5. Juli 2008

Vincenzo Bellini: "I Capuleti e I Montecchi" in Rheinsberg

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Ein Bericht über die Aufführung der Kammeroper Schloss Rheinsberg am 28. Juni 2008. Unser Besuch erfolgte im Rahmen einer Reise des „Besucherrings“ des Staatstheaters Braunschweig unter bewährter Leitung von Andrei Petrov.

Eigentlich sollte die konzertante Vorstellung im Schlosshof mit Blick durch die Kolonnaden auf das Schlossparterre und den Glienitzsee stattfinden; sie musste wegen des schlechten Wetters jedoch verlegt werden.
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Somit war die Oper nun in der neuen Siegfried-Matthus-Arena im Hafendorf Rheinsberg zu erleben – nach Meinung der Opernfans aus Braunschweig kein Nachteil, konnte man in den ersten Reihen doch vorzüglich das Zusammenspiel des jungen Dirigenten Alexander Joel mit seinen Sänger-Solisten miterleben und hatte auch einen ungehinderten Blick auf das in stattlicher Zahl zusammen mit den Herren des Opernchors angereiste Staatsorchester Braunschweig, laut Programmheft „eines der ältesten Kulturorchester der Welt“, hervorgegangen aus der im Jahre 1587 von Herzog Julius zu Braunschweig/Wolfenbüttel gegründeten Hofkapelle.
Das Orchester hatte am Vortag eine Operngala in Braunschweig zu bestreiten, das hinderte es nicht, mit Hingabe und Aufmerksamkeit dem Werk des früh vollendeten zarten, blond gelockten und bereits im Alter von 33 Jahren an einer chronischen Darmkrankheit verstorbenen Bellini (1801-1835) zu huldigen.
Das Programmheft zeigt ein Portrait des Komponisten und bringt Auszüge aus Heines „Floretinischen Nächten“ (1836), Cristina_Belgiojoso die sich unter anderem mit Bellinis patriotischer Bewunderung für die „Barrikadenkämpferin, Pariser Salonkönigin und Historikerin“, der Mailänder Prinzessin Cristina Belgiojoso, beschäftigen. Zwei Tage vor der Rheinsberger Aufführung brachte die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ Nr. 27/2008 ein ganzseitiges bebildertes Gedenken an diese „Fürstin der Freiheit“ zu ihrem 200. Geburtstag mit gleich lautenden Passagen aus den „Florentinischen Nächten“ wie im Programmheft, dazu ein hinreißendes farbiges Portrait dieser zu ihrer Zeit berühmten Bellini-Freundin.
Nun zu den Solisten unserer Aufführung. Anmerkung vorweg: Stolz vermeldet das Programmheft die bisherigen Erfolge seiner bei ihrem Start in Rheinsberg noch unbekannten Sänger. Da liest man eine lange Liste bekannter Stars, alle ehemalige Preisträger des internationalen Gesangswettbewerbs, der seit 1991 regelmäßig durchgeführt wird, unter ihnen herausragende Namen wie Annette Dasch und Olga Peretyatko. Auch für die in diesem Jahr aufgeführten Werke konnte die Jury aus wiederum circa 400 Bewerbern etwa 30 Preisträger auswählen. So verwundert es nicht, dass sämtliche Rollen der Bellini-Oper gleichwertig gut besetzt waren.
Die Stimmen harmonierten wunderbar miteinander. Auch in dieser Inszenierung fesselten wiederum besonders die lyrischen Passagen, allen voran die traumhaften Duette der Giulietta und des Romeo, in denen beide inmitten des Kampfgetümmels der verfeindeten Clans und vor dem Hintergrund von Gefahr und nahendem Tod ergreifend ihre Liebe besingen. Takado Onodera, geboren 1976 in Japan, gab den Romeo. Das Programmheft hebt ihre reiche Konzerterfahrung hervor. In der besuchten Aufführung konnte man sich darüber hinaus von ihrer herausragenden Ausdruckskraft überzeugen, die sie für Oper zu prädestinieren scheint. Sie lebte förmlich in der Rolle, ihr weicher glutvoller Mezzo ging unter die Haut. Giulietta wurde mit mädchenhafter Zartheit von Clara Soojoo Lim, 1980 in Südkorea geboren, verkörpert. Zu Beginn verhalten, steigerte sie sich binnen kurzem. Bei ihr fiel mir die Musikalität auf, mit der sie fast unerwartet in den für Bellini typischen langen melodischen Bögen die Tiefen der Rolle auslotete. Giulietta war hier nicht nur das naive Mädchen, das ungestüm seiner Liebessehnsucht nachgibt, sondern zugleich die reife Frau, die bewusst Todesgefahr auf sich nimmt. Kein Wunder, dass auch beim Publikum die beiden Damen besonders beklatscht wurden.
Dabei waren die Herren ebenfalls hervorragend besetzt. Man weiß nicht, mit wem man beginnen soll, vielleicht mit Joon-Young Kim als Giulettas Vater Capelio, ebenfalls 1980 in Südkorea geboren. In Hochschulproduktionen hat er schon anspruchsvolle Bassrollen gestaltet, und in Rheinsberg konnte man sich von seinem Potential überzeugen: Eine volltönende bewegliche Stimme, die sich sehr gut in das Solistenensemble einfügte. Auch der Finne Iikka Leppänen als Lorenzo, ausgerüstet mit warmer und geschmeidiger Spiel-Bass-Stimme, ließ aufhorchen, ebenso wie Sylwester Targosz-Szalonek aus Polen, geboren 1979, in der Rolle des Tebaldo. Mit seinem beherzt eingesetzten schönen Tenor brillierte er von Anfang an leidenschaftlich „ohne Netz und doppelten Boden“ als glückloser Bewerber um Giulettas Hand. Bei der scheinbar ohne Anstrengung wohlklingenden Stimme hätte ich mehr vorsichtige Zurückhaltung erwartet und wurde angenehm überrascht. Ebenso wie die beiden Damen verdienen sämtliche Sänger dieser Produktion weitere Engagements in den Opernhäusern und für einige würde ich mir wünschen, dass sie sich als feste Ensemblemitglieder bewähren.
(Premiere dieser konzertanten Aufführung im Staatstheater Braunschweig am 4. Okt. 2008)
(Autorin: Astrid Fricke)

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