Erste öffentliche Aufführung der Oper "Don Giovanni – Il convitato di pietra" - Der Steinerne Gast - von Giovanni Pacini
Giovanni Pacini (1796 in Catania geboren, 1867 in Pescia gestorben), ein Zeitgenosse Rossinis und nur wenige Jahre jünger als dieser, schrieb im Jahre 1832 für einige seiner Verwandten und Freunde die Musik zu einer kleinen Oper, einer „Farsa“, die nach ihrer privaten Uraufführung in der Sommerresidenz des Freundes und Gönners Belluomini in Viareggio in der Versenkung verschwand und nun erstmalig wieder in Bad Wildbad aufgeführt wurde. Giovanni Pacini war mit über 80 Opern einer der produktivsten Komponisten der Belcanto-Ära, und es verwundert daher nicht, dass er imstande war, zum Geburtstag seines Vaters eine Oper zu komponieren, die dann auch aufgeführt wurde! „Ihr wollt eine Oper?“ könnte er gefragt haben, „machen wir uns doch eine!“ Und Pacini wählt den Don-Giovanni-Stoff und besetzt die Rollen mit Mitgliedern und Freunden der Familie und dies nach Meinung der Regisseurin Anke Rauthmann nicht ohne Hintergedanken! Der Vater, das stolze Familienoberhaupt, muss den Diener spielen, während Pacinis Bruder die Rolle des Don Giovanni übernimmt. "Der Vater beginnt zu ahnen, dass sein Sohn mit diesem Don Giovanni-Spiel ein Exempel statuieren will, um ihn, den Patriarchen, an seinem Geburtstag als einen alten Don Juan zu entlarven."
Das kleine Kurtheater ist fast vollständig renoviert und die große Mühe, die sich Förderkreis und Sponsoren gemacht haben, hat sich gelohnt. Das Kurtheater strahlt in neuem Glanz, insbesondere die Deckenmalerei in roten und grauen Farbtönen bezaubert. Das kleine Werk über den Verführer Don Giovanni, der wie bei Mozart am Ende vom Steinernen Gast die gerechte Strafe erhält und sein Leben aushaucht, stellte für mich die gelungenste Inszenierung des diesjährigen Festivals dar, auch wenn die Bedeutung des kleinen Werks bei weitem nicht an die einer „großen Oper“ heranreicht. Die Bühne, geschaffen von Britta Blanke, wurde beherrscht von einer schrägen, wie ein Bild gerahmten und mit einer goldglänzenden Girlande geschmückten Fensterfront mit Lamellen und Tür in der Mitte. Davor ein riesiger Tisch mit weißer Tischdecke, der ab und zu unauffällig beiseite geschoben wurde, um Raum zu schaffen. Ein Bühnenbild von großer, klassischer „clarté“. Dieses großartige, schlichte Bühnenbild ließ sich übrigens hervorragend für den musikalischen Pappataci-Spaß und „Tenor/Bass-Sängerwettstreit“ verwenden, der anderntags hier stattfand.
Öffnen sich die Lamellen dieser „Fenstertür“ im „Don Giovanni“ dann und wann ein wenig, so wird der voyeurhafte Blick auf ein ansonsten verborgenes Innenleben der Protagonisten ermöglicht, die insgeheim ihren triebhaften Neigungen nachgehen, während im Vordergrund die Etikette gewahrt bleibt. So tanzt die Hochzeitsgesellschaft zusammen mit Masetto und Zerlina, wie es Brauch ist, Donna Anna räkelt sich sinnlich, während gleichzeitig nicht nur Don Giovanni, sondern auch alle anderen Mannsbilder bis auf den treuen Masetto hinter dem Rücken der anderen „Jagd“ auf alles machen, das einen Rock trägt. Und diese zweite Realität einer vergnügungssüchtigen Gesellschaft wird nicht platt ausgewalzt, sondern nur in kurzen Sequenzen erhellt und ans Licht gezerrt – während vorne, wie gesagt, die Contenance gewahrt bleibt.
Ein Mozart-Vergleich verbietet sich. Bei Pacini geht es „nur“ um die Unterhaltung seiner musikalischen Sänger- und Komponistenfamilie. Das spaßige Element, das auch Mozart in der Figur des Leporello eingebaut hat, wird ausgewalzt. Dennoch waren sich alle Besucher einig: Es gab herrliche Musik zu erleben, eine typische Belcanto-Oper aus der Rossini-Zeit.
Leonardo Cortellazzi verkörperte einen lässigen Don Giovanni voller Charme und Grazie in Stimme und Auftreten. Dämonie sucht man vergebens, fast empfindet man Mitleid mit seinem Ende. In Erinnerung bleibt seine klangvolle Tenor-Stimme. Was er vermag, zeigte sich übrigens auch deutlich bei der Pappataci-Aufführung am folgenden Tag und ganz besonders ließ sein intensiver Auftritt als Gondoliere in der Wildbader Otello-Produktion aufhorchen. Michael meint übrigens, dass „Una furtiva lacrima“, anderntags von Cortellazzi bei „Pappataci“ gesungen, zu den zwei besten Live-Darbietungen dieser berühmten Donizetti-Arie seines Lebens gehört – und Michael versteht etwas von Stimmen!
Donn` Anna wurde von Geraldine Chauvet gesungen, ein traumhaft weicher glutvoller Alt! Zinovia-Maria Zafeiriadou gab die Zerlina, als Masetto und Commendatore überzeugte Ugo Guagliardo, Giulio Mastrotataro als Ficcanaso (bei Mozart Leporello) belebte als gebeutelter Diener und glänzte wie bei Mozart ebenfalls in einer witzigen „Registerarie“.
Eine nicht unbedeutende Rolle spielten die Tanzszenen. Sie vermochten mit einer innovativen Gebärdensprache und schlangengleichen Körperbewegungen die Absicht der Regisseurin zu verdeutlichen, dass es in dieser „Familiengeschichte“ um mehr als bloße Unterhaltung geht. Es traten auf: Kornelia Gocalek/ Hausmädchen, Krankenschwester, sowie Patrick Wurzel als Hausdiener. Kornelia Gocalek hat bereits mehrfach mit Anke Rauthmann, der Regisseurin des Wildbader Don Giovanni, zusammengearbeitet. Ich wünschte, beide hätten noch oft die Gelegenheit, ihr Können in Operninszenierungen zu zeigen.
Mit Rhythmus im Blut wiederum der Chor: Philharmonischer Chor Transilvania Cluj. Die musikalische Leitung oblag Daniele Ferrari, es musizierte das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim.
Autorin: Astrid Fricke, Mitwirkung esg; besuchte Vorstellung im Kurtheater Bad Wildbad am 18. Juli 2008.
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