19. Januar 2009

Dank an Marilyn Horne - Zu ihrem 75. Geburtstag!

Aktualisiert am 1. Februar 2009 (s. Nachtrag am Ende des Beitrags)
Im „Opernleben“ eines jeden Fans gibt es zwar viele Höhepunkte, aber nur selten das große Glück, bei einem ganz besonderen Ereignis dabei gewesen sein zu dürfen.

Für mich war der 8. März 1980 einer dieser beglückenden Tage: die Premiere von Rossinis L’italiana in Algeri an der Hamburgischen Staatsoper mit Marilyn Horne in der Titelpartie. Darauf hatte ich mich schon monatelang gefreut, hatte aber zu meinem Erstaunen auch feststellen müssen, dass kaum jemand meine Vorfreude teilte, - kaum jemand im Stammpublikum des 4. Rangs wusste überhaupt, wer Marilyn Horne war! Die Premiere der Italiana war auch nicht ausverkauft, danach war dann allerdings der Ansturm umso heftiger, und Marilyn Horne wurde auch in Hamburg zum großen Publikumsliebling.

Gespielt wurde die Ponnelle-Inszenierung der Mailänder Scala. Von der New Yorker Aufführungsserie dieser Produktion ist kürzlich eine DVD erschienen, bei YouTube sind diverse Ausschnitte (und auch sonst eine ganze Menge Videos mit Marilyn Horne) im Netz.

Hier der wohl etwas missglückte Versuch des Rezensenten der „Welt“, das Ereignis Marilyn Horne irgendwie in Worte zu fassen:

“Der Auftritt der Horne läßt zunächst vermuten, es sei der Intendanz gelungen, die Zarah Leander der mittleren Jahre für ‚Hallo Dolly’ zu gewinnen. Den Inhalt vor Augen, aber der ist ohnehin sinnlos, muß man befürchten, Lindoro, der Geliebte der ‚Italienerin’ habe sich beim Umzug von Mailand nach Hamburg einen echt italienischen Mama-Komplex zugezogen. Doch sehr bald wird man eines Besseren belehrt – und geht in die Knie vor Entzücken. Die Horne singt die Glanzpartie der Koloratur-Altistinnen mit einem geradezu luxuriösem Belcanto. Ihre Perlenketten des Ziergesangs funkeln wie Juwelen – the must of Marilyn Horne! -, und ihre darstellerische Pfiffigkeit, ihr echter ‚Mutterwitz’, übertrumpften die angestrengtesten Bemühungen ihrer Umgebung mit einem Fingerschnalzen. Ein ganz unglaubliches Ereignis: eine Primadonna, über die man nach Herzenslust lachen kann.“
Ich fasse mich kürzer: Es war sensationell! Technische Perfektion und Brillanz, die glücklicherweise auch heute noch anhand der zahlreichen Tondokumente bewundert werden können, verbunden mit einer entwaffnenden szenischen Präsenz!

Seinerzeit steckte die Rossini-Renaissance noch in den Kinderschuhen – insbesondere was die opera seria anbelangte. Und so war im Staatsopern-Magazin zum Hamburger Debüt von Marilyn Horne zu lesen, dass – neben der Isabella und der Rosina – „die Arsace aus Semiramis“ zu ihren besonders glänzenden Partien zählte. Terra incognita also auch für die Mitarbeiter der Dramaturgie der Hamburgischen Staatsoper! Mit Semiramide stand dann aber im Frühjahr 1983 endlich auch eine opera seria von Rossini auf dem Spielplan der Hamburgischen Staatsoper, natürlich mit Marilyn Horne in der Rolle des Arsace und einer auch ansonsten fulminanten Besetzung: Montserrat Caballé, Samuel Ramey und Francisco Araiza. Die konzertanten Aufführungen im Frühjahr 1983 waren ein derart sensationeller Erfolg, dass es im Frühjahr 1985 nochmals eine Serie gab, bei der in einer Vorstellung Chris Merritt den Idreno sang, – nach seiner Arie (er hatte in der gekürzten Fassung leider nur eine zu singen) trampelte sogar der Chor vor Begeisterung!

Unvergesslich auch die Hamburger Konzertauftritte von Marilyn Horne! Ich hatte das Glück, bei drei Konzerten dabei zu sein: Solo-Abend in der Hamburgischen Staatsoper am 28. April 1983, Festkonzert des NDR zum Europäischen Jahr der Musik in der Musikhalle am 7. Februar 1985 und Solo-Abend in der Musikhalle am 15. Mai 1986.

Marilyn Horne verstand es, ihr Publikum – mit Charme und mit direkter Ansprache – quasi um den kleinen Finger zu wickeln, und für die Ovationen bedankte sie sich mit einem Füllhorn voller Zugaben. Bei dem Solo-Abend in der Hamburgischen Staatsoper schien das Publikum überhaupt nicht gehen zu wollen, sogar die „Garderoben-Flitzer“ hielt es auf ihren Sitzen, und nach der fünften (oder gar schon sechsten?) Zugabe sagte Marilyn Horne: „Nun müssen Sie aber wirklich nach Hause gehen“ und sang noch das Wiegenlied „Guten Abend, gute Nacht…“. Und danach waren auch noch die zahlreichen Autogrammwünsche zu erfüllen!

Marilyn Horne und ihre Mitstreiter und Mitstreiterinnen haben erfolgreich bewiesen, wie schön und aufregend Belcantogesang sein kann, wenn er nach den Regeln der (Belcanto-)Kunst ausgeführt wird, und dass ihre Pionierarbeit auf fruchtbaren Boden gefallen ist, zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, in denen zunehmend vergessene Belcanto-Opern wieder auf die Spielpläne gesetzt werden und junge Sängerinnen und Sänger das technische Rüstzeug erworben haben, um auch im Belcantofach erfolgreich Karriere machen zu können.

Auch nach Beendigung ihrer aktiven Bühnenlaufbahn ist Marilyn Horne über die von ihr vor 15 Jahren gegründete Marilyn Horne Foundation weiterhin in Sachen Belcanto aktiv. Am 18. Januar 2009 wurde der „doppelte“ Geburtstag mit einem Festkonzert in der Carnegie Hall begangen, von dem hoffentlich ein Mitschnitt veröffentlicht werden wird.

Danke, liebe Marilyn Horne, für die vielen schönen Stunden und für den großartigen Einsatz zur Wiederbelebung der Kunst des Belcanto!

Nachtrag: Bericht über die Gala "Celebrating Marilyn Horne" am 18. Januar 2009

11. Januar 2009

"Lucia di Lammermoor" in Berlin

Foto: DOB









Dieter berichtet aus Berlin:



Donizettis "Lucia di Lammermoor"

Dauerbrenner-Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin

Die Deutsche Oper begann Ende des letzten Jahres mit einer Serie von Wiederaufnahmen der Produktion von Filippo Sanjust, die im Dezember 1980 Premiere hatte. Über einen Zeitraum von mehreren Monaten werden sich Star-Sopranistinnen in der Gestaltung der Titelrolle abwechseln. Die von mir besuchte Vorstellung am 22.12.08 war die 102. Aufführung seit der Premiere. Eine beeindruckende Anzahl, und im Laufe von fast drei Jahrzehnten sind in dieser Produktion wohl so ziemlich alle Künstler aufgetreten, die in diesem Fach Rang und Namen haben.

Mich interessierte vor allem Ruth Ann Swenson, die in den ersten Vorstellungen die Titelrolle singt. Seit vielen Jahren bin ich ein Fan von ihr und begrüßte die Möglichkeit, sie nach ihrer schweren Erkrankung und chemotherapeutischen Behandlung wieder auf der Bühne zu erleben. Noch immer hat ihr Instrument den charakteristischen warmen Ton und Leuchtkraft in der Höhe.

José Bros war ein tadelloser Edgardo; intensiv, ausdrucksvoll und mit schönem Legato. Der Enrico des mir bis dato unbekannten Domenico Balzano (anstelle des ursprünglich vorgesehenen Markus Brück) war akzeptabel, aber nicht außergewöhnlich. Eine absolute Luxusbesetzung: Michael Spyres in der kleinen Partie des Arturo. Recht anständig, wenn auch im Timbre nicht ausgesprochen italienisch der Raimondo von Arutjun Kotchinian, seine Partie war stark gekürzt. Diese „abgespeckte“ Fassung empfand ich als Ärgernis, ein Rückfall in die 40er, 50er Jahre. Amputiert waren: die zweite Strophe der Cabaletta nach Enricos Cavatina, das Duett Lucia/Raimondo, die Turmszene. Nach Abzug der Pausen betrug die „Netto“-Spieldauer des Abends knapp zwei Stunden.

Aus dem Orchestergraben kam wenig Erfreuliches: zu laut, unsensibel. Das Berliner Publikum quittierte es dem Dirigenten, Gianluca Martinenghi, mit anhaltenden Buh-Stürmen.

Die Inszenierung: eine Huldigung an das gemalte Kulissen-Theater des 19. Jahrhunderts. Da kann der Melomane nicht meckern! Allerdings konnte ich von Personenregie nichts mehr entdecken. Zum Glück ist die Lucia eine Gesangsoper, und die romantischen Kulissen eignen sich gut als Starvehikel für wechselnde Besetzung mit international berühmten Sängerinnen/Sängern. In dieser Spielzeit sind noch Vorstellungen am 1. und 6. März mit Elena Mosuc vorgesehen.

Dieter (Frankfurt a. M.)