Im Rahmen des Festkonzertes aus Anlass des Jubiläums "20 Jahre Rossini in Wildbad" am 20. Juli 2008 wurden zum gleichen Thema zwei unterschiedliche Werke aufgeführt. Zum einen die bejubelte Uraufführung "KOLONOS" von Wolfgang Rihm und zum anderen Rossinis "Edipo a Colono".
Die Grundlage für Rossinis Auftragswerk "Edipo a Colono" bilden die von dem Literaten Giambattista Giusti in ein sangbares Italienisch transponierten Verse des antiken griechischen Dichters Sophokles. Das zunächst unvollständige Werk wurde höchstwahrscheinlich von Rossini zwischen 1840 und 1843 selbst vervollständigt und nicht von einem unbekannten Mitarbeiter.
Im Programmheft heißt es in der Überschrift: "Rossinis Edipo a Colono – Befremdendes Ergebnis eines Experiments". Das klingt intellektuell und abgehoben, ist es aber nicht. Singt ein Bass wie Lorenzo Regazzo den Corifeo in Rossinis Schauspielmusik zur Tragödie des Sophokles, stellt sich Ergriffenheit ein. In tiefen klagenden Tönen wird das Schicksal des blind in Kolonos umherirrenden Ödipus geschildert. Da geht es um eine Natur, die er nicht mehr sehen kann, um eine Begegnung mit dem Totenreich vor dem endgültigen Verlöschen. Das wird akzentuiert durch eine fein ausgearbeitete Orchesterbegleitung. Streckenweise bildet heller Geigenklang einen eindrucksvollen Gegensatz zu der vom Gesangssolisten ausgedrückten Trauer. Diese Musik, mit Männerchor untermalt, erinnert vordergründig überhaupt nicht an Rossinis eher diesseitiges Opernschaffen. Die Stimmung von Fremdheit und Verlassenheit, die auch Rihms anschließend aufgeführtes Stück „Kolonos“ mit dem Altus Matthias Rexroth auszeichnet, wird durch die seltsamen, gleichwohl auch in der Übertitelung verständlichen Texte verstärkt. Ein tief beeindruckendes Werk! Das Dirigat lag wiederum in den bewährten Händen Antonino Foglianis.
In 3sat wurde ein kurzer Filmbeitrag zum Festkonzert gesendet. Hier direkt zum Filmabruf.
Autorin: Astrid Fricke unter Mitwirkung von Dieter K.
Danke. Astrid, für die schönen Berichte aus Bad Wildbad. Hier ein paar ergänzende Worte zu der ziemlich unklaren Entstehungsgeschichte von „Edipo a Colono“. Rossini schrieb die Musik im Auftrag seines Freundes Giambattista Giusti, der selber die Übersetzung von Sophokles vorgenommen hat. Jedoch überließ der Komponist dem Dichter ein Autograph, das nur eine rudimentäre Orchestrierung aufwies; Giusti beklagte sich über den „Betrug“ in der ersten Druckausgabe seines „Edipo“ von 1816. 1818 scheinen sich die beiden aber versöhnt zu haben: Giusti hatte seine Übersetzung auf Anraten von Freunden verbessert und Rossini ließ einige dieser Korrekturen in sein Autograph einfließen; gleichzeitig ließ er von einem Mitarbeiter die Orchestrierung vornehmen, wobei er selber punktuelle Ergänzungen in der Orchestrierung vornahm. Wir kennen die Identität dieses Mitarbeiters nicht, aber aufgrund der Notenschrift muss es sich um denselben Mitarbeiter handeln, der Rossini auch bei der Komposition von „Adina“, die ebenfalls im Sommer 1818 entstanden ist, unterstützt hat. In dieser Form gab Rossinis das „Edipo“-Manunskript an Giusti zurück. Später gelangte es an den Komponisten Vincenzo Gabussi, der es seinerseits an den französischen Verleger Masset – Mitarbeiter von Rossinis langjährigem Pariser Verleger Troupenas – verkaufte. Masset legte das Manuskript 1843 Rossini vor, der ihm die Publikationsrechte einräumte; später schenkte es Masset dem Troupenas-Nachfolger Brandus. In der Zwischenzeit hatte Troupenas Rossini dafür gewinnen können, zwei Chöre aus „Edipo“, ergänzt durch eine Neukomposition, unter dem Titel „Trois chœurs religieux“ herauszugeben (1844).
AntwortenLöschen„Edipo a Colono“ zusammengefasst:
- komponiert 1815
- revidiert 1818
- orchestriert 1818 von einem unbekannten Musiker unter Aufsicht von Rossini
- Verwendung zweier Chöre für die „Trois chœurs religieux“ 1844
Reto Müller, 24.07.08
Vielen Dank, lieber Reto, für deine Hinweise zur Entstehungsgeschichte dieses wunderbaren Werkes! Astrid
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