23. April 2012

BELCANTISSIMO, ein neuer Opernblog.

Gern weise ich auf den neuen Opernblog "Belcantissimo" hin, in dem es hauptsächlich um Belcanto-Gesang, Belcanto-Opern und um Rossinis Meisterwerke geht.

Screenshot vom Blog Belcantissimo
Ich begrüße diese neue Webpräsentation, da mein eigener Belcantoblog "La mia musica fa furore!" aus persönlichen Gründen nicht mehr regelmäßig aktualisiert werden kann. Seine aus den Jahren 2007 bis Anfang 2012 stammenden Beiträge bleiben jedoch weiterhin für jedermann geöffnet.

20. März 2012

Giovanni Pacinis Oper "Maria Tudor" begeistert in Gießen

Quelle: Screenshot Internetseite des Stadtheaters Gießen

Ich war noch nicht da, aber alle Belcantoliebhaber überschlagen sich in ihrer Begeisterung für die Oper "Maria Tudor" von Giovanni Pacini, die am 17. März 2012 am Stadttheater Gießen Premiere hatte.

Hier eine Kritik im Online Musik Magazin mit der Überschrift "Schauerromantik im Belcanto" und dem Fazit:
"Diese Ausgrabung in Gießen sollte man sich wirklich nicht entgehen lassen, weil die musikalische Leistung ebenso überzeugt wie die szenische Umsetzung. (Weitere Termine: 29. März 2012, 8. und 28. April 2012 und 5. und 17. Mai 2012)"

Auch im folgenden Podcast von hr2 kann man sich auf die Oper einstimmen:
(Zum Start des Audios 8:25 min auf das Dreieck klicken)


Quelle: "Maria Tudor" in Gießen

Weitere Pressestimmen sind auf der Maria-Tudor-Seite des Stadttheaters Gießen zu finden, dort auch ein Info, Termine/Karten und eine Fotogalerie zum Stück

13. März 2012

Rossinis Otello aus Zürich auf medici.tv

Die gesamte Oper kann man sich immer noch kostenlos auf medici.tv anschauen.


Zum Start des Videos

bitte hier klicken

29. Februar 2012

Rossini Geburtstag

Am 29. Februar kann wieder Rossinis Geburtstag gefeiert werden!

Hier zwei Hinweise auf örtliche Geburtagsfeste in Bad Nenndorf und Bern.



Pesaro eröffnet die Veranstaltungsreihe schon am 27. Februar:

... am 29. Februar gibt es u.a. einen Vortrag "Rossini und Wagner":


... und weitere Veranstaltungen, auch im Verlauf des ganzen Jahres:
Für Details anklicken (pdf)

Auch bei den "Schaltjahr-Doodles" von Google ist Rossinis 55. Geburtstag angekommen, allerdings mit Frosch-Gequake (z. B. hier).

Weitere Hinweise sind willkommen!
Reto Müller

23. Februar 2012

Vorschau auf Rossinis "L'equivoco stravagante" in Lüttich


L'Equivoco Stravagante Extracts 18 fevrier 2012 von operaliege

Nähere Informationen zum Video-Broadcasting dieser Oper am 28. 2. 
hier im vorigen Beitrag vom 16. Februar 2012

16. Februar 2012

Rossinis "L'equivoco stravagante" am 28. 2. per Live Web aus Lüttich

Am 28. Februar 20 Uhr kann man per Live Web (Videostream) die Rossini-Oper "L'equivoco stravagante" der Oper Lüttich miterleben.

Nähere Hinweise zu diesem Video-Broadcasting auf der Video-Plattform Dailymotion findet man auf der FAQ-Seite von Live Web.  

Im unteren Video gibt Stefano Mazzonis di Pralafera Erläuterungen und eine Vorschau auf diese Produktion. Seine Einladung lautet: "Follow us!"


Répétition du 10/02/2012 de L'Equivoco... von operaliege

23. Januar 2012

Großer Beifall für die tragische Version des "Tancredi" in Berlin

Am 22. Januar 2012 war unter musikalischer Leitung von Maestro Alberto Zedda die tragische Variante der Rossini-Oper "Trancredi" in der Deutschen Oper Berlin zu hören. Diese als Ferrara-Version bekannte Variante endet nicht mit einem Happyend, sondern besonders ergreifend mit Tancredis Tod.

Das Bühnenbild, die Kostüme und die Inszenierung (Pier Luigi Pizzi) wurden vom Rossini Opera Festival aus dem Jahre 1999 übernommen. Im Jahre 2005 wurde diese Inszenierung im Teatro Communale, Florenz aufgenommen und ist als DVD erhältlich (seit Jan. 2012 z.B. bei Arthaus auch mit deutschen Untertiteln).

Mit den neuen Interpreten Alberto Zedda (Leitung), Alexey Dolgov (Argirio), Hadar Halévy (Tancredi), Krzysztof Szumanski (Orbazzano), Patrizia Ciofi (Amenaide), Clémentine Margaine (Isaura) und Hila Fahima (Roggiero) gelang eine beeindruckende Produktion, die vom Publikum im vollbesetztem Haus begeistert aufgenommen wurde.

Patrizia Ciofi als Amenaide und Alberto Zedda wurden vom Publikum besonders umjubelt, wie das Video vom Schlussapplaus zeigt.



Videofilm in Vollbilddarstellung: auf Symbol unten rechts klicken

Weitere Vorstellungen nur noch am 26. Januar, sowie am 1. und 4. Februar.

8. Dezember 2011

G. F. Händels Oper "Giulio Cesare" begeisterte in Braunschweig

Einen derartigen Beifallssturm nach Ende einer Oper habe ich im Braunschweiger Staatstheater noch nicht erlebt.  Das Publikum "tobte" begeistert, applaudierte stehend und wurde sogar mit einem Dacapo belohnt. Dabei handelte es sich um eine Barock-Oper, von der man diese Reaktion nicht erwartet hätte: Händels Oper "Giulio Cesare", die konzertant im Rahmen des Festivals Soli Deo Gloria aufgeführt wurde.

Lag es daran, dass die Braunschweiger Opernfreunde mit Barock-Opern in der Vergangenheit nicht gerade verwöhnt wurden, lag es an der besonders gelungenen und mit Spitzenkräften besetzten Aufführung oder daran, dass auch auswärtige Opernfans den Weg nach Braunschweig gefunden hatten? Sicherlich spielte alles eine Rolle.

Wir erinnern uns, dass in Braunschweig schon am 15. Mai 2009 die in Vergessenheit geratene Händel-Oper "Arianna in Creta" von einem hochkarätigen Solistenensemble (u.a. Kristina Hammerström, Miah Person, Sonia Prina)  ebenfalls konzertant dargeboten wurde und auch damals beim Publikum begeisterte Aufnahme fand. Für den Rezensenten war das "Händel vom Feinsten" (Mitteloge).

Beide Händel-Opern fanden als Gastspiele im Rahmen des Festivals Soli Deo Gloria statt, das jährlich unter der Verantwortung von Günter Graf von der Schulenburg im Braunschweiger Raum stattfindet (siehe auch Opernnetz).

Die Oper "Giulio Cesare" wurde am 27. November 2011 vom Ensemble Il Complesso Barocco unter Leitung von Alan Curtis aufgeführt. Im Repertoire dieser Barockspezialisten befinden sich derzeit die Händel-Opern Ariodante, Deidamia, Giulio Cesare; ihre Tournee führt sie durch ganz Europa (hier alle Termine und Orte). In Deutschland wird man diese Gruppe also nur in Braunschweig wiederhören können: "Deidamia" am 26. Jan. 2012 und "Ariodante" am 11. März 2012 u.a. mit Joyce DiDonato, die wir gerade in Mailand in der "La Donna del lago" bewundern durften.
Marie Nicole Lemieux als Cesare u. Karina Gauvin als Cleopatra Foto: Greiner-Napp (BZ) 

Im Vergleich zur "Arianna in Creta" war die konzertante Darbietung des “Giulio Cesare” wesentlich gelungener. Ein minimales, aber angenehmes Bühnenbild mit drei Säulen vor einem blauen Hintergrund, das davor agierende Orchester und die an den beiden Seiten platzierten und dort auf ihren Auftritt wartenden Solisten bestimmten den äußeren Rahmen. Das Verständnis für die Handlung wurde nicht nur durch eine gute Übertitelung, sondern vor allem durch die halbszenische Darbietung der Solisten sehr gefördert.

Besonders hervorzuheben ist Marie Nicole Lemieux (Alt) in der Rolle des Caesar. Ihren wunderbar dargebotenen Arien gibt sie starken gestischen Ausdruck. Manchmal zuckt der ganze Körper. Ein Rezensent schrieb treffend “Die Lemieux rockt den Caesar, dass es einen hinreißt”.

Aber auch die anderen Solisten waren herausragend, Karina Gauvin (Sopran) als Cleopatra mit beeindruckenden Koloraturarien, Filippo Mineccia (Countertenor) der Tolemeo, den fiesen Gegenspieler Caesars, auch gestisch sehr gut verkörperte, Romina Basso (Mezzosopran), die die Klage der Cornelia sehr überzeugend zum Ausdruck brachte und Emöke Barath (Sopran), die sich als Sesto, Sohn der Cornelia, für die Ermordung ihres Vaters rächen will. Dass gerade diese Rolle von einer Frau und dazu noch im Abendkleid gesungen wurde, war unerheblich, da der Gesang das Wesentliche überzeugend ausdrückte.

Das folgende Video von der Aufführung in Wien zeigt alle Solisten des Giulio Cesare, da die Besetzung in Wien und Braunschweig gleich war.


Das Orchester Il Complesso Barocco, das von seinem Leiter, dem berühmten Barockspezialisten Alan Curtis souverän geführt wurde, zeigte sein hohes Können. In diesem Video mit der Ouvertüre zu Ariodante werden Alan Curtis und das Orchester präsentiert.

Trotz aller Begeisterung über dieses Fest der schönen Stimmen wird man dem Rezensenten Andreas Berger wohl eher zustimmen müssen, wenn er schreibt: “Von einer Händel-Renaissance wird man aber erst sprechen können, wenn die Stadt- und Staatstheater selbst wieder Händel-Opern spielen, und zwar als inszeniertes Gesamtkunstwerk” (Kritik vom 29. November 2011 in der Braunschweiger Zeitung).
Opern- und Barockliebhaber sollten sich die noch kommenden Highlights in Braunschweig nicht entgehen lassen und sich akustisch und optisch schon auf die Opern Deidamia (26. 1. 2012) und Ariodante (11. 3. 2012) einstimmen.
Karten für die Opern sind telefonisch über Soli Deo Gloria (0531-16606) und online über CmTicket erhältlich. Ein vergünstigtes Abo für beide Opern ist nur telefonisch buchbar (01805 544888). Kontakt: karten@soli-deo-gloria.info 
Reiner Fricke

13. November 2011

Rossinis „La donna del lago” an der Mailänder Scala

„La donna on tour“ - und jedes Mal mit dabei sind DiDonato, Barcellona, Flórez, Orfila sowie der Dirigent Abbado. Lluís Pasquals Inszenierung ist für drei Städte konzipiert, nämlich letztes Jahr Paris, heuer Mailand und 2012 London.
Titelseite des Mailänder Programmheftes
„La donna del lago“ gilt als Rossinis romantischstes Werk. Als Erster wählte er einen Stoff nach Walter Scott, welcher der Romanliteratur durch eine gefühlvolle Schilderung von Ereignissen der mittelalterlichen Ritterzeit nachhaltig einen romantischen Touch gab. Scott regte so etliche Komponisten nach Rossini zur Vertonung derartiger Stoffe an.

Ort der Handlung ist ein idyllischer See in Schottland. Einige Clanführer wollen sich gegen den schottischen König erheben. Dieser bereist als Uberto inkognito das feindliche Gebiet. Am Ufer des Sees trifft er auf Elena und verliebt sich heftig in sie. Elena, die Frau vom See, ist die Tochter von Douglas, einem der Führer der Aufständischen. Sie soll vom Vater mit dem Heerführer Rodrigo als Preis für militärische Unterstützung vermählt werden. Elena jedoch fühlt sich ihrer Jugendliebe Malcolm verbunden. Daher hat Uberto bei ihr keine Chancen. Er hält sich zurück und überreicht seiner Liebe einen Ring, den sie im Falle der Not dem König von England übergeben soll. Hilfe sei ihr dann gewiss. Der Krieg bringt Rodrigo den Tod, Douglas und Malcolm die Gefangenschaft. Um Hilfe bittend überreicht Elena den Ring Uberto, der sich danach als König von Schottland zu erkennen gibt. Er lässt Douglas und Malcolm frei. Der Vermählung von Elena mit Malcolm steht nichts mehr im Wege.

So weit vordergründig die Geschichte, wäre da nicht der Skeptiker Rossini, der eine abweichende Deutung der Handlung nahelegt. Aufgezeigt wird dies durch die Szenengliederungen und die Musik im Duett Elenas mit Malcolm, in den Treffen mit Uberto und im Finale 2. Danach ist Elena längst nicht so unbeeindruckt von der Liebe des schottischen Königs geblieben, wie sie vorgibt. Vielmehr verhindern es die dramatischen äußeren Ereignisse, dass sich eine aufkeimende Zuneigung entwickeln kann.

Letztendlich unvermittelt vor die Notwendigkeit gestellt, Vater und Jugendfreund retten zu müssen, trifft Elena die „falsche“ Entscheidung, indem sie Ubertos Hand ausschlägt. Ihre Vermählung mit Malcolm dürfte ihr wohl nicht das erhoffte Glück bringen. Dies wird in Musik und Text deutlich: Auf Elenas „Glückseligkeit“ intoniert der Chor mehrfach „Widrigkeit“. In dieser Lesart wird auch klar, dass im Libretto die Überquerung des Sees mehr ein Sinnbild als ein Stimmungsbild sein soll. Das Rudern über den See symbolisiert die zeitliche Entwicklung eines jungen Mädchens zur Frau.
An solch eine abweichende Ausdeutung hat offensichtlich auch Lluís Pasqual mit seiner Inszenierung angeknüpft. Da finden sich keine romantischen Genrebilder mit schottischen Seen und Bergen, keine rudernde Frau oder malerische Kostümierungen von Druiden, Soldaten und Landvolk. Ein Halbrund korinthischer Säulen, mittig zu öffnen, bildet das räumliche Grundgerüst. Ein Öffnen des Halbrundes lässt mal in eine Gebirgslandschaft, mal in eine nicht definierte Ferne oder in palastartige Räumlichkeiten blicke. Der titelgebende See wird nur in der Eingangsszene durch eine Bildprojektion von bewegtem Wasser auf den Bühnenboden angedeutet. Die Hauptakteure und Soldaten tragen barockisierte Fantasiekleider ohne Unterscheidungsmerkmale, die Priester und die Palastentourage moderne Gesellschaftsgarderobe.
Aus dem Programmheft
Das Ganze wirkt anonym und neutral. Die symbolische Aussage der Szene ist wohl das zwanghafte Eingebundensein der Akteure in ihre jeweiligen Lebensumstände. Ist das Bühnenbild wenigstens noch hübsch anzusehen, so erschöpft sich die Personenregie in einer statischen Positionierung von Solisten und Chor. Eine psychologisch vertiefende Ausdeutung des Geschehens durch Bewegungsabläufe findet nicht statt.

Bei der großen Verschwörung im Finale des ersten Aktes senkt sich an Stelle des Kometen ein prächtiger Kristalllüster vom Bühnenhimmel herab. Macht und Reichtum werden als wahrer Grund der schottischen Kriegsabsichten demaskiert. Damit ist optisch auch das letzte Motiv für eine stimmungsvolle Ausdeutung des Stückes und der Ausgestaltung der Bühne eliminiert. Der Regisseur verdeutlicht so, dass eine romantisch gefühlte Lebenswelt nicht das zentrale Anliegen der Oper ist, sondern die Darstellung realer Probleme junger Menschen in den vorgegebenen Situationen.
Joyce DiDonato, Juan Diego Flỏrez (mit Interviews) und Daniella Barcellona
Offenbarte die Inszenierung keine Sternstunde, so kamen die Freunde des Gesanges jedoch voll und ganz auf ihre Kosten. Tenorrollen in Rossinis Opern zu besetzen, ist heikel. Seit fast 10 Jahren verkörpert
Juan Diego Flórez die Rolle des Uberto. In unnachahmlicher Inbrunst erklingt sein „O fiamma soave“. Seine Spitzentöne, die Oktavsprünge, die dynamischen Abstufungen und nicht zuletzt die Koloraturen und Läufe kommen so ziseliert perfekt, dass selbst Schwierigstes wie selbstverständlich und mühelos klingt. Bei ihm werden gesangliche Ausschmückungen zum Gestaltungsmerkmal.

Ein ebenso tolles Ereignis waren die Auftritte von Joyce DiDonato. Ihre technische Perfektion in Belcantorollen dieser Art ist unvergleichlich. Dazu hat ihr Gesang das richtige Maß an Gefühl und die erforderliche dezente erotische Ausstrahlung, um in den Duetten, besonders denen mit Uberto, die Spannungsbögen und Differenziertheiten der Situationen offenzulegen. Nachdenklich, ergreifend und tröstend verdeutlichte sie dies zu Eingang im langsamen Teil ihres Schlussrondos „Tanti affetti“. Ihre Gefühle pendeln zwischen dem Zwiespalt über die Freude der Errettung des Vaters und Malcolms sowie der Trauer, den König enttäuscht zu haben. Die wogenden Noten spickte die Amerikanerin mit Trillern, die diese Bezeichnung wirklich verdienten. Im Schlussteil des Rondos wurden die überlangen Läufe mit wunderbarer Tonschönheit und makellosem An- und Abschwellen der Tonlinie gesungen. Über die rhythmische Akzentuiertheit ihres Gesanges konnte man nur staunen.

Daniela Barcellona in der Loverrolle des Malcolms war die Dritte in der Runde der Perfektionisten. Ihre Triller, Läufe und Koloraturen liefen ab wie am Schnürchen. Dabei sind ihre präzise Akzentuierung und die bewunderungswürdige rhythmische Attacke hervorzuheben. Lediglich im verinnerlichten Beginn ihrer Arie „Ah! Si pera“ im zweiten Akt fehlte etwas die ruhige, aber auch druckvolle Stimmführung.

John Osborn war in seiner Rolle des Rodrigo wahrlich kein tenorales Leichtgewicht. In seiner großen Arie wartete er im ersten Akt mit einer gefühlvollen und lyrisch gehaltenen Eingangsphrase auf und attackierte in der Stretta mit gut gesetzten Spitzentönen. Der Unterschied zum Ausnahmetalent Flórez zeigte sich im Terzettteil des zweiten Aktes, wo Osborn als der vermeintliche Raufbold die sängerische Stringenz von Flórez nicht erreichte.

Simon Orfila, der Douglas und Einfädler all der Verwicklungen, bereitete mit seinem sonoren und volltönenden Bass großen Hörgenuss.

Leiter und Spiritus Rector der Aufführung war Roberto Abbado, ein erfahrener Rossinidirigent. Er leuchtete die Partitur betont lyrisch aus, vielleicht etwas zu einseitig. Davon profitierten zwar die verinnerlicht geprägten Passagen der Partitur, nicht jedoch die dramatischen Aktionen, die farblos blieben. Das Spannungsfeld der Oper liegt im Kontrast des inneren Erlebens der Protagonisten zu den äußeren Aktionen. Die Musik vermeidet hier in keiner Weise Konfrontationen. Davon war dann auch der gut singende Chor betroffen, der durch die Vorgaben von Dirigent und auch Regisseur seine dramatischen Momente des Finale 1 oder der Duellszene nicht recht ausspielen konnte.

Die musikalische Ausgestaltung und die Bühnenoptik hinterließen einen etwas zwiespältigen Eindruck. Nicht berauschend waren die Inszenierung und die in ihrer Komplexität nicht völlig ausgedeutete Partitur. Aber die Sängertrias ließ den Berichterstatter noch Tage nach der Aufführung von der Vielfalt des Ausdruckes und der klanglichen Schönheit des Gesanges träumen.

Dieter Kalinka (Besuchte Vorstellung am 2. November 2011)
Weitere Vorstellungen in der Mailänder Scala am 15. und 18.11.2011

11. Oktober 2011

MEYERBEER - RENAISSANCE !?

"Robert le diable" in Erfurt - "L’Africaine" in Würzburg
Meyerbeer Lives! prangt auf dem T-Shirt für Mitglieder des “Meyerbeer Fan Club“, dessen Website trotz vieler weiterhin verfügbarer Beiträge und Informationen leider nicht mehr aktiv ist. Und in der Tat: Wann hatte man schon Gelegenheit, innerhalb eines knappen halben Jahres drei seiner Grand Opéras in hiesigen Regionen zu erleben, noch dazu in bemerkenswerten Inszenierungen und musikalisch guten bis herausragenden Interpretationen?!
Warum Meyerbeer, der mit seinen spektakulären Musikdramen von Robert le diable bis L’Africaine Europas Musiktheater im zweiten Drittel des Ottocento dominierte, zwar nie vergessen, aber einfach nicht mehr gespielt worden ist, hat mehrere Gründe. Sie sind auch im Rahmen musikhistorischer Abhandlungen ausführlich dargelegt worden und müssen an dieser Stelle nicht wiederholt werden.
Nachdem La Monnaie in Brüssel, das frisch gekürte “Opernhaus des Jahres“, mit Les Huguenots, der “Operninszenierung des Jahres“(!), in diesem Sommer für Furore sorgte, eröffneten nun zwei Theater aus der sogenannten “Provinz“ ihre Spielzeit mit zweien seiner Meisterwerke: Erfurt mit Robert le diable und Würzburg mit L’Africaine. Es war ein glücklicher Zufall, dass wir beide an einem Wochenende sehen und hören konnten, und es ist sicher naheliegend, ja unvermeidlich, dass diese Konstellation (auch unbewusst ) zu Vergleichen herausforderte.


"Robert le diable" im Theater Erfurt
Bildschirmfoto vom Film, Quelle: Theater Erfurt
Der Videofilm ist auf Vimeo in bester Qualität zu sehen 

Jean-Louis Grinda, langjähriger Chef der Opéra Royal de Wallonie in Lüttich und seit 2007 Intendant der koproduzierenden Opéra de Monte Carlo, lässt Robert le diable in einem Hospital für Geisteskranke im 19. Jahrhundert spielen, das von Bertram geleitet wird. Dieses Konzept wurde zwar bis zum Schlussbild durchgehalten, hat sich mir aber nicht in allen Details und Konsequenzen erschlossen. Eine gute Lösung fand Grinda für das in den Handlungsverlauf stringent integrierte berühmte Nonnenballett, in dem drei Tänzerinnen aus ihren Katakombengräbern stiegen und Robert umgarnten. Ebenso sind das Bühnenbild von Hank Irwin Kittel (3. Akt !) und die Personenführung (auch der Chormitglieder!) Pluspunkte dieser Inszenierung, aber was dem Abend seine Geschlossenheit und bleibende Wirkung verlieh, war die musikalische Gestaltung, an der es kaum etwas auszusetzen gab. 
An erster Stelle möchte ich den amerikanischen Tenor Erik Fenton nennen, der trotz relativ kurzer Einarbeitungszeit die Titelfigur, einen typischen Meyerbeer-Helden, auch in den Extremhöhen bravourös sang und spielte. Ihm durchaus ebenbürtige Leistungen boten die beiden Sopranistinnen Claudia Sorokina als die umworbene Isabelle und Ilia Papandreou als Alice, die Verkörperung des Guten. Der armenische Bass Vazgen Ghazaryan brillierte stimmlich auch im tiefsten Register, blieb aber als  teuflischer Gegenpol mit väterlichen Gefühlen etwas blass und wirkte zu wenig dämonisch. Auch  Richard Carlucci glänzte mit schön timbriertem Tenor in der dankbaren Rolle des Raimbaut. 
Die Sänger und Sängerinnen des Opernchores , denen man ihre Freude über die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten anmerkte, überzeugten ebenso wie das Philharmonische Orchester Erfurt, mit dem Samuel Bächli einen Klangteppich ausbreitete, der Meyerbeers Herkunft aus dem Musikdrama des 18. Jahrhunderts verriet, gelegentlich aber etwas mehr Drive vertragen hätte. Dass es dieses frühe Meisterwerk (1831) nicht strichlos geben würde, hatten  Grinda (Interview im Opernglas) und der verantwortliche Dramaturg Berthold Warnecke schon im Vorhinein angekündigt, und ich denke, dass trotz der nicht gehörten Musik (so fehlte verständlicherweise die nachkomponierte “Mario-Arie“ des Titelhelden) die präsentierte Fassung schlüssig war und dem Handlungsablauf gerecht wurde. Und immerhin hörten wir wohl zum ersten Male das Finale II nach der neuen kritischen Ricordi-Ausgabe!


"L’Africaine" im Mainfranken-Theater Würzburg
Knapp vier Stunden dauerte tags darauf die vom Mainfranken-Theater in Würzburg erarbeitete Fassung der letzten und nicht ganz vollendeten Meyerbeer-Oper L’Africaine (1865), und es sei vorweg festgestellt: Es wurde hervorragend gesungen und musiziert! Enrico Calesso, neuer GMD in Würzburg, gestaltete fesselnd mit seinem Philharmonischen Orchester spannungsreiche Sequenzen, evozierte gefühlvoll Stimmungen und ließ die Stimmen wunderbar zur Entfaltung kommen (Arien der Sélika und der Inès). 
Quelle: Mainfranken Theater Würzburg 
Von dem nicht nur zahlenmäßig beeindruckenden Chor (Einstudierung Markus Popp) in den entsprechenden Szenen wirkungsvoll unterstützt, lieferten insbesondere Karen Leiber als betörende Titelheldin Sélika und als ihr bis in den Tod treu ergebener Sklave Nélusko Adam Kim grandiose Rollenporträts. Kaum weniger überzeugend Paul McNamara in der Rolle des Vasco de Gama, der in seinem Streben nach Ruhm und Unsterblichkeit alle privaten Bindungen hintanstellt (erneut ein typisch Meyerbeerscher “Held“! ) sowie Nathalie de Montmollin als bis zur Selbstaufgabe liebende Inès. Paolo Ruggiero in einer Doppelrolle als Don Diégo und als Oberpriester des Brahma sowie Johan F. Kirsten als unsympathischer Ratspräsident Don Pédro ergänzten ein wunderbar zusammengestelltes und lebendig agierendes Ensemble.
Regisseur Gregor Horres (in Zusammenarbeit mit Bühnenbildner Jan Bammes) wollte wohl einerseits eng am Libretto bleibend die drei Schauplätze der Oper - der portugiesische Hof, ein Schiff  kurz vor dem Kap der Guten Hoffnung und eine Insel im Indischen Ozean - auf die Bühne bringen, andererseits aber das auch dem Komponisten vertraute Thema “Kolonisation“ in ihrer modernen Version dem Publikum nahebringen. So besang Vasco in seinem Glanzstück zu Beginn des 4. Aktes die paradiesische Schönheit der neu entdeckten Gegend, die jedoch von einer Erdöl-Bohranlage beherrscht wird. 
Quelle: Mainfranken Theater Würzburg
In Erinnerung bleiben wird wohl eher die ungemein packende “Parlamentsdebatte“ mit Bischöfen und Großinquisitor im 1. Akt oder die auch von der Personenführung anrührende Finalszene unter den Zweigen des Manzanillobaumes.
Resümee: Es kann nicht hoch genug gelobt werden, dass zwei mittlere Opernhäuser wieder einmal Meyerbeer, diesen deutschen Komponisten, der nach Lern- und Wanderjahren in Italien in Frankreich seine musikalische Heimat fand, in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gehoben haben. Aufgrund der musikalischen Glanzpunkte sind beide Produktionen nicht nur Meyerbeer-Fans unbedingt zu empfehlen, gerade auch wegen der unterschiedlichen Regieansätze. 
Es bleibt zu hoffen, dass wir nicht bis zum Meyerbeer-Gedenkjahr 2014 warten müssen, um Robert le diable, Les Huguenots, Le prophète, Dinorah oder L’Africaine wieder einmal erleben zu können.
(Ein Videofilm zu Oper ist zurzeit auf der Startseite des Mainfrankentheaters abrufbar oder direkt auf Youtube im Kanal MFT Wuerzburg)

Walter Wiertz (Besuchte Aufführungen am 01.10 und 02.10.2011)

Im Theater Erfurt gibt es nur noch drei Aufführungstermine: 14.10.11/ 08.01.12/ 22.01.12.
Würzburg hingegen bietet “seinen“ Meyerbeer noch ein Dutzend Mal in diesem Jahr: 16./19./22./28.10. u. 04./06./22./26.11. sowie 04./07./11./16./22.12. 

9. Oktober 2011

Die "Petite Messe solennelle" szenisch in Berlin ab 16. Nov. 2011


Das Produktionsteam "Nico and the Navigators" weist auf eine szenische Produktion der "Petite Messe solennelle" hin:

"Der junge britische Dirigent Nicholas Jenkins, die Regisseurin Nicola Hümpel und der Bühnenbildner Oliver Proske haben gemeinsam mit ihrer Kompanie Nico and the Navigators eine inszenierte Fassung der "Petite Messe solennelle" erarbeitet, die mit Gesang, Tanz und Schauspiel in die Welt des religiösen Agnostikers führt."

Die Uraufführung dieses Werkes hat Anfang September im Theater Erfurt im Rahmen des Kunstfestes Weimar stattgefunden. Hierzu ein Video:



Die nächsten Aufführungen finden in Berlin am 16. November und 18. bis 20. November im Radialsystem V  statt. Weitere Aufführungsorte sind Dijon, Paris, Bregenz und Luxembourg (ausführliche Informationen zu diesem Projekt auf der Homepage von "Nico and the Navigators")