Ergänzt am 30. Dezember!
Foto: rm
Rossini-Konzert im Straßenbahnmuseum
Thielenbruch (1.6.2007)
Rossini-Projekt des WDR
Nicht erst Arthur Honegger beschrieb mit "Pacific 231" (1923) musikalisch eine Eisenbahnfahrt, sondern auch schon Gioachino Rossini in seinem Klavierstück Un petit train de plaisir comico-imitatif, enthalten im Band 7 der Péchés de vieillesse (Sünden des Alters). Die ab 1857 entstandenen Péchés de vieillesse sind eine Sammlung von mehr als 160 Kompositionen (Klavierstücke, Lieder, Chorwerke und Kammermusik), - darunter zahlreiche Parodien, die alles Mögliche und Unmögliche in Musik setzen: von kulinarischen Köstlichkeiten(z. B. vertonte Vorspeisen) über Hygieneverrichtungen und gymnastische Übungen, über den hinkenden Walzer und den Walzer des Rhizinusöls zum herrlich lautmalerischen Chanson du Bébé. Un petit train de plaisir schildert mit viel Lautmalerei und schwarzem Humor ein Eisenbahnunglück, - der Vergnügungszug entgleist, und es gibt sogar Tote, von denen einer in die Hölle (absteigendes Arpeggio), ein anderer ins Paradies (aufsteigendes Arpeggio) kommt. Nach einem ernsten Trauergesang steht am Ende ein fröhlicher Walzer zum angeblich heftigen Schmerz der Erben. Rossini selbst hat die Zwischentexte, die im folgenden Beitrag als Kapitelüberschriften dienen, in die Noten eingefügt. Der im Text erwähnte Ferdinand Hiller war ein deutscher Komponist, Dirigent und Musikschriftsteller. Seine „Plaudereien mit Rossini“ sind als Band 1 der Schriftenreihe der Deutschen Rossini Gesellschaft erschienen.
esg
Rossini und die Eisenbahn
En avant la machine (Vorwärts marsch)
Für Rossini war die Eisenbahn der Inbegriff der modernen Zeit, deren Ideale ausschließlich auf Dampf, auf Raub und auf Barrikaden ausgerichtet waren. Doch dem war nicht von Anfang an so. Seine erste (und einzige nachgewiesene) Bahnfahrt unternahm er 1836 auf der neuen Linie zwischen Antwerpen und Brüssel in Begleitung der Bankiersfamilie Rothschild, die zu den frühesten Financiers der Eisenbahnen in Frankreich gehörte. Im Gegensatz zur Legende, wonach er durch die Schrecknisse der Fahrt mehrere Tage an nervöser Erschöpfung gelitten haben soll, zeigte er sich seiner Freundin und späteren zweiten Frau Olympe Pélissier gegenüber in einem Brief beeindruckt über die kurze benötigte Reisezeit und fügte an, keinen Augenblick lang Angst verspürt zu haben!
Terrible Deraillement (Schreckliche Entgleisung)
Die späteren Dokumente belegen aber eindeutig seine Abneigung gegen die Eisenbahn. Wir wissen nicht, ob ein besonderes Ereignis oder sein desolater psychischer Zustand der 1840er- und 1850er-Jahren dazu führten. Möglicherweise hatte das schwere Eisenbahnunglück von 1842 bei Meudon (Versailles), dessen Bilder durch die Presse gingen und sogar in Öl gemalt wurden, seine Wirkung auf ihn nicht verfehlt: Allein der fiktive Gedanke, selbst in diesem Zug mitgefahren zu sein, hätte den hypersensiblen und ängstlichen Kranken schockiert.
Als Rossini 1855 nach Frankreich aufbrach, nahm er sich vier Wochen Zeit und einen eigenen Wagen und Postpferde, um von Florenz nach Paris zu reisen. Spöttisch vermerkte die von Robert Schumann geleitete «Neue Zeitschrift für Musik»: „Eigensinnig, wie Rossini immer gewesen, habe er erklärt, weder zu Schiff, noch mit der Eisenbahn zu reisen, sondern sich nur einem ‘Hauderer’ [Lohnfahrer] anzuvertrauen!“ Rossinis Abneigung gegen den Zug wurde dermaßen sprichwörtlich, dass er selbst sich seinem Freund Hiller gegenüber empörte: „Diese Journalisten! Da hat einer drucken lassen, als ich kürzlich von Paris abreiste, mir sei die Eisenbahn fast ebenso zuwider als die deutsche Musik! Was meinen Sie dazu?“ „Dass Sie viel auf der Eisenbahn reisen würden, wenn es wahr wäre, lieber Maestro“, erwiderte Hiller. Demselben Hiller schrieb Olympe bezüglich der Durchreise über Frankfurt folgenden Satz, der Rossinis (und ihre eigene?) Angst vor der Bahn verdeutlicht: „Man sagt, dass es von Köln nach Frankfurt nur wenige Stunden sind; Sie, der Sie die Eisenbahn nicht fürchten, könnten Sie nicht herkommen, um Ihren Rossini zu umarmen?“.
Dem Fotografen Nadar in Paris erteilte der Komponist die schriftliche Erlaubnis, sein Konterfei für Karikaturen zu Pferd, im Wagen, sitzend, stehend usw. zu verwenden, „aber ich schließe die Eisenbahn und den Luftballon ausdrücklich aus, da man mich darin nicht erkennen würde.“
Seinem Lieferanten von Gorgonzola-Käse, dem Marchese Antonio Busca in Mailand, schrieb Rossini aus Paris: „Wenn der Fortschritt der Beleuchtung (aus Öl) nicht die Pferde und die Kutscher überflüssig gemacht hätte, ich würde per Post zu Ihnen fahren und Ihnen persönlich danken.“ „Ach verfluchte Eisenbahnen! Ihr verhindert es, mich nach meinem Herzenswunsch nach Mailand zu begeben, um die Hände und Füße meines geliebten Marchese Busca zu küssen!“
Douce mélodie (Sanfte Melodie)
Wenn verbal und praktisch die Ablehnung der Eisenbahn offensichtlich ist, so war sein Verhältnis in finanzieller Hinsicht ein ganz anderes. Der Geschäftsmann Rossini scheute sich nicht, die von ihm verhasste technische Erfindung zu fördern, wenn sie Gewinn abwarf. Sein beträchtliches Vermögen legte er teilweise in Obligationen der Chemins de fer d’Orléans sowie der Chemins de fer Paris-Lyon-Méditerranée an. Das mochte freilich auch damit zusammenhängen, dass zahlreiche seiner einflussreichen Freunde aus Adels- und Finanzkreisen, in Italien wie in Frankreich, zu den Promotoren, Förderern und Geldgebern der gesellschaftlich und ökonomisch so folgeträchtigen Erfindung gehörten. Dem Advokaten Leopoldo Pini in Florenz vermittelte er als Dank für seine Treuhandtätigkeit den Sekretärenposten bei der Toskanischen Eisenbahn. Im Gegensatz zu seiner eigenen Person vertraute er die wertvollen Umzugsgüter, die er nach Paris kommen ließ, dem Dampfschiff und der Eisenbahn an - freilich nicht ohne vorher eine Versicherung abgeschlossen zu haben.
Sifflet satanique (Teuflisches Pfeifen)
Als sich Rossini ein Grundstück für den Bau einer Villa in Passy aussuchte, fiel die Wahl auf ein Terrain in der Form eines Flügels; er nahm dabei sogar die angrenzende Eisenbahnlinie Paris-Auteuil in Kauf, deren gebogene Linienführung überhaupt erst zur Form des Tasteninstruments führte. Als ihn 1867 Max Maria von Weber, der Sohn des berühmten Komponisten des Freischütz, dort besuchte, kam das Thema fast zwangsläufig auf die Eisenbahn. Weber berichtete: „Mehrmals unterbrach der grelle Pfiff der Lokomotive, der von der nahen Station Passy herüberschallte, schneidend unser Gespräch, so daß ich zuletzt ausrief: ‘Wie peinlich muß dieser modernste aller Mißtöne Ihr musikalisches Ohr berühren.’ ‘Oh, glauben Sie das nicht’, erwiderte er mit leisem Kopfschütteln, indem ein bis dahin noch nie von mir gesehenes, wehmütiges Lächeln über seine Züge glitt; ‘dieses Pfeifen erinnert mich stets an meine goldenste Jugendzeit. Mein Gott, was habe ich in meinen ersten Opern, in der Cenerentola und Torwaldo und Dorliska pfeifen hören.’“ Vielleicht hätte Rossini bei dieser Gelegenheit gerne auf die Eisenbahn losgewettert, aber er hatte es bei seinem Gast mit einem weltweit anerkannten Spezialisten für Eisenbahnwesen zu tun!
On ne m’y attrapera pas (Darauf fall' ich nicht herein)
So blieb denn Rossinis Verhältnis zur Eisenbahn zwiespältig und ebenso janusköpfig wie sein komisch-imitierender Vergnügungszug in der musikalischen Fassung: Tout cela est plus que naïf, mais c’est vrai! (Das ist alles mehr als naiv, aber es ist wahr!).
Reto Müller
Geschäftsführender Vorsitzender
Deutsche Rossini Gesellschaft
Überarbeitete Fassung des im Programmheft Auf den Schienen der Poesie, Literarisch-musikalische Soirée. Melodien und Texte zur Eisenbahn (Bad Wildbad, Rossini in Wildbad, 1993) erschienenen Artikels. Ich danke für die freundliche Genehmigung des Verfassers zur Veröffentlichung in unserem Belcantoblog.
Ergänzung!
Hartmut hat auf folgende Verhaltensregeln für Bahnbenutzer hingewiesen, die der im Artikel genannte Max Maria von Weber, Eisenbahningenieur und sächsischer Eisenbahndirektor, 1854 verfasst hat:
„Ein sehr guter allgemeiner Grundsatz ist, seinen Sitzplatz inne zu behalten, um ihn nicht eher zu verlassen, bis man am Orte seiner Bestimmung angelangt ist. Wenigstens steige man so selten wie möglich aus.
Man wähle sich seinen Platz wo möglich in einem Wagen in oder doch wenigstens so nahe als möglich an der Mitte des Zuges.
Im Wagen sitzend hüte man sich, die Beine unter den gegenüberliegenden Sitz zu stecken oder sonst ein Glied des Körpers an seiner Beweglichkeit zu hindern. Erläuterung: Bei jedem raschen Geschwindigkeitswechsel kann es geschehen, dass der Körper nach vorn oder rückwärts im Wagen geworfen wird. Dies wird meist harmlos vorübergehen, wenn er sich frei vom Platze bewegen kann, während im Gegenteile Knochenbrüche oder Quetschungen die Folge sind.
Während der Fahrt halte man keine Stöcke oder Schirme vor sich im Wagen, noch weniger bringe man sie an den Mund oder stütze den Kopf darauf. Erläuterung: In Folge rascher Verminderung der Geschwindigkeit ist ebenfalls schon oft Einstoßen von Zähnen, Gaumen etc. herbeigeführt worden. Ebenso ist es nicht rätlich, auf der Reise aus Pfeifen zu rauchen, die ähnliche Vorfälle herbeiführen können.
Man meide das Fahren in Coupés mit bloß einer Reihe von Sitzen, die den Reisenden gegenüber Glasfenster haben, damit der Reisende nicht an die Scheiben geworfen werde.“
Quelle: Texte und Bilder zur Eisenbahn
Dieses Buch von Max Maria von Weber ist bei Google
komplett digitalisiert: Die Schule des Eisenbahnwesens (1862)
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern des Belcantoblogs einen guten Start ins neue Jahr!
29. Dezember 2008
23. Dezember 2008
21. Dezember 2008
London: "Les Contes d'Hoffmann"
Foto: Intermezzo
Dieter berichtet aus London:
JACQUES OFFENBACH:
„Les Contes d`Hoffmann“
Herrliche Repertoire-Aufführung des ROH Covent Garden, London
John Schlesingers berühmte, auch auf DVD festgehaltene Produktion von 1980, die sowohl den 100. Todestag des Komponisten als auch das 100. Jahr der Uraufführung des Werkes zelebrierte, ist nach der sechsten Wiederaufnahme (1982, 1986, 1991, 1992, 2000 und 2004) immer noch von unvergleichlicher Faszination. Die verschwenderische, dem wundervollen Werk angemessene Ausstattung wirkt auch nach fast drei Jahrzehnten kein bisschen verstaubt.
Hinzu kommt eine musikalische Fassung, die alle Opernfreunde kennen und lieben. Ohne pseudo-intellektuellen Schnick-Schnack wie Oeser-Fassung, später entdeckte angebliche Original-Partituren oder die Eliminierung der vertonten Guiraud-Rezitative. Dappertuttos Diamanten-Arie und das wunderbare Sextett „Hélas! mon coeur s`égare encore!“ sind an ihrem Platz und der Giulietta-Akt kommt vor dem Antonia-Akt.
Das Orchester des ROH unter Antonio Pappano musizierte in schwelgerischer Schönheit. Vokal blieben keine Wünsche offen. Vassiliki Karayanni ist eine grandios-virtuose Olympia, komplett mit Variationen in der zweiten Strophe ihrer Arie. Das Video bei YouTube vermittelt einen Eindruck von ihrer Interpretation vor vier Jahren. Inzwischen hat sie die Partie präziser und mit gesteigerter Virtuosität im Griff. Christine Rice gibt eine äußerlich und stimmlich verführerische Giulietta. Katie Van Kooten ist als todgeweihte Primadonna eine Wucht im finalen Terzett des Antonia-Aktes. Schönstimmig und sympathisch die Muse/Nicklausse von Kristine Jepson. Die „Bösewicht“-Rollen verkörpert Gidon Saks mit dem passenden Stimm-Timbre. Alle Comprimarii-Partien sind adäquat besetzt.
Und der Titelheld? Rolando Villazón war für mich die größte Überraschung. Sein Pop-Star-Status und seine übertriebenen Grimassen waren mir immer unsympathisch. Jedoch sang und spielte er in dieser Produktion einen fantastischen Hoffmann, der seinesgleichen sucht. Lediglich beim Schluss-Applaus kam das zappelige Rumpelstilzchen wieder durch – aber da war die Oper ja zum Glück schon vorbei.
Besuchte Vorstellung: 07.12.08 – Matinee
Dieter (Frankfurt a. M.)
Hinweise von esg:
Zwischen Deutsche Rossini Gesellschaft und Jacques Offenbach Gesellschaft ( s. auch Offenbach Festival Bad Ems) besteht gegenseitige Vereinsmitgliedschaft.
Literatur:
Hans Rudolf Huber: Rossini zitiert Offenbach in „La Gazzetta“ 1999
Ralf-Olivier Schwarz: Offenbach zitiert Rossini in „La Gazzetta“ 2007
Dieter berichtet aus London:
JACQUES OFFENBACH:
„Les Contes d`Hoffmann“
Herrliche Repertoire-Aufführung des ROH Covent Garden, London
John Schlesingers berühmte, auch auf DVD festgehaltene Produktion von 1980, die sowohl den 100. Todestag des Komponisten als auch das 100. Jahr der Uraufführung des Werkes zelebrierte, ist nach der sechsten Wiederaufnahme (1982, 1986, 1991, 1992, 2000 und 2004) immer noch von unvergleichlicher Faszination. Die verschwenderische, dem wundervollen Werk angemessene Ausstattung wirkt auch nach fast drei Jahrzehnten kein bisschen verstaubt.
Hinzu kommt eine musikalische Fassung, die alle Opernfreunde kennen und lieben. Ohne pseudo-intellektuellen Schnick-Schnack wie Oeser-Fassung, später entdeckte angebliche Original-Partituren oder die Eliminierung der vertonten Guiraud-Rezitative. Dappertuttos Diamanten-Arie und das wunderbare Sextett „Hélas! mon coeur s`égare encore!“ sind an ihrem Platz und der Giulietta-Akt kommt vor dem Antonia-Akt.
Das Orchester des ROH unter Antonio Pappano musizierte in schwelgerischer Schönheit. Vokal blieben keine Wünsche offen. Vassiliki Karayanni ist eine grandios-virtuose Olympia, komplett mit Variationen in der zweiten Strophe ihrer Arie. Das Video bei YouTube vermittelt einen Eindruck von ihrer Interpretation vor vier Jahren. Inzwischen hat sie die Partie präziser und mit gesteigerter Virtuosität im Griff. Christine Rice gibt eine äußerlich und stimmlich verführerische Giulietta. Katie Van Kooten ist als todgeweihte Primadonna eine Wucht im finalen Terzett des Antonia-Aktes. Schönstimmig und sympathisch die Muse/Nicklausse von Kristine Jepson. Die „Bösewicht“-Rollen verkörpert Gidon Saks mit dem passenden Stimm-Timbre. Alle Comprimarii-Partien sind adäquat besetzt.
Und der Titelheld? Rolando Villazón war für mich die größte Überraschung. Sein Pop-Star-Status und seine übertriebenen Grimassen waren mir immer unsympathisch. Jedoch sang und spielte er in dieser Produktion einen fantastischen Hoffmann, der seinesgleichen sucht. Lediglich beim Schluss-Applaus kam das zappelige Rumpelstilzchen wieder durch – aber da war die Oper ja zum Glück schon vorbei.
Besuchte Vorstellung: 07.12.08 – Matinee
Dieter (Frankfurt a. M.)
Hinweise von esg:
Zwischen Deutsche Rossini Gesellschaft und Jacques Offenbach Gesellschaft ( s. auch Offenbach Festival Bad Ems) besteht gegenseitige Vereinsmitgliedschaft.
Literatur:
Hans Rudolf Huber: Rossini zitiert Offenbach in „La Gazzetta“ 1999
Ralf-Olivier Schwarz: Offenbach zitiert Rossini in „La Gazzetta“ 2007
13. Dezember 2008
Donizettis "Parisina" in London
Abb.: Il sogno di Parisina
(Andrea Gastaldi, 1867)
(Andrea Gastaldi, 1867)
- zum Vergrößern Bild anklicken -
Dieter berichtet aus London:
Donizettis Parisina
Glanzlose Wiederbelebung 06.12.08 in London
(Southbank Centre´s Royal Festival Hall)
Besetzung
Azzo, Herzog von Ferrara………………………………..Dario Solari
Parisina, seine Gattin………………………………………Carmen Giannattasio
Ugo,später als ein
Sohn von Azzo identifiziert………………………………José Bros
Ernesto, Azzos Minister…………………………………..Nicola Ulivieri
Imelda, Parisinas Hofdame……………………………..Ann Taylor
Chor……………………………………………………………..Geoffrey Mitchell Choir
LONDON PHILHARMONIC ORCHESTRA
DAVID PARRY
Felice Romanis Libretto basiert (leicht abgewandelt) auf Lord Byrons Poem „Parisina“: Die Gattin Azzos, Parisina, liebt Ugo und verrät sich im Schlaf, was von Azzo belauscht wird. Er schwört Rache und beharrt auf seinem Todesurteil auch, als sich herausstellt, dass Ugo sein Sohn aus erster Ehe ist. Als er Parisina den enthaupteten Kadaver Ugos zeigt, bricht diese tot zusammen – natürlich erst nach einer Cabaletta.
Zum Glück wurde die Oper konzertant dargeboten. Nicht auszudenken, was ein Euro-trash-Regisseur mit Realschulabschluss und Aktualisierungswahn daraus gemacht hätte. Die Oper läuft manchmal auch unter dem Titel „Parisina d´Este“, um sie von der erfolglosen „Parisina“ Mascagnis zu unterscheiden.
Das Programmheft ließ sich bedauernd über die Vernachlässigung des Werkes aus und begründete diese damit, dass es – bis dato – keine Nachfolgerin von Donizetti-Spezialistinnen wie Maria Callas und Joan Sutherland gäbe.
Von der Prima Donna der Aufführung, Carmen Giannattasio, wurde eine staunenswerte Rollenbiographie angeführt: das dramatische Verdi-Fach (Desdemona, Amelia/Boccanegra, Leonore/Trovatore) sowie Rossinis „Ermione“ und unter anderem auch „Carmen“. Man durfte also auf einen großen Stimmumfang plus Belcanto-Technik einer Giannina Arrangi-Lombardi, Maria Vitale, Leyla Gencer… gespannt sein.
Die Wirklichkeit war dann ernüchternd. Zuerst ließ sie sich als unter „fatigue“ leidend ansagen. Diese Methode, sich „carte blanche“ für das Wohlwollen des Publikums zu verschaffen, finde ich unsäglich. Zu hören war dann eine weder schöne noch interessante Stimme und schon gar nichts von Belcantogesang wie Trillern, Ornamenten, Pianissimo, messa di voce oder brillanten Spitzentönen. Von Bühnenpräsenz keine Spur, sie sang die Partie nicht frei, sondern klammerte sich ständig mit Augen und Händen (zum Umblättern) an die Partitur. Ihrer Leistung „ebenbürtig“ war der junge Bariton Dario Solari mit stumpfer uninteressanter Stimme. Schade, die Baritonpartie ist in dieser Oper bedeutend.
Die mit Abstand beste stilistische Leistung erbrachte José Bros. Wie ich der Literatur entnahm, schrieb Donizetti dem Tenor etliche hohe C und D in die Partie – davon ließ er leider kein einziges vernehmen. David Parry dirigierte Orchester und Chor mit zackig-rhythmischem Gestus, und so klangen sie auch über weite Strecken.
Ich möchte die Aufführung nicht als grottenschlecht bezeichnen. Immerhin wirkte ein als „Startenor“ anerkannter Künstler mit, und die London Philharmonic gelten als Spitzenorchester. Eben nur sehr mäßig/durchschnittlich und meiner Meinung nach nicht geeignet, der Oper zu einem neuen „Durchbruch“ zu verhelfen.
Anlass des Konzertes war die vorher erfolgte Studio-Einspielung des Werkes durch OperaRara mit identischer Besetzung. Möglich, dass die CD besser klingt, man kann ja heute mit technischen Mitteln sehr viel „mogeln“. Trotzdem halte ich diese CD nicht für habenswert, auch angesichts der Hochpreispolitik von OperaRara.
Ich habe zwei Live-Mitschnitte, auf denen die Protagonistin mit zwei exquisiten Sopranistinnen - Montserrat Caballé und Mariella Devia - besetzt ist. Schon deswegen vorzuziehen, außerdem ist Zancanaro der Partner von Devia.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts gab es kaum mehr als eine Handvoll von Aufführungen der Parisina. Laut CLOR discography und anderen Quellen sind folgende Live-Mitschnitte dokumentiert:
1964/Siena: Bruno Rigacci – Marcella Pobbe/Renato Cioni/Giulio Fioraventi
1974/N.Y.: Eve Queler - Caballé/Jérome Pruett/Quilico (nur Caballé ist gut)
1990/Florenz: Bartoletti – Devia/Gonzales/Zancanaro (Tenor furchtbar!)
1997/Lugo: Carignani – Sonia Dorigo/Amadeo Moretti/C.C. Caruso
1997/Lugano: E.Plasson - Pendatchanska/Amadeo Moretti/de Andrès
Auf den mir vorliegenden Mitschnitten ist die Ouverture verkürzt; OperaRara bringt sie vollständig.
Dieter (Frankfurt a. M.)
Dieter berichtet aus London:
Donizettis Parisina
Glanzlose Wiederbelebung 06.12.08 in London
(Southbank Centre´s Royal Festival Hall)
Besetzung
Azzo, Herzog von Ferrara………………………………..Dario Solari
Parisina, seine Gattin………………………………………Carmen Giannattasio
Ugo,später als ein
Sohn von Azzo identifiziert………………………………José Bros
Ernesto, Azzos Minister…………………………………..Nicola Ulivieri
Imelda, Parisinas Hofdame……………………………..Ann Taylor
Chor……………………………………………………………..Geoffrey Mitchell Choir
LONDON PHILHARMONIC ORCHESTRA
DAVID PARRY
Felice Romanis Libretto basiert (leicht abgewandelt) auf Lord Byrons Poem „Parisina“: Die Gattin Azzos, Parisina, liebt Ugo und verrät sich im Schlaf, was von Azzo belauscht wird. Er schwört Rache und beharrt auf seinem Todesurteil auch, als sich herausstellt, dass Ugo sein Sohn aus erster Ehe ist. Als er Parisina den enthaupteten Kadaver Ugos zeigt, bricht diese tot zusammen – natürlich erst nach einer Cabaletta.
Zum Glück wurde die Oper konzertant dargeboten. Nicht auszudenken, was ein Euro-trash-Regisseur mit Realschulabschluss und Aktualisierungswahn daraus gemacht hätte. Die Oper läuft manchmal auch unter dem Titel „Parisina d´Este“, um sie von der erfolglosen „Parisina“ Mascagnis zu unterscheiden.
Das Programmheft ließ sich bedauernd über die Vernachlässigung des Werkes aus und begründete diese damit, dass es – bis dato – keine Nachfolgerin von Donizetti-Spezialistinnen wie Maria Callas und Joan Sutherland gäbe.
Von der Prima Donna der Aufführung, Carmen Giannattasio, wurde eine staunenswerte Rollenbiographie angeführt: das dramatische Verdi-Fach (Desdemona, Amelia/Boccanegra, Leonore/Trovatore) sowie Rossinis „Ermione“ und unter anderem auch „Carmen“. Man durfte also auf einen großen Stimmumfang plus Belcanto-Technik einer Giannina Arrangi-Lombardi, Maria Vitale, Leyla Gencer… gespannt sein.
Die Wirklichkeit war dann ernüchternd. Zuerst ließ sie sich als unter „fatigue“ leidend ansagen. Diese Methode, sich „carte blanche“ für das Wohlwollen des Publikums zu verschaffen, finde ich unsäglich. Zu hören war dann eine weder schöne noch interessante Stimme und schon gar nichts von Belcantogesang wie Trillern, Ornamenten, Pianissimo, messa di voce oder brillanten Spitzentönen. Von Bühnenpräsenz keine Spur, sie sang die Partie nicht frei, sondern klammerte sich ständig mit Augen und Händen (zum Umblättern) an die Partitur. Ihrer Leistung „ebenbürtig“ war der junge Bariton Dario Solari mit stumpfer uninteressanter Stimme. Schade, die Baritonpartie ist in dieser Oper bedeutend.
Die mit Abstand beste stilistische Leistung erbrachte José Bros. Wie ich der Literatur entnahm, schrieb Donizetti dem Tenor etliche hohe C und D in die Partie – davon ließ er leider kein einziges vernehmen. David Parry dirigierte Orchester und Chor mit zackig-rhythmischem Gestus, und so klangen sie auch über weite Strecken.
Ich möchte die Aufführung nicht als grottenschlecht bezeichnen. Immerhin wirkte ein als „Startenor“ anerkannter Künstler mit, und die London Philharmonic gelten als Spitzenorchester. Eben nur sehr mäßig/durchschnittlich und meiner Meinung nach nicht geeignet, der Oper zu einem neuen „Durchbruch“ zu verhelfen.
Anlass des Konzertes war die vorher erfolgte Studio-Einspielung des Werkes durch OperaRara mit identischer Besetzung. Möglich, dass die CD besser klingt, man kann ja heute mit technischen Mitteln sehr viel „mogeln“. Trotzdem halte ich diese CD nicht für habenswert, auch angesichts der Hochpreispolitik von OperaRara.
Ich habe zwei Live-Mitschnitte, auf denen die Protagonistin mit zwei exquisiten Sopranistinnen - Montserrat Caballé und Mariella Devia - besetzt ist. Schon deswegen vorzuziehen, außerdem ist Zancanaro der Partner von Devia.
Seit Ende des 19. Jahrhunderts gab es kaum mehr als eine Handvoll von Aufführungen der Parisina. Laut CLOR discography und anderen Quellen sind folgende Live-Mitschnitte dokumentiert:
1964/Siena: Bruno Rigacci – Marcella Pobbe/Renato Cioni/Giulio Fioraventi
1974/N.Y.: Eve Queler - Caballé/Jérome Pruett/Quilico (nur Caballé ist gut)
1990/Florenz: Bartoletti – Devia/Gonzales/Zancanaro (Tenor furchtbar!)
1997/Lugo: Carignani – Sonia Dorigo/Amadeo Moretti/C.C. Caruso
1997/Lugano: E.Plasson - Pendatchanska/Amadeo Moretti/de Andrès
Auf den mir vorliegenden Mitschnitten ist die Ouverture verkürzt; OperaRara bringt sie vollständig.
Dieter (Frankfurt a. M.)
Rubriken:
Donizetti,
Opernkritik
8. Dezember 2008
Gioacchino qua! Gioachino là! - Rossinis Vorname
Abb.: NYPL Digital Gallery
Gioacchino oder Gioachino – welche Schreibweise ist denn nun die richtige? Beide sind richtig! Und es gibt für Rossinis Vornamen noch weitere – heute nicht mehr gebräuchliche - Varianten.
Getauft wurde Rossini auf die Namen „Giovacchino Antonio“, und diese Schreibweise findet man auf alten Theaterplakaten, Porträts von Rossini und Büchern.
Abb.re.: esg
Im Laufe der Zeit ist dann das „v“ abhanden gekommen, und die auch heute allgemein übliche Schreibweise dieses italienischen Vornamens wurde „Gioacchino“. Wie zahlreiche Autographen belegen, hat Rossini selbst seinen Vornamen allerdings überwiegend – insbesondere in seinen späteren Jahren – als „Gioachino“ geschrieben, hier als Beispiel eine Auszahlungsquittung aus dem Jahre 1860:
Abb.: Der neue Merker - Bildergalerie - RossiniGioacchino oder Gioachino – welche Schreibweise ist denn nun die richtige? Beide sind richtig! Und es gibt für Rossinis Vornamen noch weitere – heute nicht mehr gebräuchliche - Varianten.
Getauft wurde Rossini auf die Namen „Giovacchino Antonio“, und diese Schreibweise findet man auf alten Theaterplakaten, Porträts von Rossini und Büchern.
Abb.re.: esg
Im Laufe der Zeit ist dann das „v“ abhanden gekommen, und die auch heute allgemein übliche Schreibweise dieses italienischen Vornamens wurde „Gioacchino“. Wie zahlreiche Autographen belegen, hat Rossini selbst seinen Vornamen allerdings überwiegend – insbesondere in seinen späteren Jahren – als „Gioachino“ geschrieben, hier als Beispiel eine Auszahlungsquittung aus dem Jahre 1860:
Für diese von Rossini persönlich bevorzugte Schreibweise haben sich nicht nur beispielsweise sein Verleger Ricordi, der Reclam-Opernführer von 1957 und die Rossini-Biografen Herbert Weinstock (1968) und Richard Osborne (1986) entschieden, sondern auch das Rossini Opera Festival und die Fondazione Rossini in Pesaro, das Festival "Rossini in Wildbad" und die Deutsche Rossini Gesellschaft.
Als Rossini sich im Jahre 1866 an Papst Pius IX. mit dem Ersuchen wandte, den Gebrauch von Frauenstimmen im Kirchengesang zu genehmigen, unterzeichnete er allerdings sein ins Lateinische übersetztes Schreiben mit „Ioachim Rossini“:
Abb.: Archiv des Vatikan
- Bild zum Vergrößern anklicken -
“Ioachim“ ist die lateinische Form des hebräischen Namens Yohaqim/Jojakim /Jojachin, unverkennbar der Ursprung auch des deutschsprachigen Vornamens Joachim und zahlreicher ähnlicher Vornamen in den verschiedensten Sprachen. Und in deutschen Landen bekam Rossini auch den Vornamen “Joachim”, wie beispielsweise dieses Theaterplakat aus Braunschweig aus dem Jahr 1828 belegt (auffallend ist, dass der Name des Übersetzers fett gedruckt ist und damit seinerzeit wohl wichtiger war als der Name des Komponisten, also nicht: prima la musica, poi le parole?- aber das wäre ein anderes Thema):
Abb.: rf
Und noch eine Variante – ebenfalls aus dem deutschsprachigen Raum - gibt es: “Gioachimo”, - zu finden beispielsweise bei Sittard, Josef: „Gioachimo Antonio Rossini“ (In der Reihe: Sammlung musikalischer Vorträge - Leipzig, Breitkopf, 1882), in einem Opernführer aus dem Jahre 1913, aber überraschenderweise auch im Jahresbericht Theater Basel 2004/05.pdf (S.5).
Das vielleicht schönste Beispiel findet sich im Faksimile-Nachdruck des Buchs von Stendhal / Amadeus Wendt „Rossini’s Leben und Treiben“ aus dem Jahr 1824 (erschienen 2003 als Band 5 der Schriftenreihe der Deutschen Rossini Gesellschaft e.V.):
„Gioachimo (Joachim) Rossini wurde am 29. Febr. 1792 zu Pesaro, einem niedlichen Städtchen des Kirchenstaates am Meerbusen von Venedig geboren….“.
Es ist also so ziemlich alles möglich, - nur nicht „Giacomo“, ein Lapsus, den man leider immer wieder zu lesen bekommt. Als ich vor Jahren gar eine Rezension über Puccinis "Barbier von Sevilla" las, konnte ich mir eine sarkastische Mail an den Verfasser über diese aufregende Neuigkeit allerdings dann doch nicht verkneifen.
Abb.: esg
Rubriken:
Opernwissen,
Rossini - Leben und Werk
3. Dezember 2008
Kleine Geschichten rund ums Opernpublikum
In diesem Beitrag geht es – ich muss es vorweg sagen - nicht um Belcanto-Oper, nicht einmal vorrangig um das Geschehen auf der Bühne, sondern sozusagen um die andere Seite.
Was wäre die Oper ohne ihr Publikum und dessen Reaktionen? Ich meine jetzt nicht die Bravo-, Brava-(etc.)Rufe und auch nicht die Buhstürme, sondern die kleinen Begebenheiten am Rande, die die Erinnerung an bestimmte Vorstellungen würzen und von denen ich einige erzählen möchte.
Vor vielen Jahren in einer Aufführung von Verdis „Otello“: Neben mir sitzt ein etwa 12 Jahre altes Mädchen und verfolgt gebannt das Geschehen auf der Bühne. Vierter Akt – Desdemona legt sich nach dem Ave Maria ins Bett – , da flüstert mir das Mädchen zu: „ Die hat sich gar nicht abgeschminkt“.
Eine Aufführung von Verdis „Un ballo in maschera“: In die Schluss-Szene des Tenors mit den zahlreichen Addios tönt es deutlich vernehmbar von einer der Beleuchterbrücken: „Nun stirb doch endlich! Ich will nach Hause!“.
Ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums bei „Le Grand Macabre“ von Ligeti: Als jemand auf der Bühne fragt, wie spät es sei, kommt die Antwort aus allen Ecken des Hauses. – Es wurde die Erstfassung der Oper gespielt: Die „Ouvertüre“ war ein Stück für Autohupen; als nach der Pause im Vorspiel zum nächsten Akt Fahrradklingeln ertönten, kamen aus dem Publikum Zwischenrufe wie: „Wir wollen wieder die Autohupen“, – vielleicht war es aber auch umgekehrt, ich meine das mit den Klingeln und den Hupen.
Voraufführung der „Zauberflöte“ 1982 in der Inszenierung von Achim Freyer: Die drei Knaben, die in Handwerkerkluft gewandet als eine Art Reparaturtrupp eingreifen, wenn es brenzlig wird, bringen Pamina gute Nachricht und haben zum fröhlichen Tänzeln Flachmänner in den Händen. Heftige lautstarke Zwischenrufe aus dem Publikum: „Kinder und Alkohol! Unverantwortlich!“. Ab der Premiere waren es dann Kakaotüten (die sind inzwischen aber auch verschwunden).
“Cendrillon“ von Massenet am Theater Lübeck: Nach der bejubelten Koloraturarie der Fee verkündet das kleine Mädchen neben mir voller Stolz: „Das ist meine Mama!“
“Der Freischütz“ in der Hamburgischen Staatsoper in der Inszenierung von Peter Konwitschny: Bei der Szene in der Wolfsschlucht ein Zwischenruf vom 4. Rang: „Jetzt brauch ich nicht mehr auf den Dom zu gehen“ (Erläuterung für Nichtnorddeutsche: Der Hamburger Dom ist der dreimal jährlich stattfindende große Jahrmarkt auf dem Heiligengeistfeld). Ein weiterer Zwischenruf dieses Herrn im 4. Rang hat übrigens eine kleine szenische Änderung bewirkt: Der Eremit tritt in dieser Inszenierung nicht erst im letzten Bild auf, sondern schaut sich – gekleidet wie ein normaler Opernbesucher - die ganze Vorstellung von der 1. Reihe aus an und mischt sich dann auch ein, indem er die bewussten weißen Rosen – laut Bravo rufend – auf die Bühne schleudert. Ursprünglich und damit auch in dieser Vorstellung geschah dies nach der ersten Arie des Ännchen. Nach der wundervoll gesungenen Arie der Agathe tönt es vom 4. Rang: „Jetzt hättest du deine Blumen werfen sollen“, - seitdem kommt der Blumenwurf nach dem Duett der beiden Damen, was beweist: Peter Konwitschny hört auf sein Publikum!
Premiere der „Frau ohne Schatten“ in der Hamburgischen Staatsoper: In die leise verklingenden letzten Takte eines langen Abends tönt von oben ein lautstarkes „Gott sei Dank!“. Berichtet wird über einen Besucher im Parkett, der heftig buhte und dafür von seinem Hintermann einen Schlag auf den Kopf bekam - mit dem dicken Programmheft!
Ein Mitglied der Deutschen Rossini Gesellschaft berichtete aus Pesaro: In der Pause der Aufführung von „La Cenerentola“ mit Kasarova in der Titelpartie fragt eine Besucherin: „Warum singt die Sängerin so tief?“ – „Weil Rossini das so komponiert hat“ – „Und warum hat er das so gemacht?“ – „Das müssen Sie schon den Komponisten fragen“ – „Ach, ist der auch hier?“.
Und die Oper gewinnt neues Publikum, - daran sind Tourneeproduktionen in Arenen und der bewusste Telekom-Werbespot im Fernsehen vielleicht doch auch etwas beteiligt. Dass die Jugend ihre Begeisterung auch in der Oper durch Pfiffe zum Ausdruck bringt, ist ja nicht mehr neu. Etwas ungewöhnlich – jedenfalls im Opernhaus - dürfte aber das Verhalten des jungen Mannes sein, der in einer Aufführung von „Carmen“ neben mir saß: Als das Vorspiel einsetzte, riss es ihn vom Sitz und er klatschte im Rhythmus laut mit, - allerdings nicht lange, und von da an war er ein aufmerksamer stiller Zuhörer. Und neulich bei der „Turandot“ im Pausengespräch einer Gruppe Jugendlicher: „Das Lied aus der Werbung kommt jetzt gleich“.
Und dass Oper zum aktiven Wortschatz auch schon von Schulkindern gehört, zeigt diese kleine Begebenheit in der U-Bahn: Mittagszeit, die Schule ist aus, und die Schulkinder vertreiben sich die Zeit mit Aufsagen von Reimen zu rhythmischem Händeabklatschen. Auf einmal höre ich: "Dann kommt ein Opernsänger, da dauert's immer länger"!
Eine besondere Publikums-Spezies wird im Beitrag Frühklatscher gewürdigt.
Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen eine schöne Adventszeit!
Was wäre die Oper ohne ihr Publikum und dessen Reaktionen? Ich meine jetzt nicht die Bravo-, Brava-(etc.)Rufe und auch nicht die Buhstürme, sondern die kleinen Begebenheiten am Rande, die die Erinnerung an bestimmte Vorstellungen würzen und von denen ich einige erzählen möchte.
Vor vielen Jahren in einer Aufführung von Verdis „Otello“: Neben mir sitzt ein etwa 12 Jahre altes Mädchen und verfolgt gebannt das Geschehen auf der Bühne. Vierter Akt – Desdemona legt sich nach dem Ave Maria ins Bett – , da flüstert mir das Mädchen zu: „ Die hat sich gar nicht abgeschminkt“.
Eine Aufführung von Verdis „Un ballo in maschera“: In die Schluss-Szene des Tenors mit den zahlreichen Addios tönt es deutlich vernehmbar von einer der Beleuchterbrücken: „Nun stirb doch endlich! Ich will nach Hause!“.
Ungeteilte Aufmerksamkeit des Publikums bei „Le Grand Macabre“ von Ligeti: Als jemand auf der Bühne fragt, wie spät es sei, kommt die Antwort aus allen Ecken des Hauses. – Es wurde die Erstfassung der Oper gespielt: Die „Ouvertüre“ war ein Stück für Autohupen; als nach der Pause im Vorspiel zum nächsten Akt Fahrradklingeln ertönten, kamen aus dem Publikum Zwischenrufe wie: „Wir wollen wieder die Autohupen“, – vielleicht war es aber auch umgekehrt, ich meine das mit den Klingeln und den Hupen.
Voraufführung der „Zauberflöte“ 1982 in der Inszenierung von Achim Freyer: Die drei Knaben, die in Handwerkerkluft gewandet als eine Art Reparaturtrupp eingreifen, wenn es brenzlig wird, bringen Pamina gute Nachricht und haben zum fröhlichen Tänzeln Flachmänner in den Händen. Heftige lautstarke Zwischenrufe aus dem Publikum: „Kinder und Alkohol! Unverantwortlich!“. Ab der Premiere waren es dann Kakaotüten (die sind inzwischen aber auch verschwunden).
“Cendrillon“ von Massenet am Theater Lübeck: Nach der bejubelten Koloraturarie der Fee verkündet das kleine Mädchen neben mir voller Stolz: „Das ist meine Mama!“
“Der Freischütz“ in der Hamburgischen Staatsoper in der Inszenierung von Peter Konwitschny: Bei der Szene in der Wolfsschlucht ein Zwischenruf vom 4. Rang: „Jetzt brauch ich nicht mehr auf den Dom zu gehen“ (Erläuterung für Nichtnorddeutsche: Der Hamburger Dom ist der dreimal jährlich stattfindende große Jahrmarkt auf dem Heiligengeistfeld). Ein weiterer Zwischenruf dieses Herrn im 4. Rang hat übrigens eine kleine szenische Änderung bewirkt: Der Eremit tritt in dieser Inszenierung nicht erst im letzten Bild auf, sondern schaut sich – gekleidet wie ein normaler Opernbesucher - die ganze Vorstellung von der 1. Reihe aus an und mischt sich dann auch ein, indem er die bewussten weißen Rosen – laut Bravo rufend – auf die Bühne schleudert. Ursprünglich und damit auch in dieser Vorstellung geschah dies nach der ersten Arie des Ännchen. Nach der wundervoll gesungenen Arie der Agathe tönt es vom 4. Rang: „Jetzt hättest du deine Blumen werfen sollen“, - seitdem kommt der Blumenwurf nach dem Duett der beiden Damen, was beweist: Peter Konwitschny hört auf sein Publikum!
Premiere der „Frau ohne Schatten“ in der Hamburgischen Staatsoper: In die leise verklingenden letzten Takte eines langen Abends tönt von oben ein lautstarkes „Gott sei Dank!“. Berichtet wird über einen Besucher im Parkett, der heftig buhte und dafür von seinem Hintermann einen Schlag auf den Kopf bekam - mit dem dicken Programmheft!
Ein Mitglied der Deutschen Rossini Gesellschaft berichtete aus Pesaro: In der Pause der Aufführung von „La Cenerentola“ mit Kasarova in der Titelpartie fragt eine Besucherin: „Warum singt die Sängerin so tief?“ – „Weil Rossini das so komponiert hat“ – „Und warum hat er das so gemacht?“ – „Das müssen Sie schon den Komponisten fragen“ – „Ach, ist der auch hier?“.
Und die Oper gewinnt neues Publikum, - daran sind Tourneeproduktionen in Arenen und der bewusste Telekom-Werbespot im Fernsehen vielleicht doch auch etwas beteiligt. Dass die Jugend ihre Begeisterung auch in der Oper durch Pfiffe zum Ausdruck bringt, ist ja nicht mehr neu. Etwas ungewöhnlich – jedenfalls im Opernhaus - dürfte aber das Verhalten des jungen Mannes sein, der in einer Aufführung von „Carmen“ neben mir saß: Als das Vorspiel einsetzte, riss es ihn vom Sitz und er klatschte im Rhythmus laut mit, - allerdings nicht lange, und von da an war er ein aufmerksamer stiller Zuhörer. Und neulich bei der „Turandot“ im Pausengespräch einer Gruppe Jugendlicher: „Das Lied aus der Werbung kommt jetzt gleich“.
Und dass Oper zum aktiven Wortschatz auch schon von Schulkindern gehört, zeigt diese kleine Begebenheit in der U-Bahn: Mittagszeit, die Schule ist aus, und die Schulkinder vertreiben sich die Zeit mit Aufsagen von Reimen zu rhythmischem Händeabklatschen. Auf einmal höre ich: "Dann kommt ein Opernsänger, da dauert's immer länger"!
Eine besondere Publikums-Spezies wird im Beitrag Frühklatscher gewürdigt.
Ich wünsche allen Lesern und Leserinnen eine schöne Adventszeit!
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