14. Januar 2010

Rossini-Interpretin par excellence: Joyce DiDonato "Colbran, the Muse"


Joyce DiDonato hat sich in den vergangenen Jahren zu einer der führenden amerikanischen Mezzosopranistinnen entwickelt und reüssiert gerade mit ihren Rossini-Partien immer wieder mit großem Erfolg auf dem internationalen Opernparkett. Für 2010 ist etwa ihr Rollendebut als Elena in La donna del lago in Genf und Paris geplant.

Ihre neueste CD ist Isabella Colbran gewidmet. Joyce DiDonato interpretiert Auszüge aus den Partien, die Rossini für seine geschätzte Sängerin und spätere Gattin komponierte, die Colbran war Uraufführungsinterpretin aller Partien. „Colbran, the Muse“ lautet der Untertitel, die Auswahl der Stücke stellt dabei keineswegs die virtuosen Partien für die Colbran ausschließlich in den Mittelpunkt, es gibt eine ganze Reihe von Ensembles, in denen Joyce DiDonato von Solistenkollegen und Chor unterstützt wird.

Den Rahmen bilden zwei Ausschnitte aus Armida, zu Beginn das Tema con Variazioni del Finale Secondo „D’Amor al dolce impero“, am Schluss das Finale Terzo „Se al mio crudel tormento – Dove son io! – È ver… gode quest’anima.“ In der Titelpartie der 1817 in Neapel uraufgeführten Armida lässt Joyce DiDonato im Finale des zweiten Aktes zwar bereits ihre beeindruckende stilistische Sicherheit erkennen, wirkt indes gerade in den ausgesprochenen Piano-Fiorituren phrasenweise noch nicht ganz auf ihrem Atem und daher etwas wacklig und unpräzise. Davon fehlt jede Spur dann am Ende der Aufnahme, wenn DiDonato mit fulminanten dynamischen Steigerungen in den Koloraturen im furiosen Finale der Oper in jeder Hinsicht brillieren kann: mit dramatischer Wucht besingt Joyce DiDonato die vendetta, kann sich im nächsten Moment wieder ganz auf ein sicher geführtes Pianissimo zurücknehmen.

Nach dem einleitenden Ausschnitt aus Armida folgen zwei Beispiele aus Joyce DiDonatos neuer Partie, La donna del lago also: die zweite Szene aus dem ersten Akt „Oh mattutini albori!“ sowie die Schlussszene des zweiten Akts „Tanti affetti in tal momento – Fra il padre, e fra l’amante.“ Die Sängerin hat sich in ihre neueste Rossini-Partie auf der Bühne offenbar schon bestens eingelebt. Wie sie im ersten Ausschnitt aus dem ersten Akt die Klangfarben ihrer Stimme mit denen des Orchesters in Einklang bringt, ist schlichtweg beglückend. In der Finalszene kann sie das noch einmal steigern, demonstriert hier ihre perfekt abgestimmten Pianoqualitäten nun ganz und gar.

Es folgt Maometto II: Del Terzettone: „Giusto ciel, in tal periglio“ Keine belcantistische Virtuosität der Koloraturen prägt diese Solonummer mit Damenchorbegleitung, sondern Intimität und Reduktion der Mittel, eine andere Klangfarbe, die indes nicht minder bezeichnend für Rossini ist. Joyce DiDonato kann hier ihre stilistische Bandbreite ebenso gekonnt einsetzen.

Die Cavatina der Elisabetta aus Elisabetta, regina d’Inghilterra „Quant’è grato all’alma mia“ ist demgegenüber wiederum ein beinahe konventionelles Bravourstück, ebenfalls mit Begleitung des Chores. Mit effektvoller Dramatik zeichnet Rossini hier den Charakter der englischen Regentin, und sicher wäre es nicht nur für Frau DiDonato eine reizvolle Aufgabe, diese sehr selten aufgeführte Oper einmal vollständig auf die Bühne zu bringen.

Aus Semiramide gibt es dann den Coro di Donne „Serena i vaghi rai“ und die Cavatina der Semiramide „Bel raggio lusinghier“, in deren halsbrecherischen Koloraturen sich Frau DiDonato bewundernswert souverän erweist.

Rossinis Otello-Vertonung ist mit fünf Ausschnitten – aus dem dritten Akt – der größte Raum der Einspielung gewidmet. Neben DiDonato tritt hier ihr famoser Tenorkollege Lawrence Brownlee mit der Canzone del Gondoliero „Nessun maggior dolore“, sowie die Sopranistin Roberta De Nicola als Emilia. Besondere Aufmerksamkeit verlangen die Interpretationen der Canzone del Salice „Assisa appiè d’un salice“ und die abschließende Preghiera „Deh calma, o ciel, nel sonno“. Sind dies ohnehin Kompositionen, in denen Rossini durch außergewöhnlich subtile Instrumentation Momente größter atmosphärischer Dichte und Intimität erzeugt, so erweist sich Joyce DiDonato hier einmal mehr als kongeniale Interpretin, versteht sie nämlich genau diesen Aspekten perfekt nachzuspüren und so durch ihre vokale Gestaltung noch zu steigern.

Neben ihren Sängerkollegen – vervollständigt durch die Tenöre Corrado Amici und Carlo Putelli in einigen der Ensembleszenen – sind es vor allem auch Dirigent Edoardo Müller sowie Orchestra e Coro dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom, die für die Qualität der Einspielung sorgen. Müller begleitet im besten Sinne des Wortes, lässt der Singstimme stets den Raum, den sie benötigt, zeigt dabei aber nicht weniger ausgeprägtes Gespür für die so spezifische Stilistik Rossinis.

Der nachhaltige Eindruck, den diese Einspielung hinterlässt, ist der, dass Joyce DiDonato im aktuellen internationalen Vergleich eine Rossini-Interpretin par excellence ist. Es bleibt vor allem ihr zu wünschen, dass Sängerinnen wie sie Intendanten einmal mehr dazu veranlassen, die Vielzahl allzu selten aufgeführter, aber sängerisch ungemein dankbarer Werke Rossinis auf die Spielpläne zu nehmen.

Christian Schütte

Wir danken dem Autor für die Überlassung dieser Besprechung, die im nächsten Mitteilungsblatt der Deutschen Rossini Gesellschaft erscheinen wird.

1 Kommentar:

  1. Ein "Bravo" dem Autor der Besprechung von Joyce DiDonatos "Colbran-Rossini-CD" , ein "Brava" vor allem aber der Protagonistin ! Wir hatten das Glück, die 40 Jahre junge attraktive Amerikanerin in einem "Recital" zu erleben und nach ihrem Konzert bei einer "signing session" kurz mit ihr zu sprechen. Dieser Liederabend am 30. Januar 2010 im Brüsseler Opernhaus "La Monnaie" bildete den Abschluss einer kurzen Tournee nach Spanien, London und Brüssel mit "Liebesliedern aus 3 Jahrhunderten" . Begleitet von David Zobel sang die Mezzosopranistin an diesem Abend 25 Lieder : darunter solche Trouvaillen wie Caccinis "Amarilli" und die bekannte "Serenata" von Toselli, aber auch unbekannte Kanzonen und Serenaden von unbekannten Komponisten wie z.B. Vincenzo DiChiara. Höhepunkt des ausgedruckten Programms war vor der Pause die "Canzone del salice" aus Rossinis "Otello" , die im fast ausverkauften Hause zu Begeisterungsausbrüchen führte. Diese verstärkten sich zu Ovationen und "Bravissima"-Rufen , als Joyce im Zugabenteil nach Cherubinos "Voi che sapete" (den sie im März in Chicago singen wird) als grandiosen Schlusspunkt Elenas Finalrondo "Tanti affetti in tal momento" aus "La Donna del lago" präsentierte : So großartig, dass man zum einen das Orchester kaum vermisste und zum anderen wünschte, bei ihrem Rollendebüt dieser Partie in Genf oder/und Paris dabei sein zu können. Denn "live" ist Joyce DiDonato fast noch besser als auf dieser hervorragenden CD !!

    Walter Wiertz

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