13. März 2008

"Fedra" bei den Staatstheater-Freunden

Am Dienstag, den 11. März 2008 waren wir wieder bei den Staatstheaterfreunden zu Gast. Anwesend: die Regisseurin Frau Pöhler sowie unsere junge texanische Sopranistin Rebecca Nelsen, die ihre erste Hosenrolle, die des Ippolito, verkörpern wird, ferner der an diesem Abend eingesprungene Halberstädter Pianist Daniel Linton-France , dortiger Kapellmeister, gebürtiger Australier, der mit 18 Jahren seine Ausbildung in Salzburg begann. Frank Fellmann (Bühnenbild) sowie Christin Marstall (Regieassistenz) vervollständigten die Runde.

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Kirchner, Gesellschaft der Staatstheater-freunde in Braunschweig e.V.


v.r.: Frank Fellmann, Bühnenbild; Kerstin Maria Pöhler, Regie; Rebecca Nelsen, Christin Marstall, Regieassistenz
Nach einigen Einleitungssätzen, die für uns nichts Neues brachten, sang Frau Nelsen eine herrliche Arie des Ippolito und bemühte sich sehr um der Rolle entsprechendes "männliches" Auftreten, wie es die Regie verlangt. Obwohl sie, durch Grippe angeschlagen, nur "mezza voce" singen konnte, war das zumeist ältere Publikum, das sie nach ihren furiosen Auftritten in "La Bohème" und in der "Czardasfürstin" regelrecht anbetet, mit Recht hingerissen und der kongeniale Begleiter gab sein Bestes. - Bei den Proben spielen sie immerhin vierhändig als Begleitung! -

Die Inszenierung gestaltete sich schwierig, da Frau Pöhler mit einem unvollständigen Klavierauszug und textlich ziemlich alleingelassen mit den Proben beginnen musste. Inzwischen sind alle Mitwirkenden von der Musik begeistert. Frau Nelsen musste während ihrer häufigen Auftritte in den anderen Stücken diese Musik einstudieren, von der es keine CDs gibt, was die Aufgabe erschwert. Die Musik strotzt von Anleihen an Mozart (Don Giovanni!), Beethoven, Rossini, Donizetti (nicht wirklich, da Simon Mayr den jungen Donizetti beeinflusste, nicht umgekehrt). Mayr, der "Vater der italienischen Oper", der immerhin 60 Bühnenwerke neben seinem umfänglichen kirchenmusikalischen Werk verfasste, ist heute fast vergessen, umso schöner, dass wir demnächst die Fedra erleben dürfen, die immerhin Verdi in seinem Nachlass aufbewahrte, was dann zu weiteren Nachforschungen und letztlich zu dieser Aufnahme oder Wiederaufnahme führte.

Inzwischen weiß Frau Pöhler auch, dass das Libretti auf Racine zurückgeht, nicht auf Euripides oder andere, die sich ebenfalls des antiken Stoffes annahmen. Das Libretto ist in schwer verständlichem Italienisch abgefasst und weist Lücken auf, die sich nur mit Kenntnis der Racineschen Fassung erklären lassen. Es kann also nicht schaden, sich mal den Racine zu Gemüte zu führen. Es gibt bei Reclam eine zweisprachige Fassung französisch und deutsch, auch eine Übersetzung von Schiller usw. Was es nicht gibt - ein vollständiges Libretto in deutscher oder meinetwegen auch italienischer Fassung, die übrigens selbst Italiener heute nur mit Mühe verstehen. Aber die von den Theaterfreunden gestiftete neue Übertitelungsanlage wird eingesetzt und uns hoffentlich das Verständnis erleichtern.

Der Kapellmeister aus Halberstadt hatte am letzten Dienstag auch seinen großen Auftritt, als er anhand der Ouvertüre die vielen überraschenden Wendungen der Musik verdeutlichte, ebenso wie die vielfältigen "Zitate" der Komponistenkollegen. Am Ende wurde dann noch auf den Höhepunkt der Oper verwiesen, ein dramatisches 10-minütiges Duett zwischen zwei Frauen, zwischen Fedra, einer Tosca-Sängerin, und der schon erwähnten Rebecca Nelsen. Man darf also gespannt sein und sich freuen!

Wir hatten übrigens im vollbesetzten Saal des "Lindenhofs" - über einem italienischen Restaurant gelegen und für solche Anlässe von den Theaterfreunden gerne genutzt - den Vorteil, dass uns eine freundliche Dame am besten Tisch rechtzeitig Plätze reserviert hatte. Wir hatten also einen prima Überblick. Anschließend dann noch ins Restaurant. Frau Nelsen und die anderen Eingeladenen saßen auf den Ehrenplätzen der Staatstheaterfreunde und speisten, was die Karte an Köstlichkeiten so bot, zum Nachtisch ein kleines „Tiramisuchen“. Diese kleine Freude habe ich der blassen und noch leicht unter Grippemedikament-Einfluss stehenden Frau Nelsen von Herzen gegönnt.

5. März 2008

Wer war Johann Simon Mayr?


Rainer Rupp, Präsident der Internationalen Mayr-Gesellschaft, berichtete am 3.3.08
engagiert im Braunschweiger Theater über Leben und Werk Simon Mayrs, des Vaters der italienischen Oper, und stimmte die Zuhörer auf die Premiere der Fedra ein. 57 Mitglieder der Simon Mayr-Gesellschaft werden zur Premiere aus Ingolstadt anreisen. Die Radioübertragung wird vermutlich am 10.April stattfinden.

Die Braunschweiger Zeitung vom 5.3.08 schrieb:
Der vergessene Papa Mayr
Deutsche Erstaufführung der "Fedra" in Braunschweig nach 188 Jahren

Von Andreas Berger
Dass Rossini, Bellini und Donizetti einen Deutschen als "Vater der italienischen Oper" anerkannten, mag verblüffen. Johann Simon Mayr, 1763 bei Ingolstadt geboren, gehörte seinerzeit zu den erfolgreichsten Opernkomponisten. Regelmäßig wurden seine Werke an der Mailänder Scala aufgeführt, so 1820 seine "Fedra", die am 30. März im Staatstheater Braunschweig ihre späte deutsche Erstaufführung erlebt.
Die Grabrede für den 82-Jährigen hielt kein Geringerer als Giuseppe Verdi. Die Stadt Bergamo ließ den Leichnam ihres Wahlbürgers später an der Seite seines Schülers Donizetti in der Hauptkirche begraben. Doch Mayrs Nachruhm war kurz. Kein Werk überdauerte im Repertoire, nur selten wird eines seiner 600 Sakralstücke oder eine seiner 60 Opern noch aufgeführt. Es scheint, als sei Mayr aus der Musikgeschichte gefallen.
"Te Deum" für Napoleon
Wacker arbeitet die Simon-Mayr-Gesellschaft gegen dieses Vergessen an. Ihr Vorsitzender Rainer Rupp rührte jetzt auch in Braunschweig die Werbetrommel. Durch seinen Orgellehrer war er schon als Kind auf Mayr aufmerksam gemacht worden. Und schon galt es, eine Aufführung zum 200. Geburtstag in Ingolstadt zu organisieren. In München gab es immerhin eine konzertante "Medea". "Und in Bergamo ist Mayr noch sehr präsent", erzählt Rupp.
Er kann die wesentlichen Stationen von Mayrs Leben einfach so aufzählen. "Gelernt hat er bei seinem Vater, einem Dorf-Organisten. Doch statt die Freistelle in Wien zu nutzen, musste er zu den Jesuiten nach Ingolstadt. Gönner war ihm Baron de Bassus, ein bekannter Anhänger der aufklärerischen Sekte der Illuminaten. Als die verboten wurde, flohen beide nach Bergamo." Unterbrochen von wenigen Jahren in Venedig, bleibt Mayr dort ein Leben lang, nennt sich fortan Giovanni Simone und wird Kapellmeister der Hauptkirche.
"Dabei hätte er Direktor der Pariser Oper werden können", sagt Rupp. Napoleon hatte Mayrs zu seiner Krönung komponiertes "Te Deum" so gut gefallen, dass er ihm den Posten anbot. Doch der gemütliche Mann blieb lieber in Bergamo. Und dann kam Donizetti, ein armer kränklicher Knabe, der eigentlich nicht gut genug singen konnte für Mayrs Collegium, aber durch Gehörbildung auffiel. So wurde er denn sein Schüler, hielt seinem väterlichen Freund stets ehrendes Angedenken. Trotzdem: Mayr starb 1845 blind und verarmt. 1847 wurde zum letzten Mal eine Oper von ihm aufgeführt - in New York.
Wieso wurde Mayr so schnell vergessen? "In Italien stand er als Napoleon-Freund politisch auf der falschen Seite. Angesagt war die nationalromantische Strömung Verdis, die sich für die Befreiung Italiens einsetzte. Und für die Anhänger der neuen deutschen Musik etwa Wagners galt er als welscher Tüftler", erklärt Rupp.
Auch die Besetzung ist nicht einfach. "Für die Fedra braucht es eigentlich eine satte Mezzostimme, aber mit großer Höhengeläufigkeit", sagt Braunschweigs Operndirektor Jens Neundorf. Eine Tosca-Sängerin wird hier die Partie übernehmen. Neundorf hat motivische Parellelen zu Mozarts "Don Giovanni" entdeckt. Die Verspieltheit der Stimmführung und der Orchesterbegleitung lassen freilich vor allem an Rossini und Donizetti denken.
"Fedra" in Verdis Nachlass
Im Zuge der Belcanto-Renaissance der 80er gab es wenige konzertante Wiederbelebungen. Die Mayr-Gesellschaft bemüht sich um Neu-Editionen der Werke, die oft nur in alten Abschriften erhalten sind. "Eine ,Fedra?-Kopie fand sich übrigens in Verdis Nachlass", erzählt Rupp. Braunschweig sollte also einen guten Griff getan haben.
Premiere am 30. März im Großen Haus. Karten: (0531) 1 23 45 67.
Braunschweiger Zeitung, 5. Maerz 2008, Kultur, Seite 16, (Original-Zeitungsseite im pdf-Format)