Pauline Viardot (1821 – 1910) war die Tochter des Tenors Manuel Garcia d. Ä., Uraufführungssänger von Rossinis Almaviva und Rossinis Otello, und die Schwester von Maria Malibran. Von 1838 bis 1863 feierte sie auf fast allen großen Bühnen Europas immense Erfolge, z. B. als Rossinis Cenerentola und Desdemona, als Fidès in Meyerbeers „Le Prophète“, als Gounods Sappho, als Verdis Lady Macbeth und Azucena, als Glucks Orpheus und Alkestis. Sie war mit vielen Größen des Musiklebens ihrer Zeit befreundet. Im Programmheft der HfMT, an der eine „DFG-Forschungsstelle Pauline Viardot“ sich mit Leben und Schaffen dieser vielseitigen Frau befasst, ist z. B. für 1860 eine Privataufführung des 2. Aktes von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ im Haus Viardot in Paris verzeichnet, bei der Wagner den Tristan und Pauline Viardot die Isolde sangen und Hector Berlioz als Gast anwesend war.
Der Regisseur der Hamburger Aufführung, Ralf Eger, von dem auch die deutsche Fassung stammt, mag sich offenbar gefragt haben, was heutzutage ein Aschenputtel sein könnte, - heraus gekommen ist eine Inszenierung im Stil einer TV-Castingshow, die gesprochenen Passagen wurden diesem Konzept angepasst, - ob das auch für die ebenfalls deutsch gesungenen Texte gilt, kann ich mangels ausreichender Textverständlichkeit nicht beurteilen. Es wurde ein buntes Treiben (neben neun Solisten gab es noch eine ganze Reihe Statisten auf der über dem abgedeckten Orchestergraben erweiterten Bühne), alles sehr lustig, die gute Fee war – wenn ich das richtig mitbekommen habe – die für das Casting verantwortliche chice Mitarbeiterin des Veranstalters. Und dass der „Sieg“ von einem zum verlorenen Schuh passenden Fuß abhing, wirkte in diesem Umfeld eher komisch. Aber es gab zum Glück auch einige wenige besinnliche Momente:
Die kurzen „Arien“ wurden ansprechend gesungen, musikalische Höhepunkte waren aber die Habanera aus Bizets „Carmen“ und insbesondere das von den beiden Stiefschwestern vorgetragene Katzenduett. Diese Einlagen - insgesamt drei - , die das Werk auf etwa 75 Minuten verlängerten, waren aber keine Eigenmächtigkeit des Regisseurs; auch von Pauline Viardot ist vorgesehen, dass die diversen Gäste des Balls Arien oder Lieder ihrer Wahl vortragen, bevor dann die schüchterne Cendrillon ein vergleichsweise schlichtes Stück von Viardot vorträgt. Die musikalische Leitung des kleinen Orchesters im Bühnenhintergrund – Klavier, Violine, Bratsche, Cello, Flöte und Klarinette – hatte Bettina Rohrbeck.
Musikalisch nicht ungemein bereichert, aber mit einem umfangreichen Programmheft mit vielen hochinteressanten Informationen zu Pauline Viardot und ihrer Zeit nebst Kopie eines Beitrags aus dem Opernwelt-Jahrbuch 2010 in der Tasche verließ ich die Premiere am 16. Dezember 2010.
Bei OperaRara ist 2000/01 eine Gesamtaufnahme der „Cendrillon“ von Pauline Viardot erschienen (ORR 212 – 1 CD). Belcantofreunde möchte ich auf eine weitere Vertonung des Aschenputtel-Stoffes aufmerksam machen: die 1810 in Paris uraufgeführte Opéra Série „Cendrillon“ von Nicolo Isouard (c.1775 – 1818); der Livemitschnitt aus einem Moskauer Theater unter Richard Bonynge vom 15. Dezember 1998 ist bei dem Label Olympia auf CD veröffentlicht worden (OCD 661 – 2 CDs), zur Zeit aber wohl nur antiquarisch – z. B. bei amazon - erhältlich.
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Nicht nur die mit dem Hamburger Musikleben und der Hamburgischen Staatsoper verbundenen Musikfreunde, sondern überhaupt alle Belcantoliebhaber werden sehr gerne die aktuellen Berichte und Rezensionen unserer Hamburger Musikfreundin esg gelesen und dabei ihr Wissen auch über Hintergründe und historische Einordnung der Aufführungen vertieft haben. Besonders aufschlussreich sind die geradezu abenteuerlichen Hinweise zu den Stars des 19. Jahrhunderts, allen voran zu Pauline Viardot-Garcia und ihrem Kreis.
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