen Besucher. Einige Sänger waren sehr jung, wenn auch schon bei Gesangswettbewerben ausgezeichnet, mit Bühnenerfahrung und bei Intendanten europaweit, teils weltweit, begehrt. Auf der anderen Seite standen erfahrene und berühmte Solisten wie Bruno Praticò, Lorenzo Regazzo und Michael Spyres, deren Unterstützung für die Jüngeren wichtig ist. Eine „Masterclass“, diesmal wieder unter der Leitung von Raúl Giménez, und andere Formen der Zusammenarbeit zwischen den Künstler-Generationen haben Tradition in Bad Wildbad, ein Verdienst des langjährigen Festival-Chefs Jochen Schönleber, dem man auf Schritt und Tritt begegnete, oft in Eile, mit dem Fahrrad unterwegs und stets im Einsatz, auch wenn es darum ging, sich persönlich um einzelne Mitglieder des künstlerischen Stabes zu kümmern. Die Mannschaft besteht ja nicht nur aus den im Rampenlicht stehenden Sängern, sondern es gehören Chor- und Orchestermitglieder, technische Mitarbeiter, Kameramänner auf wackligen Tischen balancierend, Beleuchter und andere Theaterschaffende dazu – vor und hinter der Bühne.

Staunt ein Gast über das herrliche, 1864 erbaute und in den letzten Jahren restaurierte Kurtheater, kann er sich hilfesuchend an den Vorsitzenden des „Fördervereins Kurtheater Bad Wildbad e. V.“ Herrn Dr. Peterson wenden, der alles über die Geschichte dieses Kleinods weiß.


Mittendrin und überall präsent: die Besucher. Sie kommen aus Deutschland, England, Frankreich, den Niederlanden, Italien und sonst woher. Viele kennen sich seit Jahren. Es gibt herzliche Begrüßungen, wenn man sich im Theater, im Kurpark, auf dem Sommerberg oder im Wildbader Hof begegnet, wo der Wirt sich umsichtig um seine Gäste kümmert, gelegentlich auch ein uriges Gewölbe für die fröhliche Schar öffnet und ungemein heiße Teller mit wahlweise sehr großen oder großen Portionen auf den Tischen ablädt. Technisch ist das Publikum bestens ausgestattet und meist mit kleinen Digitalkameras ausgerüstet, die hochgereckt werden und um die Wette zu blinken scheinen - natürlich nicht während der Aufführungen.


Fast bilden die Künstler und ihr Publikum eine Einheit in Bad Wildbad. Jedenfalls kann diese Illusion entstehen, begegnen sie sich doch auch – zufällig - in gemeinsamen Hotelunterkünften oder – geplant – bei gastronomischen „Events“, wenn beispielsweise nach der Opern-Vorstellung im schmucklosen Pausenraum der Neuen Trinkhalle flugs ein Büffet aufgebaut wird, nach dem Essen dann plötzlich das Piano erklingt und ein Sänger nach dem anderen eine kleine improvisierte Gala-Einlage gibt: Da erklingt schon mal ein im Finale mehrstimmig geschmettertes „O sole mio“. Aber das ist noch nicht alles: Animiert von diesen Klängen wollen die Besucher nicht nachstehen und versuchen sich an deutschem Volksliedgut, was noch am nächsten Tag für viel Spaß sorgt – ein Beweis dafür, dass das „Festival“ zu Bad Wildbad gehört und sich eigentlich um seine Zukunft keine Sorgen machen müsste, jedenfalls was das Interesse der Belcanto-Liebhaber angeht. Der Kreis dieser Opernfreunde wird ständig erweitert, man informiert „Neue“ über Aufführungen und Komponisten, weckt deren Interesse und darf manchmal sogar damit rechnen, dass der eine oder andere Kunstsinnige aus Baden-Baden, Rastatt oder einem nördlichen Bundesland nach dem ersten Kennenlernen nicht genug hat, sondern im nächsten Jahr mit seinen Freunden oder seiner Belegschaft wiederkommen möchte.


Der große Einsatz auch der Deutschen Rossini Gesellschaft, insbesondere durch deren kompetenten Geschäftsführer und anerkannten Rossini-Spezialisten Reto Müller darf nicht unerwähnt bleiben, besonders was das diesjährige Festival angeht. Er hielt den „Festvortrag“ über den Namensgeber des Festivals, schrieb oder übersetzte viele Beiträge in den Programmheften, besorgte die Auswahl der Musikstücke in „Rossini erobert die Oper“ und schuf nicht zuletzt mit einer zweisprachigen Übertitelung der Opern etwas vollkommen Neues. Hier fand der Opernfreund nicht nur eine spannende wörtliche Übersetzung des Librettos vor, sondern konnte sich auch in den Urtext einlesen – das war selbst für diejenigen lohnend, die zwar häufig italienischen oder französischen Arien lauschen, diese Sprachen aber nicht beherrschen.


Vor dem Palais Thermal steht jetzt die Bronzestatue des alternden, in Bad Wildbad Heilung suchenden Rossini. Viele Gäste lassen sich mit Rossini fotografieren, einer der „Beweise“, dass der Italiener in Bad Wildbad „angekommen“ ist. Andere schlemmen Eis oder genießen die Schwarzwälder Kirschtorte, die es besonders köstlich im Café Winkler gibt. Bei den beliebten Damen- und Herren-Ausstattern gibt es ein Wiedersehen, im Thermalbad oder oben auf dem Sommerberg. Regelmäßig kommt die Stadtbahn aus Karlsruhe oder Pforzheim auf lärmgedämmten Schienen „eingeschwebt“ und spült einen Besucherschwarm in das verträumte Städtchen, das während des Festivals aufzublühen scheint, trotz unübersehbarer Leerstände in einigen Geschäften, wohl bedingt durch die Wirtschaftskrise. Morgens läuten sanft die Kirchenglocken, langsam ziehen die Dunstschleier himmelwärts und geben die Sicht auf die Berge frei. Dem Genuss konnte das diesjährige Regenwetter nichts anhaben. Bis zum nächsten Mal!


Astrid Fricke (Text); Reiner Fricke (Video)

Pesaro live zum Mithören und Aufnehmen

Hinweis: Zum aktuellen Stand gemäß Beitrag vom 15. August 2010 bitte hier hier klicken!

In wenigen Tagen ist es soweit! Auch dieses Jahr überträgt RAI Radio3 vom Rossini Opera Festival in Pesaro live alle drei Premieren. Neben La Cenerentola gibt es dieses Jahr zwei absolute Raritäten: Sigismondo und Demetrio e Polibio. Ob davon etwas jemals auf einem deutschen Radiosender zu hören sein wird, steht leider in den Sternen und noch nicht in einer Programmzeitschrift.

Wie man die Übertragungen mithören kann, habe ich in einem Kommentar erläutert. Gerade bei den genannten Raritäten dürfte vielfach aber auch der Wunsch bestehen, die Übertragungen auch aufzeichnen zu können. Hierzu einige praktische Hinweise.

In meinem Beitrag Oper im Internet habe ich den – von mir auch jahrelang genutzten – kostenlosen phonostar-Player empfohlen. Als ich nun mein neues Notebook einrichtete und von der Seite von Computerbild die aktuelle (und angeblich verbesserte) Version 3 des phonostar-Players runterlud, erlebte ich allerdings eine herbe Enttäuschung (wie vielleicht auch schon einige Leser, die versucht haben mögen, meiner Empfehlung aus dem Jahre 2008 zu folgen); denn den Sender RAI Radio 3 konnte ich weder in der Sender-Datenbank finden, noch konnte ich ihn als eigenen Sender hinzufügen. Auf meine Nachfrage erhielt ich von phonostar-Player folgende Antwort: "Leider  kann der neue phonostar-Player keine Real Audio Streams mehr abspielen und RAI Radio 3 wird leider nur in einem solchen Stream zur Verfügung gestellt". So viel zum Thema Verbesserung!

Das Problem lässt sich aber einfach lösen: Mit Google lassen sich im Internet diverse Seiten finden, auf denen noch ein Download der Version 2 des phonostar- Players bereit steht (z. B. bei Netzwelt.de - zur Auswahl der Version 2 die Seite bitte nach unten durchscrollen).

Der Sender RAI Radio 3 steht jetzt allerdings auch bei der Version 2 nicht mehr in der Datenbank, kann aber leicht selbst hinzugefügt werden:

zum Vergrößern bitte Bild anklicken

Erläuterungen:
Über den Button „On Air“ zu „Eigenen Sender hinzufügen“ gehen und anklicken.

In dem sich öffnenden Formular bei „Stream-Format“ wählen: RealAudio
und als „Stream-URL“ folgenden URL kopieren und einfügen (oder ins Feld eintippen):

rtsp://live.media.rai.it/broadcast/radiotre.rm

oder

http://operacast.com/RadioTre96.asx


Nicht zwingend erforderlich, aber zweckmäßig: den Sendernamen eintragen.
Dann ggf. testen und abschließend auf „Speichern“ klicken.
Den Sender findet man dann unter „Favoriten“ - „Eigene Sender“

Natürlich muss auch der Realplayer installiert sein, um RAI Radio 3 hören und aufnehmen zu können (Download bei Computerbild)

Ich wünsche uns allen spannende Entdeckungsreisen in Rossinis unbekannte Opernwelten!