1. August 2010

"Rossini in Wildbad" 2010 - ein Rückblick

Wieder ist ein Rossini-Festival in Bad Wildbad vorüber, aber in der Erinnerung lebt es fort.


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Rossinis Oper „Cenerentola“ machte in der neuen Spielstätte, der umgebauten Trinkhalle im Kurpark, den Anfang. Hier wurde auch „Le Siège de Corinthe“, Rossinis erste große französische Oper, konzertant mit großem Erfolg aufgeführt und vom SWR aufgezeichnet. Das Königliche Kurtheater im Kurpark wiederum bildete den schmucken Rahmen für kleinere Inszenierungen wie die „Malibran-Kadenzen“, Klavierstücke unter anderem von Ignaz Moscheles mit den „Gems à la Malibran.“ Außerdem wurde hier die modern und ironisch inszenierte kleine Oper „Adelina“ von Pietro Generali gegeben. Letzterer war ein Zeitgenosse Rossinis, daher lag es nahe, einen Prolog „Rossini erobert die Oper“ mit Auszügen aus Gioachino Rossinis frühen Opern zu entwerfen, szenisch einzurichten und der „Adelina“ voranzustellen. So wurde Rossinis Eroberung der italienischen Opernwelt und seine Auseinandersetzung mit damaligen Erfolgskomponisten wie Generali deutlich. Die Veranstaltung wurde am gleichen Tage zeitversetzt im Radio übertragen.


Alle Aufführungen wurden freundlich aufgenommen, zum Teil enthusiastisch vom Publikum gefeiert. Weitere Programmpunkte des unter dem Motto „200 Jahre im Rampenlicht – Gioachino Rossini“ stehenden Festivals waren „Duetti Buffi: Unsterbliche Buffoszenen“ und ein „Chopin-Zyklus III“. Über die einzelnen Produktionen soll noch in diesem Blog berichtet werden. (Wir freuen uns über weitere Beiträge, die an die Adresse rf@belcantoblog gesendet werden können. Auch Kommentare zu diesem Festival sind sehr willkommen).


Aber das Festival lebt nicht nur von seinen Aufführungen, sondern auch durch die Mitwirkenden und treuen Besucher. Einige Sänger waren sehr jung, wenn auch schon bei Gesangswettbewerben ausgezeichnet, mit Bühnenerfahrung und bei Intendanten europaweit, teils weltweit, begehrt. Auf der anderen Seite standen erfahrene und berühmte Solisten wie Bruno Praticò, Lorenzo Regazzo und Michael Spyres, deren Unterstützung für die Jüngeren wichtig ist. Eine „Masterclass“, diesmal wieder unter der Leitung von Raúl Giménez, und andere Formen der Zusammenarbeit zwischen den Künstler-Generationen haben Tradition in Bad Wildbad, ein Verdienst des langjährigen Festival-Chefs Jochen Schönleber, dem man auf Schritt und Tritt begegnete, oft in Eile, mit dem Fahrrad unterwegs und stets im Einsatz, auch wenn es darum ging, sich persönlich um einzelne Mitglieder des künstlerischen Stabes zu kümmern. Die Mannschaft besteht ja nicht nur aus den im Rampenlicht stehenden Sängern, sondern es gehören Chor- und Orchestermitglieder, technische Mitarbeiter, Kameramänner auf wackligen Tischen balancierend, Beleuchter und andere Theaterschaffende dazu – vor und hinter der Bühne.

Staunt ein Gast über das herrliche, 1864 erbaute und in den letzten Jahren restaurierte Kurtheater, kann er sich hilfesuchend an den Vorsitzenden des „Fördervereins Kurtheater Bad Wildbad e. V.“ Herrn Dr. Peterson wenden, der alles über die Geschichte dieses Kleinods weiß.


Mittendrin und überall präsent: die Besucher. Sie kommen aus Deutschland, England, Frankreich, den Niederlanden, Italien und sonst woher. Viele kennen sich seit Jahren. Es gibt herzliche Begrüßungen, wenn man sich im Theater, im Kurpark, auf dem Sommerberg oder im Wildbader Hof begegnet, wo der Wirt sich umsichtig um seine Gäste kümmert, gelegentlich auch ein uriges Gewölbe für die fröhliche Schar öffnet und ungemein heiße Teller mit wahlweise sehr großen oder großen Portionen auf den Tischen ablädt. Technisch ist das Publikum bestens ausgestattet und meist mit kleinen Digitalkameras ausgerüstet, die hochgereckt werden und um die Wette zu blinken scheinen - natürlich nicht während der Aufführungen.


Fast bilden die Künstler und ihr Publikum eine Einheit in Bad Wildbad. Jedenfalls kann diese Illusion entstehen, begegnen sie sich doch auch – zufällig - in gemeinsamen Hotelunterkünften oder – geplant – bei gastronomischen „Events“, wenn beispielsweise nach der Opern-Vorstellung im schmucklosen Pausenraum der Neuen Trinkhalle flugs ein Büffet aufgebaut wird, nach dem Essen dann plötzlich das Piano erklingt und ein Sänger nach dem anderen eine kleine improvisierte Gala-Einlage gibt: Da erklingt schon mal ein im Finale mehrstimmig geschmettertes „O sole mio“. Aber das ist noch nicht alles: Animiert von diesen Klängen wollen die Besucher nicht nachstehen und versuchen sich an deutschem Volksliedgut, was noch am nächsten Tag für viel Spaß sorgt – ein Beweis dafür, dass das „Festival“ zu Bad Wildbad gehört und sich eigentlich um seine Zukunft keine Sorgen machen müsste, jedenfalls was das Interesse der Belcanto-Liebhaber angeht. Der Kreis dieser Opernfreunde wird ständig erweitert, man informiert „Neue“ über Aufführungen und Komponisten, weckt deren Interesse und darf manchmal sogar damit rechnen, dass der eine oder andere Kunstsinnige aus Baden-Baden, Rastatt oder einem nördlichen Bundesland nach dem ersten Kennenlernen nicht genug hat, sondern im nächsten Jahr mit seinen Freunden oder seiner Belegschaft wiederkommen möchte.


Der große Einsatz auch der Deutschen Rossini Gesellschaft, insbesondere durch deren kompetenten Geschäftsführer und anerkannten Rossini-Spezialisten Reto Müller darf nicht unerwähnt bleiben, besonders was das diesjährige Festival angeht. Er hielt den „Festvortrag“ über den Namensgeber des Festivals, schrieb oder übersetzte viele Beiträge in den Programmheften, besorgte die Auswahl der Musikstücke in „Rossini erobert die Oper“ und schuf nicht zuletzt mit einer zweisprachigen Übertitelung der Opern etwas vollkommen Neues. Hier fand der Opernfreund nicht nur eine spannende wörtliche Übersetzung des Librettos vor, sondern konnte sich auch in den Urtext einlesen – das war selbst für diejenigen lohnend, die zwar häufig italienischen oder französischen Arien lauschen, diese Sprachen aber nicht beherrschen.


Vor dem Palais Thermal steht jetzt die Bronzestatue des alternden, in Bad Wildbad Heilung suchenden Rossini. Viele Gäste lassen sich mit Rossini fotografieren, einer der „Beweise“, dass der Italiener in Bad Wildbad „angekommen“ ist. Andere schlemmen Eis oder genießen die Schwarzwälder Kirschtorte, die es besonders köstlich im Café Winkler gibt. Bei den beliebten Damen- und Herren-Ausstattern gibt es ein Wiedersehen, im Thermalbad oder oben auf dem Sommerberg. Regelmäßig kommt die Stadtbahn aus Karlsruhe oder Pforzheim auf lärmgedämmten Schienen „eingeschwebt“ und spült einen Besucherschwarm in das verträumte Städtchen, das während des Festivals aufzublühen scheint, trotz unübersehbarer Leerstände in einigen Geschäften, wohl bedingt durch die Wirtschaftskrise. Morgens läuten sanft die Kirchenglocken, langsam ziehen die Dunstschleier himmelwärts und geben die Sicht auf die Berge frei. Dem Genuss konnte das diesjährige Regenwetter nichts anhaben. Bis zum nächsten Mal!


Astrid Fricke (Text); Reiner Fricke (Video)

2 Kommentare:

  1. Ein Video zu Rossinis „Le Siège de Corinthe“ Bad Wildbad 2010 habe ich als „Video der Woche“ soeben hier im Blog unter „Opernsendungen“ eingestellt.

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  2. Prima daß man heute Erinnerungen festhalten und über das Internet teilen kann.

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