6. April 2010

Kommentar und weitere Aspekte zum Nürnberger Moïse

Reto Müller ein herzliches Dankeschön für seine ausführlichen Anmerkungen zum Nürnberger "Moïse". Die Präsentation dieser Oper war nicht so total abwegig, als dass sich ein solch ganz und gar negativer Grundsatz- "Verriss" darüber anböte, wie ihn beispielsweise Jacques Béranger über den Münchener Don Giovanni geschrieben hat (AnDante Kulturmagazin, 9. Ausgabe).

Erfreulich finde ich die Würdigung der gesanglichen Leistungen der Sänger von Moise und Pharao. In privatem Kreise oder der Presse wurden beide meist mit abwertenden Bemerkungen bedacht. Dass Intendant Peter Theiler den umfänglichen Kürzungen der Musik offensichtlich zugestimmt hat, wundert mich nicht. Der Staatsintendant stellt sich zwar gerne
seinem Publikum als bekennender Belcantofreund dar. Doch wer seine Guillaume-Tell-Aufführungen im Musiktheater Gelsenkirchen erlebt hat, dem dürfte die umfängliche Verwendung des Rotstiftes sehr bekannt vorkommen. Beim Tell versuchte Herr Theiler das noch mit der ungewöhnlich langen Spieldauer zu begründen, die man einem heutigen Publikum nicht mehr zumuten könne. Die im Vergleich zum Tell relativ kurze Spieldauer des Moise und die von Reto Müller zitierten Aufführungslängen von Zauberflöte und Tannhäuser lassen aber vermuten, dass man sich in Nürnberg mit den Darstellungsmitteln und der Sichtweise der Komponisten vor 1830 wohl überhaupt nicht näher beschäftigen möchte.

Schöne Musik zu spielen und akustisch Beeindruckendem nachzuspüren, reicht bei italienischen Opern völlig für ein Publikum, dem vordergründig meist lediglich Hörgenuss unterstellt wird. Bleibt zu hoffen, dass die Musikverantwortlichen die abwägenden und treffenden Ausführungen zu den Kürzungen und der Nummernproblematik auch zu lesen bekommen. Denn sonst bleibt sicher alles so, wie es ist...

Bei der Inszenierung möchte ich gern noch den räumlich-architektonischen Aspekt etwas stärker herausstellen. Die Bühne war als Einheitsraum mit variablem Hintergrund gestaltet. Der weiße Raum mit den Koffern an den Wänden und auf dem Boden vermittelte eindrucksvoll und grafisch von hoher Ästhetik die Grundsituation eines auf seine Abreise wartenden Volkes. Die Kofferschatten an den Wänden hielten auch im Schlussakt das Thema "Aufbruch", das dort durch andere Handlungen etwas zurückgedrängt wurde, ständig im Bewusstsein der Zuschauer.

Der Ortswechsel im Handlungsgeschehen steht einer Einheitsgestaltung grundsätzlich im Wege. Hier ersetzte im zweiten Akt eine geschickte Personenregie die räumliche Umgestaltung. Durch das Betonen der Privatheit im Auftreten des ägyptischen Herrscherpaares, verbunden mit einem Wechsel der Rückprospektoptik, wurde trotz des Einheitsbildes das Innere eines Palastes suggeriert. Dieser Teil der Inszenierung kann, für
sich betrachtet, durchaus auch ohne Historien- oder neuzeitlichen Bezug Gehalt und Aussage einer Handlung glaubhaft illustrieren.



Dieter Kalinka

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