1. Juni 2009

Orlando paladino - Ernst-komische Oper von Joseph Haydn

Bericht zur Premiere des Staatstheaters Braunschweig am 29. Mai 2009
Orlando-Paladino
v.l. Malte Roesner, Rebecca Nelsen, Henryk Böhm, Kenneth Bannon, Thomas Blondelle, Simone Lichtenstein, Tobias Haaks.
Fotos: Programmheft Staatstheater Braunschweig

Haydn schuf diese kleine Oper im neuen Gewand des „dramma eroicomico“ für seinen Fürsten Nikolaus Esterházy auf der Höhe seiner Meisterschaft als Fünfzigjähriger 1782. Wie seine anderen komischen Opern war sie zur Aufführung in Esterháza am Hofe des Fürsten bestimmt. Vorzügliche Berufsmusiker und renommierte italienische Sänger standen ihm zur Verfügung. Auf einer großen Bühne wie in Prag wollte Haydn selbst seine Opern nicht aufgeführt wissen.
Da trifft es sich gut, dass die Braunschweiger Inszenierung ohne großen technischen Aufwand open-air im Innenhof des barocken Schlosses in Wolfenbüttel aufgeführt wurde. Die Besucher saßen auf stabilen Pappkartons und trotz kalten Wetters bei der Premiere durften sie eine Aufführung der Extraklasse erleben.
Der Inhalt der Oper basiert sehr frei auf dem damals bekannten und beliebten Stoff aus dem Renaissance-Epos „Orlando furioso“ des Ludovico Ariosto (1474-1533). Die Rollen waren mit Haussängern des Braunschweiger Staatstheaters hervorragend besetzt. Es klang, als habe Haydn selbst ihnen die Stücke auf den Leib geschrieben:
Der junge Thomas Blondelle, der schon etliche bekannte Tenorpartien in Braunschweig verkörpert hat, durfte diesmal als Orlando mit warmen, eher in der mittleren bis tiefen Tenorlage angesiedelten Tönen verzaubern. Interessant, dass der „rasende Roland“, der seinen Verstand aus Liebespein verloren hat, als frustriertes gepeinigtes, fast ängstliches Mannsbild dargestellt wurde.
Die Debütantin Simone Lichtenstein setzte als viel umworbene Angelica gekonnt ihren seidigen Sopran ein; hoffentlich werden wir in Zukunft in Braunschweig mehr von ihr hören und sehen.
Orlandos Gegenpart, ebenfalls Tenor, war als Medoro der groß gewachsene, in ein prunkvolles Gewand gehüllte und mit überlanger Lockenperücke ausgestattete Tobias Haaks. Er sang sehr nobel den unentschlossenen Liebhaber.
Rebecca Nelsen – wiederum ein Ereignis! Temperamentvoll gestaltete sie die kokette Sopranrolle der Eurilla, ihr zur Seite ebenso geläufig als Pasquale Malte Roesner, der sich mehr und mehr im Ensemble auszeichnet. Seine berühmte Arie „Ecco spiano – Ecco il mio trillo“, in der er sich mit dem Orchester schulmeisterlich und parodistisch auseinandersetzt, war ein auch in der Begleitung herausragend umgesetzter Höhepunkt der Aufführung.
Orlando-Paladino-2
v.l. Rebecca Nelsen, Simone Lichtenstein, Malte Roesner, Sarah Ferede, Thomas Blondelle, Selcuk Hakan Tirasoglu, Henryk Böhm, Tobias Haaks
Als Rodomonte mit gezwirbeltem Schnurrbart und goldener Rüstung glänzte der in Braunschweig bekannte und beliebte Bariton Henryk Böhm. Kenneth Bannon als Licone bewährte sich augenzwinkernd im Clownsgewand, Caronte als Abgesandter der Unterwelt wurde von Selcuk Hakan Tirasoglu gesungen und gespielt. Passend, dass der Bass, der eine ausdrucksvolle „unverzierte“ Arie zu singen hat, von Kopf bis Fuß in glänzendes Schwarz gehüllt ist. Schließlich die Zauberin Alcina. Sie hält, wie eine frühe „Königin der Nacht“ über dem Geschehen thronend und überlange weiße Finger bewegend, alle Fäden in der Hand und wirkt mal gut und mal böse – bringt schließlich Einsicht und Erlösung. Eine Paraderolle für die wunderbare Sarah Ferede.
Das Libretto von Nunzio Porta wurde in eine deutsche Fassung von Dominik Wilgenbus übertragen. Bewundernswert, wie einige im Schnellgesang dargebotenen Ensemblenummern gelangen; sie sind im originalen Italienisch leichter singbar.
Die musikalische Leitung oblag Sebastian Beckedorf, einem Spezialisten für diese Art Musik. Das Orchester setzte diesen Haydn schwungvoll in Szene. Besonderes Lob gebührt Aniara Amos, verantwortlich sowohl für die Inszenierung als auch die Ausstattung. Geradezu fantastisch vermochte sie den Sänger-Darstellern einen dem Stück angemessenen erhaben-komischen tänzerischen Gestus zu verleihen und gekonnt die Stimmungen der Musik auch in Mimik umzusetzen. Da stimmte jede Regung, jeder Ausdruck. Die Ausstattung war schlicht und somit einer kleinen Bühne, die im Schlosshof aufgebaut worden war, angepasst. Man kam mit einigen drehbaren Stellwänden und wenigen Beleuchtungseffekten aus: Da war eine gemalte pastorale Landschaft auf einer Seite, auf der Rückseite in tiefem Schwarz die dämonische Unterwelt . Zwischen diesen beiden Polen, beherrscht von der Zauberin Alcina, bewegt sich das Stück.
Wer irgend kann, sollte im Jahre des 200. Todestages des Komponisten die noch folgenden Aufführungen dieser einmaligen Inszenierung besuchen. Bei der Premiere hätte ich mir beim Publikum ein wenig mehr Begeisterung gewünscht – aber, wie gesagt, das Wetter war ziemlich kalt.
Weitere Aufführungen am 6./12./18./21. Juni 09
(Autorin: Astrid Fricke)