Kurz vor seinem 94. Geburtstag ist Giuseppe Taddei am 2. Juni 2010 verstorben. In den Zeitungen vielfach nur eine kleine Notiz, - wer ihn auf der Bühne hat erleben dürfen, weiß, dass ein ganz Großer seinen Lebensweg vollendet hat. Sechs Jahrzehnte lang hat er seinem Publikum unvergessliche Erinnerungen geschenkt, die Bühne ließ ihn nicht los, und so erklärte er sogar einmal den Rücktritt vom Rücktritt und war wieder da.
Zum Weinen schön - mit Maria Callas in Verdis „La Traviata“,
1951 in Mexico City:
1951 in Mexico City:
Sein Repertoire umfasste nicht nur alle großen Baritonpartien von Verdi und Puccini, sondern beispielsweise auch Partien wie Mozarts Figaro und Papageno, Rossinis Figaro und Don Magnifico und sogar Wagners Hans Sachs (in italienischer Sprache, 1962 RAI Torino).
Etwa 150 Partien sollen es gewesen sein, bis er 1995 nach einer großen Karriere an allen bedeutenden Opernhäusern der Welt seinen Abschied von der Bühne nahm. 2006 erschienen seine Erinnerungen unter dem Titel „Ich, Falstaff“. Mehr zu Giuseppe Taddeis Leben und Wirken bei Wikipedia und hier.
Mitreißend fröhlich - Dulcamara in Donizettis „L’elisir d’amore“:
Besonders verbunden war er der Wiener Staatsoper, wo ich ihn 1982 als Michele in Puccinis „Il tabarro“ erleben durfte. In den frühen 1980er Jahren war er aber glücklicherweise auch des Öfteren Gast auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper. Mit großer Bühnenpräsenz und differenzierter stimmlicher Gestaltung gab er jeder Rolle seinen persönlichen Stempel: Unvergesslich sein Porträt des fiesen Barons Scarpia, der Tosca das Leben zur Hölle macht, immer wieder ein Ereignis sein pfiffiger Dulcamara - hinreißend im Zusammenspiel mit Kathleen Battle - in Donizettis „L’elisir d’amore“ und grandios als Rossinis „Guglielmo Tell“.
Besonders denkwürdig wurde eine der (konzertanten) Tell-Aufführungen aber nicht nur wegen der herausragenden musikalischen Darbietungen, sondern auch wegen eines besonderen Vorfalls, und ich bin sicher, dass nur der beruhigende Einfluss Taddeis den vorzeitigen Abbruch der Vorstellung verhindert hat. Was war geschehen? Gleich im ersten Akt im Duett Tell – Arnold verpasste Franco Bonisolli einen Einsatz und verließ schnurstracks die Bühne, als der Dirigent trotz heftigen Winkens weiter spielen ließ. Taddei sang das Duett alleine weiter, der Dirigent nahm die Tenorpassagen extrem schnell und sang auch mal einige Takte, - und dann folgten Dirigent und Solisten eiligst dem verschwundenen Tenor. Ratlos zurück blieben Publikum, Orchester und Chor, - es war die Zeit der Intendanz „Dochnieda“ ( v. Dóhnanyi), und als nichts geschah, machte sich schließlich der Konzertmeister auf den Weg und verkündete nach einigen Minuten, dass jetzt erst mal Pause wäre. Die zog sich hin. Als dann alle wieder Platz genommen hatten (und erleichtert auf der Bühne Orchester und Chor sitzen sahen), verkündete ein junger Mann, dass Herr Bonisolli sich aufgrund des Temperaturunterschiedes zwischen Garderobe und Bühne indisponiert gefühlt habe, man möge ihn freundlich empfangen. Dann der wohl durchdachte Einzug der Solisten, allen voran Giuseppe Taddei – mit Bravorufen begrüßt - wie ein Schutzschild vor Bonisolli, dessen Erscheinen allerdings einen Buh-Orkan insbesondere von den oberen Rängen auslöste, was wiederum zu lautstarken Auseinandersetzungen und gegenseitigen Beschimpfungen innerhalb des Publikums führte. Giuseppe Taddei stand da wie der Fels in der Brandung, von allen Seiten besorgte Blicke auf Bonisolli, ob er die Nerven behält, - bis dann vom vierten Rang mit Donnerstimme der Ruf „Ruhe“ ertönte, die auch sofort eintrat. Es wurde dann eine der besten Tell-Aufführungen, das Duett wurde allerdings nicht wiederholt.
Giuseppe Taddei – ein großer Sänger und eine große Persönlichkeit – bleibt unvergessen.
There used to be a saying in Italy: “We gave the rest of the world Tito Gobbi, but we kept Giuseppe Taddei for ourselves.” s. Times 5.6.2010
Giuseppe Taddei 2006 bei der Vorstellung seines Buches