26. Januar 2010

Glanzvolle "Norma" in Mannheim













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Dieter berichtet aus Mannheim:


Bellinis NORMA konzertant am Nationaltheater Mannheim -
Glanzvolle Aufführung am 16.01.2010

In der Reihe „Festliche Opernabende“ bot die Mannheimer Oper ihrem Publikum ein musikalisches Erlebnis der Sonderklasse. Dabei blieben die stürmischen Begeisterungs-Kundgebungen nicht nur auf die gastierende Edita Gruberova beschränkt.

Michail Agafonov sang einen Pollione von Weltklasse mit einer an Mario del Monaco erinnernden Dramatik. Sein gehaltenes hohes C am Schluss von „Meco all´altar di Venere..“ war von wahrhaft aufregender Schönheit, selten kann man es so auf der Bühne erleben.

Marie-Belle Sandis ist mit kultivierter Stimmführung und klangvoll-warmem Mezzosopran eine nahezu ideale Adalgisa.

Über eine noch immer schöne, noble Bass-Stimme verfügt Mihail Mihaylov als Oroveso, er ist langjähriges Ensemble-Mitglied des Mannheimer Nationaltheaters.

Der Gast-Star des Abends, Edita Gruberova, interpretierte eine überwältigende, in vielen Aspekten fast makellose Norma. In dieser Rolle habe ich mir eigentlich immer eine dramatischere, gewichtigere Stimme (Callas, Sutherland) vorgestellt. Und nach ihrer recht unschön gesungenen Lucrezia Borgia hatte ich an Gruberova keine allzu großen Erwartungen. Umso überwältigender dann ihre anscheinend mühelose, technisch beeindruckende Bewältigung dieser schwierigsten aller Sopran-Partien. Und sie ersparte sich nichts. Die Cabaletta nach „Casta diva“ brachte sie zweistrophig, mit individuellen Verzierungen in der Wiederholung. Im finalen Terzett des 1. Aktes strahlten ihre hohen C´s wie Fanfarenklänge, das krönende hohe D wurde erreicht und gehalten. Gewisse Grenzen werden allerdings bei extrem dramatischen Passagen wie dem Duett „In mia man…“ deutlich. Aber wer ist schon eine in allen Anforderungen perfekte Norma?

Ein weiterer Pluspunkt des Abends war der ukrainische Gastdirigent Andriy Yurkevych (Generalmusikdirektor in Odessa). Sein zugleich dramatisch-schwungvoll und romantisch klingendes Dirigat traf genau den richtigen Ton. Tadellos der Chor.

Häufiger Szenenbeifall und fast 20minütige Schluss-Ovationen beweisen: Hohes musikalisches Niveau kann auch ohne szenische Umsetzung begeistern. In besonderem Maße trifft diese Aussage auf die Primadonna zu. In der Münchener Norma war Gruberova aufgrund unvorteilhafter Kostümierung und entstellender Maske keine Augenweide, da stimmen selbst ihre hartnäckigsten Verehrer zu. In eleganter Robe und dezentem Make-up ist sie jedoch eine keineswegs unattraktive Bühnenerscheinung mit der selbstsicheren Ausstrahlung einer großen Primadonna.

Einen Opernabend dieser Qualität habe ich in den letzten Jahren ganz selten erleben können.

Dieter (Frankfurt a. M.)

19. Januar 2010

Ein wahres Feuerwerk: Rossinis "Il turco in Italia" an der Oper Leipzig




Claus und Friederike L. berichten über "Il turco in Italia" in Leipzig:

Höhepunkt einer Stippvisite mit kulturellem Hintergrund in Leipzig war für uns am 17. Januar 2010 eine Aufführung der Rossini-Oper "Il turco in Italia". Um es gleich mit einem Wort zu sagen: Wir waren restlos begeistert und können nur jedem Opernfreund den Besuch einer der beiden noch anstehenden Vorstellungen (28. Januar und 07. Mai 2010) ans Herz legen, sofern er über die nötige Toleranz verfügt, über Kleinigkeiten großzügig hinwegzusehen.

Dass es solche Kleinigkeiten gibt, liegt an der Natur des Theaters und zumal des heutigen. Aus Insiderkreisen hörten wir, dass dies die bislang technisch aufwendigste Inszenierung in Leipzig war. Es grenzt an ein Wunder, dass in unserer Aufführung technisch alles geklappt hat, obwohl der Cheftechniker (im Kostüm sichtbar auf der Bühne agierend) zwischendurch sogar noch Zeit fand, sich genüsslich eine Banane zu schälen. Was mit Technik hier gemeint ist, das muss man gesehen haben. Aber auch wirklich alles, was ein Theater hergibt, kommt hier zum Einsatz, angefangen bei über 300 verschiedenen Lichteinstellungen der 700 Scheinwerfer über Drehbühne, Versenkungen, Unterbühnen-Podeste, die sekundengenau hoch- und runtergefahren werden, bis hin zu dem begehbaren Räderwerk aus Holz, mit dem die Übertitelung von Hand ins Werk gesetzt wird und das fantasievoll ins Spielgeschehen mit einbezogen wird.

Die Kostümierung der Techniker, Choristen und Musikanten, die als Kobolde wuselnd die Bühne bevölkern, kann man als Zugeständnis an den heutigen Trend zur Verhässlichung betrachten, dem anscheinend kaum eine Inszenierung entgeht. Die Überbetonung primärer und sekundärer Geschlechtsmerkmale ist sicher nicht nach jedermanns Geschmack, aber die offensichtliche Spielfreude dieser fröhlichen Bande ließ uns mit fortschreitendem Abend lächelnd darüber hinwegsehen.

Musikalisch war noch weniger zu bemängeln. Dass das Gewandhausorchester unter Opernchef Schüller über jede Kritik erhaben spielte, bedarf kaum der Erwähnung. Mit den Sängern konnte man auch durchweg zufrieden sein - einzig dem ansonsten angenehm singenden Narciso hätten wir etwas mehr Volumen gewünscht. Die tiefen Männerstimmen waren exzellent, und auch die beiden Damen waren an diesem Abend gut aufgelegt und haben uns schrille Töne erspart. Dass es winzige Wackeleien zwischen Chor, Solisten und Orchester gab, ist bei solch bewegungsreichem Spiel gar nicht zu vermeiden - immer noch besser, als den Chor bewegungslos auf den Kapellmeister starren zu lassen, wie das an manch renommierterer Bühne geschieht.

Hier aber passierte so viel, dass wir die Inszenierung am liebsten gleich noch mal sehen würden, um alle Gags mitzubekommen. Ein wahres Feuerwerk, ganz wörtlich: sogar die obligate Wasserpfeife des Türken wurde gelegentlich als Flammenwerfer eingesetzt.

Fazit: Wir haben an diesem Abend das Theater glücklich wie selten verlassen, bevor wir uns in Auerbachs Keller einig wurden: Diese Aufführung müssen wir unseren Freunden wärmstens empfehlen. Also: nix wie hin!

Noch ein Tipp: In der Leipziger Oper kann man nicht nur online seine Karten bestellen, sondern es ist auch möglich, sie auf dem heimischen Computer selbst auszudrucken!

Claus und Friederike L.

Besetzung: Prosdocimo Giulio Mastrototaro Fiorilla Viktorija Kaminskaite Geronio Paolo Rumetz Narciso Timothy Fallon Selim Giovanni Furlanetto Zaida Claudia Huckle / Lena Belkina Albazar Dan Karlström Chor der Oper Leipzig Gewandhausorchester
Musikalische Leitung
Andreas Schüller
Inszenierung, Bühne
Michiel Dijkema Kostüme Claudia Damm

Video "Il turco in Italia" an der Oper Leipzig

14. Januar 2010

Rossini-Interpretin par excellence: Joyce DiDonato "Colbran, the Muse"


Joyce DiDonato hat sich in den vergangenen Jahren zu einer der führenden amerikanischen Mezzosopranistinnen entwickelt und reüssiert gerade mit ihren Rossini-Partien immer wieder mit großem Erfolg auf dem internationalen Opernparkett. Für 2010 ist etwa ihr Rollendebut als Elena in La donna del lago in Genf und Paris geplant.

Ihre neueste CD ist Isabella Colbran gewidmet. Joyce DiDonato interpretiert Auszüge aus den Partien, die Rossini für seine geschätzte Sängerin und spätere Gattin komponierte, die Colbran war Uraufführungsinterpretin aller Partien. „Colbran, the Muse“ lautet der Untertitel, die Auswahl der Stücke stellt dabei keineswegs die virtuosen Partien für die Colbran ausschließlich in den Mittelpunkt, es gibt eine ganze Reihe von Ensembles, in denen Joyce DiDonato von Solistenkollegen und Chor unterstützt wird.

Den Rahmen bilden zwei Ausschnitte aus Armida, zu Beginn das Tema con Variazioni del Finale Secondo „D’Amor al dolce impero“, am Schluss das Finale Terzo „Se al mio crudel tormento – Dove son io! – È ver… gode quest’anima.“ In der Titelpartie der 1817 in Neapel uraufgeführten Armida lässt Joyce DiDonato im Finale des zweiten Aktes zwar bereits ihre beeindruckende stilistische Sicherheit erkennen, wirkt indes gerade in den ausgesprochenen Piano-Fiorituren phrasenweise noch nicht ganz auf ihrem Atem und daher etwas wacklig und unpräzise. Davon fehlt jede Spur dann am Ende der Aufnahme, wenn DiDonato mit fulminanten dynamischen Steigerungen in den Koloraturen im furiosen Finale der Oper in jeder Hinsicht brillieren kann: mit dramatischer Wucht besingt Joyce DiDonato die vendetta, kann sich im nächsten Moment wieder ganz auf ein sicher geführtes Pianissimo zurücknehmen.

Nach dem einleitenden Ausschnitt aus Armida folgen zwei Beispiele aus Joyce DiDonatos neuer Partie, La donna del lago also: die zweite Szene aus dem ersten Akt „Oh mattutini albori!“ sowie die Schlussszene des zweiten Akts „Tanti affetti in tal momento – Fra il padre, e fra l’amante.“ Die Sängerin hat sich in ihre neueste Rossini-Partie auf der Bühne offenbar schon bestens eingelebt. Wie sie im ersten Ausschnitt aus dem ersten Akt die Klangfarben ihrer Stimme mit denen des Orchesters in Einklang bringt, ist schlichtweg beglückend. In der Finalszene kann sie das noch einmal steigern, demonstriert hier ihre perfekt abgestimmten Pianoqualitäten nun ganz und gar.

Es folgt Maometto II: Del Terzettone: „Giusto ciel, in tal periglio“ Keine belcantistische Virtuosität der Koloraturen prägt diese Solonummer mit Damenchorbegleitung, sondern Intimität und Reduktion der Mittel, eine andere Klangfarbe, die indes nicht minder bezeichnend für Rossini ist. Joyce DiDonato kann hier ihre stilistische Bandbreite ebenso gekonnt einsetzen.

Die Cavatina der Elisabetta aus Elisabetta, regina d’Inghilterra „Quant’è grato all’alma mia“ ist demgegenüber wiederum ein beinahe konventionelles Bravourstück, ebenfalls mit Begleitung des Chores. Mit effektvoller Dramatik zeichnet Rossini hier den Charakter der englischen Regentin, und sicher wäre es nicht nur für Frau DiDonato eine reizvolle Aufgabe, diese sehr selten aufgeführte Oper einmal vollständig auf die Bühne zu bringen.

Aus Semiramide gibt es dann den Coro di Donne „Serena i vaghi rai“ und die Cavatina der Semiramide „Bel raggio lusinghier“, in deren halsbrecherischen Koloraturen sich Frau DiDonato bewundernswert souverän erweist.

Rossinis Otello-Vertonung ist mit fünf Ausschnitten – aus dem dritten Akt – der größte Raum der Einspielung gewidmet. Neben DiDonato tritt hier ihr famoser Tenorkollege Lawrence Brownlee mit der Canzone del Gondoliero „Nessun maggior dolore“, sowie die Sopranistin Roberta De Nicola als Emilia. Besondere Aufmerksamkeit verlangen die Interpretationen der Canzone del Salice „Assisa appiè d’un salice“ und die abschließende Preghiera „Deh calma, o ciel, nel sonno“. Sind dies ohnehin Kompositionen, in denen Rossini durch außergewöhnlich subtile Instrumentation Momente größter atmosphärischer Dichte und Intimität erzeugt, so erweist sich Joyce DiDonato hier einmal mehr als kongeniale Interpretin, versteht sie nämlich genau diesen Aspekten perfekt nachzuspüren und so durch ihre vokale Gestaltung noch zu steigern.

Neben ihren Sängerkollegen – vervollständigt durch die Tenöre Corrado Amici und Carlo Putelli in einigen der Ensembleszenen – sind es vor allem auch Dirigent Edoardo Müller sowie Orchestra e Coro dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom, die für die Qualität der Einspielung sorgen. Müller begleitet im besten Sinne des Wortes, lässt der Singstimme stets den Raum, den sie benötigt, zeigt dabei aber nicht weniger ausgeprägtes Gespür für die so spezifische Stilistik Rossinis.

Der nachhaltige Eindruck, den diese Einspielung hinterlässt, ist der, dass Joyce DiDonato im aktuellen internationalen Vergleich eine Rossini-Interpretin par excellence ist. Es bleibt vor allem ihr zu wünschen, dass Sängerinnen wie sie Intendanten einmal mehr dazu veranlassen, die Vielzahl allzu selten aufgeführter, aber sängerisch ungemein dankbarer Werke Rossinis auf die Spielpläne zu nehmen.

Christian Schütte

Wir danken dem Autor für die Überlassung dieser Besprechung, die im nächsten Mitteilungsblatt der Deutschen Rossini Gesellschaft erscheinen wird.