12. Juli 2010

Herzlichen Glückwunsch! - Nicolai Gedda zum 85. Geburtstag

Vor fast fünfzig Jahren habe ich ihm schon einmal zum Geburtstag gratuliert, - damals noch per Post, und die schwärmerische Schülerin, die gerade das Wunderreich von Oper und Klassik betreten hatte, bekam ein nettes Dankeschön:



Kaum hatte mein “Opernleben” begonnen, das mich auch sehr bald in Konzerte und Liederabende führte, hatte ich das große Glück, am 1. November 1960 zum ersten Mal Nicolai Gedda in der Hamburger Musikhalle zu erleben. Ich glaube, es war auch sein erster Auftritt in Hamburg, und die Presse machte seinerzeit viel Aufhebens. In meinem Tagebuch klebt ein Zeitungsausschnitt mit einem Foto Geddas neben zwei Werftarbeitern: “Konzertprobe vor dem Schneidbrenner - Gedda singt auf der Werft, doch der Schneidbrenner ist stärker - Der Hamburger Sängerkrieg - Nach Mario del Monaco heute Nicolai Gedda“.

Welch ein absurder Vergleich! Ich war sofort fasziniert von diesem innigen Tenorgesang Geddas. Das Taschengeld wurde umgehend in eine teure LP mit Mozartarien investiert, - unzählige Male gespielt (und zum Leidwesen meiner Mutter oft auch mitgesungen, kaum war ich aus der Schule nach Hause gekommen), alle Phrasen noch heute im Ohr und für mich immer noch ein Wunder an beglückendem Mozartgesang.

Mit dem Postillon von Lonjumeau hatte Geddas Karriere begonnen, die ihn kometenhaft schnell von Stockholm an die Scala di Milano und danach an alle großen Opernhäuser der Welt führte.



Französisches, russisches, deutsches und italienisches Opernrepertoire, Lieder und geistliche Werke, auch die Operette - eine immense Diskographie und die Videos bei YouTube bezeugen Geddas stets stilsichere Vielseitigkeit.

Beispielhaft insbesondere auch seine Interpretation der Arie des Lenski aus Eugen Onegin, unvergleichlich bewegend gesungen in der Nachfolge der großen russischen Tenöre - zuletzt Sergej Lemeshev und Ivan Koslovski - unter Einsatz der Stilelemente einer dort lebendig gebliebenen Belcantotradition, wie man diese Szene heutzutage auch nicht annähernd mehr zu hören bekommt (mir fällt da als bemerkenswert stilsichere Ausnahme eigentlich nur der australische Tenor Steve Davislim bei einem Auftritt 2007 in der Hamburgischen Staatsoper ein).


In den folgenden Jahrzehnten hatte ich noch häufiger das Glück, Nicolai Gedda in Hamburg zu hören: mehrere Liederabende, Verdis Messa da Requiem, ein Gala-Konzert mit Opernarien, mit dem Don Kosaken Chor ein wunderbares Galakonzert zur Erinnerung an Serge Jaroff und (in dem akustisch schrecklichen CCH) in einer Tournee-Inszenierung von Lehars Das Land des Lächelns. In einer Opernaufführung auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper hat er meines Wissens nur als Tamino in Mozarts Zauberflöte gastiert; diese Hamburger Inszenierung von 1971 mit Gedda, Mathis, Deutekom, Sotin, Workman, Grundheber unter Horst Stein wurde vom NDR für das Fernsehen im Studio nachproduziert und ist jetzt auf DVD veröffentlicht:




Sein letzter Auftritt in Hamburg war sein Solo-Abend in der Hamburgischen Staatsoper am 19. Januar 1998, bei dem er noch einmal mit seiner großartigen Gesangskultur beglückte.

1998 erschien seine Autobiographie. In der Folgezeit hat er dann als Lehrer sein Wissen weitergegeben...



...und auch jetzt als nunmehr alter Herr ist er noch aktiv, - hier ein Foto aus dem Jahr 2008 mit seinem Schüler Stefan Heibach (der diese Spielzeit in Schwerin als sehr bemerkenswerter Lyonel in Flotows “Martha” zu hören war):


"Heute fühle ich mit meinen fast 75 Jahren ein ungeheures Glück, wenn ich morgens erwache und die Vögel draußen im Garten singen höre, wenn ich aufstehen und immer noch gesund und munter sein kann. Ich bin dankbar für jeden Morgen, an dem ich aufwache und meine Lebensgefährtin singen höre, wenn sie in den Zimmern umhergeht und sich zu schaffen macht. Ich begreife, daß man nicht in gleicher Weise wie früher etwas ersehnen kann, das in der Zukunft geschehen wird, da ich mir bewußt bin, daß die Zukunft dasselbe ist, wie ein Tag näher dem unausweichlichen Ende. Man kann nur demütig auf noch einen sonnigen Tag, vielleicht auf noch einen Frühling hoffen."
Seit diesen Schlussworten Geddas in seiner Autobiographie sind nun bereits über zehn Jahre vergangen. Am 11. Juli 2010 vollendete Nicolai Gedda sein 85. Lebensjahr. Für das neue Lebensjahr die besten Wünsche und Freude an den noch kommenden sonnigen Tagen!

1 Kommentar:

  1. Wie schön! Was für eine anrührende Hommage an einen großen Künstler aus der Feder von jemandem, der offensichtlich Musik und die Gesangskunst wirklich liebt und das kunstliebende Herz auch auf der Zunge zu tragen versteht.
    Wir erfahren von der lebenslangen Teilnahme an den Stationen einer Künstlerlaufbahn, die auch für andere, nicht zuletzt für mich, eine Bereicherung des eigenen Lebens gewesen ist.
    Dem hier ausgesprochenen Dank dafür wird sich sicher jeder anschließen, dem das, was uns dieser Künstler geschenkt hat, wichtig ist.
    Hoffen wir, dass Nicolai Gedda von diesen schönen Worten erfährt - sicher wird er sich auch diesmal seiner Verehrerin gegenüber dankbar erweisen.

    clou

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