Innige Empfindung, melodischer Charme mit stilistischer Vielfalt und dramatische Akzente
Mit romantischen Klängen in barocker Vielfalt und ungewöhnlicher Instrumentierung, mit der „Petite Messe solennelle“ von Gioachino Rossini, wurden im 49. Jahr seit ihrer Gründung die Alsterwanderweg-Konzerte in der Marktkirche eröffnet. „Eine schöne und lange Tradition in Poppenbüttel“, so die Freude von Kirchenmusikdirektor Michael Kriener. Jeden Sonntag bis zum 25. September, waren Chöre und Organisten aus Preetz, St. Peter-Ording, Stade, Hannover, Berlin und Aachen zu Gast, die eine interessante Mischung aus Bekanntem und „Ungehörtem“ im Programm hatten.
Als „letzte Todsünde meines Alters“ hat der 72-jährige Rossini sein spätes Chorwerk bezeichnet. Rossini schreibt dazu in einer ironischen Widmung an den „lieben Gott“:
„Hier ist sie, die arme kleine Messe. Ist es wirklich heilige Musik (musique sacrée) oder doch vermaledeite Musik (sacrée musique)? Ich bin für die Opera buffa geboren. Du weißt es wohl! Ein bisschen Können, ein bisschen Herz, das ist alles. Sei also gepriesen und gewähre mir das Paradies.“
Der fast spitzbübische Titel „Kleine Messe“, bezieht sich wohl weniger auf die Länge des Werkes, sondern eher auf die kleine und etwas eigentümliche Besetzung, denn er hatte sie für 12 Sänger, 8 für den Chor, vier für die Soli, zwei Klaviere und Harmonium geschrieben. In seiner Widmung verweist Rossini auch auf den Symbolgehalt der für die Aufführung benötigten Sängerzahl:
„Lieber Gott verzeih mir die folgende Gedankenverbindung: 12 an der Zahl sind auch die Apostel in der berühmten Freßszene gemalt im Fresco von Leonardo, welches man das letzte Abendmahl nennt; wer würde es glauben! Es gibt unter Deinen Jüngern solche, die falsche Töne anschlagen!! Lieber Gott beruhige Dich, ich behaupte, dass kein Judas bei meinem Mahle sein wird, und dass die Meinen richtig und mit Liebe Dein Lob singen werden...“
Streicher, Bläser und Schlaginstrumente gibt es in seiner ersten Fassung nicht, aber die drei erwähntenTasteninstrumente als Chorbegleitung. Erst die zweite Fassung schrieb Rossini noch kurz vor seinem Tode für Chor und Orchester. Sie wird aber selten gespielt.
Am Flügel Eva Barta, die fast durchgehend die Kantorei Poppenbüttel begleitete und eine solide Grundlage bot. Alle Fotos: M. Pantelmann |
Hier war die erste Fassung (mit nur einem Klavier und großem Chor) mit der spielfreudigen Pianistin Eva Barta zu hören, die allerdings in den ersten Passagen etwas zaghaft in die Tasten griff und gegen den mächtigen Chor Mühe hatte, sich durchzusetzen. Fast durchgehend, sogar mit einem konzertanten Solo komponiert, begleitete das unvermutet rhythmisch prägnante Klavier, das dazu noch an vielen Stellen von einem Harmonium, von Chihiro Hirayama, gespielt, als weihevolle Akzente unterstützt wurde. Übergegangen ist man auch dazu, die Aufführungen mit großer Chorbesetzung zu singen.
Großer Applaus kam auch von der Kantorei Poppenbüttel, die sich bei den Solisten, Instrumentalisten und ihrem Kirchenmusiker bedankte. |
Neben strengen Formmodellen, zum Teil unverkennbar opernhaft und von bestechend melodischem Charme, jedoch von Ernst und inniger Empfindung durchdrungen, enthält dieses sakrale Werk nach dem Beispiel barocker Kantatenmessen einen strukturierten Zyklus von Arien und Chor. Mit allen Bestandteilen einer „Missa solemnis" für das priesterliche Hochamt wie das Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, O salutaris und am Ende das Agnus Dei (Lamm Gottes) in mitreißendem Dialog von Altstimme (Almut Orthaus) und Chor dramatisch herausgearbeitet. Auch wenn Rossinis Kompositionsverständnis vom leichten und gefälligen Genuss geprägt ist, war aber auch hier sein Hauptanliegen die sinnliche Botschaft.
Die Pianistin Eva Barta mit dem Kirchenmusikdirektor Michael Kriener. |
Unter ihrem Leiter fanden Solisten und Chor, der auch in den unbegleitet gesungenen Sätzen mit dichtem Stimmengeflecht durch dieses energiegeladene Werk marschierte, bei zügigen Tempi und klanglicher Leuchtkraft zu einer fein abgestimmten Ensemble-Leistung zusammen. Besonderen Wert legte der Dirigent auf die Hervorhebung der rhythmischen Feinheiten. Durchweg gut besetzt waren die Solisten mit dem Tenor Martin Kötterle, dem Bass Kevin Gagnon, der Altistin Almut Orthaus sowie der Sopranistin Svenja Liebrecht, die mit beeindruckender Solistenleistung das „O salutaris hostia“ mit ihrer klaren, kraftvollen und absolut höhensicheren Stimme eindringlich und anrührend gestaltete.
Als Kriener zu Beginn der Messe mit Ekkehard Carbow den Solisten nach dem Credo ankündigte, ahnten die Besucher noch nicht, dass sie etwas ganz Einmaliges hören durften; denn wer die Rossini-Messe kennt, mag etwas irritiert gewesen sein: das Harmonium-Solo kam mit dem kraftvollen Klang von der großen Kirchenorgel. „Das gibt es sonst nicht weiter auf der Welt“, sagte Kriener, „nur die Orgel der Marktkirche Poppenbüttel hat Harmonium-Zungen, die wir hier einsetzen konnten“. Mit minutenlangem Beifall und Bravorufen dankten die Besucher in der nahezu ausverkauften Kirche für die gelungene Aufführung.