Wir erlebten eine Aufführung im Kurtheater Bad Wildbad mit einem überragenden Savio Sperandío als Mustafa. Mit seinem wohl tönenden Bass bewältigt er die schwierigsten Koloraturen und im Schnellgesang geht ihm keine Silbe verloren, wie man auch in der Pappataci-Aufführung am 19. Juli feststellen konnte. Auch darstellerisch war er ein Ereignis. Mit großer Delikatesse zeigte er, dass Mustafa nicht nur ein eitler und letztlich unsicherer Macho ist, sondern auch ein großherziger Verlierer, dem man schließlich sogar abnimmt, dass er die stolze Italienerin Isabella ziehen lassen kann und sein Herz für die ebenfalls gewandelt aus allen Verwicklungen hervorgehende orientalische Ehefrau Elvira wieder entdeckt. Neben allen „Verrückheiten“ dieses „albernen“ Stoffes steckt also mehr dahinter, nämlich eine allgemein gültige Analyse festgefahrener Beziehungen und „exotischer“ Versuchung. Nur Klamauk? Nein, damit wird man diesem Feuerwerk an Situationskomik und witzigen Einfällen nicht gerecht.
Elsa Giannoulidou war eine dem Mustafa ebenbürtige Isabella, ihr Mezzosopran ließ keine Wünsche offen. Im roten Reisekostüm und später in ebenso rotem Kleid, entworfen von Claudia Möbius, beherrschte sie auch optisch mit koketter Noblesse die Bühne. Als strahlender Tenor mit ausdrucksvollem Liebesschmachten und perlenden Koloraturen glänzte an ihrer Seite Pablo Antonio Martín Reyes in der Rolle des Lindoro, des "Lieblingssklaven des Beys" Mustafa. Er ist Finalist bei Domingos im September stattfindender "Operalia" und war "Cover" für Florez beim letztjährigen Otello in Pesaro, gehört also bereits zu den Arrivierten. Isabellas Erziehungsversuchen auf dem Weg zur selbstbewussten Ehefrau fügte sich letztlich Ruth Gonzalez als bemitleidenswerte Elvira, die Gattin des Beys. Ihr heller Sopran ließ sogleich aufhorchen. Ihre hohen Töne erschienen mir zuweilen schrill. Dennoch war ich insgesamt mit der Wahl dieser flinken kleinen Sängerin zufrieden, weil sie stimmlich Jammer und Leid der verstoßenen Ehefrau des Mustafa auch in den Ensembleszenen unüberhörbar machte. Loriana Castellano in der Nebenrolle der Zulma gefiel mir außerordentlich, ich war jedes Mal betrübt, wenn ihr Auftritt vorbei war. Stefan Hagendorn als Haly, Kapitän der algerischen Korsaren (in der Inszenierung „Chef der Security“), war mir bereits aus Braunschweig bekannt, wo er in einer Cenerentola für Kinder sein Können bewies. Taddeo wurde tadellos von David Mc Ferrin gesungen. Ihn verschlug es als Isabellas Begleiter in das Reich des Bey Mustafa; er überzeugte mit flüssig perlenden Läufen und viel Spielwitz.
Das Dirigat des jungen Japaners Ryuichiro Sonoda, äußerlich ein ähnlicher Dirigententyp wie Fogliani (Otello), war sicher und überzeugend. Mit großer Sensibilität hatte er seine Leute im Orchester im Griff. Die Tempi waren zu Beginn behutsam, aber nicht lahm, Spannung wurde dann unaufhaltsam aufgebaut und nicht mehr fallen gelassen.
Während die Personenregie die Verunsicherung der Protagonisten durch das teils unfreiwillige Aufeinanderprallen zweier Welten glaubhaft machte und den Sängern auch darstellerisch Differenzierungen abverlangte, gefielen mir Ausstattung und Bühnenbild nicht. Die Handlung spielte im ach so exotischen Dubai. Eine Damen-Putzkolonne war am Werk, im Hintergrund lief immer jemand herum und störte bei der Darbietung der schönsten Arien. Der Security-Chef prüfte und konfiszierte, und Männer in Pilotenanzügen trugen kleine Flugzeuge an Stecken über die Bühne, denn nach Dubai fliegt man bekanntlich und kommt nicht mit dem Schiff. Spätestens an dieser Stelle fühlte ich mich an Schülertheater erinnert. Schreiende unharmonische Farben, riesige rote Kissen, die umherfliegen, gebastelte Hüte, die nicht sitzen wollen und mit der Hand festgehalten werden müssen, viel Gerümpel auf der Bühne. Das störte einige mehr, andere weniger. Ich weiß allerdings von Besuchern, die auch an dem viel Vergnügen hatten, was zu sehen war.
Autorin: Astrid Fricke unter Mitwirkung von esg; besuchte Vorstellung am 16. Juli 2008
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