28. Juni 2008

Der Experte - Alberto Zedda

Im „Opernglas“ (www.opernglas.de/) – Heft 7/8 – gibt es Interviews mit Alberto Zedda, Saimir Pirgu und Olga Peretyatko, - hier Ausschnitte aus dem Interview mit Alberto Zedda:

DER EXPERTE - ALBERTO ZEDDA
Dirigent, Musikwissenschaftler, Autor, Lehrer, künstlerischer Leiter und eine Instanz für Rossini. Wolfgang Kutzschbach traf den Maestro in Bozen.

Herr Zedda, wodurch ist Ihr Interesse für Rossini erwacht?

Ich entdeckte Rossini mit der Erstellung der kritischen Edition von »Il barbiere di Siviglia«. Die Oper wird überall auf der Welt gespielt, und somit habe auch ich das Werk einmal dirigiert. Hierbei ist mir etwas Seltsames passiert: In den Vereinigten Staaten geriet ich mit den Oboisten nach dem Finale des ersten Aktes in einen Streit über Tempowahl und unspielbare Passagen. Obwohl es eine einfachere Alternativ-Version von Ricordi gab, hatte ich mit der Interpretation ein schlechtes Gewissen. Als ich etwas später in Bologna dirigierte, habe ich mich daran erinnert, und ich wusste auch, dass das Autograf des »Barbiere« in Bologna lag. Ich habe mir daher die Originalpartitur angesehen und verstanden, warum das damals nicht funktionieren konnte. Daraufhin habe ich mein Notenmaterial korrigiert und dies dem Ricordi-Verlag gezeigt. Dort war man entsetzt und hielt mich für verrückt. Es hätten doch alle Dirigenten, wie Toscanini, de Sabata oder Serafin diese Partitur verwendet. Schlussendlich verblieben wir so, dass ich eine Neuedition erstellen sollte, weil ich mit dem Problem am besten vertraut war.

Was fasziniert Sie an diesem Komponisten?

Seine Art, Theater zu machen. Sein Theater ist anders als das der Romantik, nicht phrasenhaft, sondern modern. Ich habe erkannt, dass Rossini nicht deshalb von den Spielplänen verschwunden war, weil er zu veraltet, sondern weil er zu modern war! Während in der Romantik Leidenschaften, Gefühle und menschliche Seelenzustände offen sichtbar werden, sind sie bei Rossini nicht zu erkennen. Er wollte nicht das Alltägliche, sondern das Großartige, Absolute. Verdi hat in einem Brief an seinen Freund Arrivabene geschrieben: „Ich verstehe, warum Rossini ein großer Komponist ist. Welcher Rhythmus, welche Energie, welche Präzision. Aber ich verstehe nicht, warum Rossini Opern komponiert hat.“ Für Verdi musste eine Oper von der menschlichen Seele erzählen.Verdi hatte von seinem Standpunkt aus Recht. Rossini wollte aber nicht das Menschliche in Emotionen vermitteln, er wollte die großen Gefühle der Menschheit ausdrücken. Nicht aus dem Blickwinkel des Menschen, sondern als würde Gott aus der Ferne die armseligen Menschen betrachten, wie sie lieben und sterben. Verdi bildet immer ein Urteil über die Personen, hier die Guten, hier die Bösen. Rossini tut das niemals, er nimmt nie Partei. Er komponiert die gleiche Leidenschaft für Assur wie für Semiramide und man erfährt nie, ob ihm Assur sympathisch ist oder nicht. Er erzählt die Geschichte, wie sie ist und urteilt nicht. Das ist eine sehr moderne Sicht.Genial bei Rossini ist auch der Rhythmus, der anders als bei allen anderen ist. Die Themen, die musikalische Entwicklung, all das ist nicht außergewöhnlich. Wenn man irgendeine Partitur Rossinis nimmt, so sind alle gleich, egal ob opera seria oder buffa. Aber obwohl immer dieselben wenigen Vokabeln verwendet werden, gleicht keine Oper der anderen. Das ist das Genie, das musikalische Phänomen. Anders als bei Verdi oder Puccini, wo die Musik auch dann begeistert, wenn weniger passende Sänger am Werk sind, funktioniert das bei Rossini nicht. Dann wird seine Musik langweilig, stupid und mechanisch. Daher benötigen wir entsprechende Interpreten.

Sie dirigieren in diesem Jahr in Pesaro das Eröffnungskonzert der Festspiele mit Juan Diego Flórez?

Ja, es hat das Motto „Die Geburt des romantischen Tenors“. Flórez hat »Guglielmo Tell« bis jetzt nur auf seiner Solo-CD gesungen, aber noch nie auf der Bühne. Er sollte auch noch nicht die ganze Partie an einem Opernhaus singen – dafür ist er noch zu jung – aber im Konzert ist es möglich, die tenoralen Glanzstücke zu singen.

Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Auftritte liegt seit Jahren beim Rossini-Festival in Bad Wildbad

…Es ist eine fantastische Geschichte mit diesem kleinen Ort. Dort herrscht eine unglaubliche Begeisterung für Rossini. Man arbeitet ohne Bezahlung, aber mit vollem Enthusiasmus. Dieses Jahr nehmen wir »L’Italiana in Algeri« auf. In der wunderbaren Atmosphäre kann man sehr ruhig arbeiten.

Wie wird die »L’Italiana« in Bad Wildbad?

Da gibt es kaum etwas, was außerhalb der üblichen Tradition liegt. Bei »La donna del lago« war es etwas anders. Ich versuche immer, die Rollen von Maria Colbran von einem Mezzosopran singen zu lassen, denn die Colbran war mehr Mezzosopran acuto als Sopran. Daher haben Sonia Ganassi in »Elisabetta, regina d’Inghilterra«, Joyce DiDonato in »Adina« oder »La donna del lago« gesungen. Die »L’Italiana« ist wenig problematisch, ist absolute Komik, die einzige wirklich komische Oper von Rossini.

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