Cecilia Bartoli, Thomas Hengelbrock
John Osborn, Rebeca Olvera, Cecilia Bartoli (Fotos: privat)
Unseren spontanen Entschluss haben wir nicht bereut. Spätestens beim jubelnden Pausenapplaus war uns klar, in einer ungewöhnlichen und fesselnden Aufführung zu sein. Natürlich war es für die Bartoli ein großes Wagnis, die Rolle der Norma angesichts berühmter sängerischer Vorbilder wie Maria Callas, Anita Cerquetti oder in der Gegenwart Hasmik Papian neu zu deuten und zu gestalten. "Kann das ein Mezzo überhaupt??" Das wird sich außer uns noch so mancher gefragt haben.
Ja, sie konnte.In den letzten Jahren beschäftigte sich die Sängerin mit dem Repertoire der italienischen Romantik, insbesondere mit dem der Maria Malibran. Ganz konnte die Bartoli ihre künstlerische Herkunft als Sängerin von Barock- und Rossini-Opern nicht verleugnen. Die Gestaltung des facettenreichen Charakters der Norma gelang ihr aber so bewusst und überzeugend, dass dies nicht nur uns in Erstaunen versetzte. Gerade der Charme des Andersseins durchströmte mitreißend ihre Darbietung.
Zwar färbte Cecilia Bartoli zu Beginn von "In mia man alfin tu sei..." ihre Stimme etwas unnatürlich und guttural ein, wohl um Zorn und Verachtung Normas zum Ausdruck zu bringen, doch das war letztlich ein Zeichen dafür, dass sie diese Facetten der Gefühlsregungen Normas wirklich erkannt und verinnerlicht hatte. Die Gestaltung der lyrischen Teile entspricht wohl eher ihrem Naturell als das Aufbrausende, die Wut oder der Hass. Letztere Gefühlsmomente hat sie sich sicher ernsthaft erarbeiten müssen. Gesang und Gestaltung blieben über den gesamten Abend wohltuend frei von jeglichem artifiziellen Gehabe.
Besonders hervorzuheben ist die Verwendung der Originalpartitur. Diese und die damit verbundene tiefer liegende Instrumentenstimmung mögen es ihr erleichtert haben, die Klippen von Spitzentönen sicher zu umschiffen, obgleich insbesondere bei Abwärtsskalen hier und da die Tonfolge etwas verhuscht klang.
Dank der Verwendung des musikalischen Originals dieser Bellini-Oper bekamen die gebannten Zuhörer Soloinstrumente, rhythmische Verfeinerungen und dynamische Differenzierungen zu hören, die seit sehr, sehr langer Zeit im Theateralltag unter den Tisch gefallen oder eliminiert worden waren. Hier ist in erster Linie dem Dirigenten Thomas Hengelbrock zu danken, der eine Dirigentenpersönlichkeit unserer Zeit mit musikwissenschaftlichem Forscherdrang und interpretatorischer Experimentierfreude ist. Seine subtile und spannungsvolle Ausdeutung der Partitur brachte dem Publikum insbesondere in den langen Vorspielen mit Soloeinlagen verschiedener Instrumente die Schönheit der Bellinischen Melodie eindringlich nahe. Das Orchester wurde so zu einem idealen Begleiter der Sängerinnen und Sänger.
Die übrigen Protagonisten waren adäquat und trefflich ausgewählt, voran Rebeca Olvera, die in dem Duett "Mira, o Norma..." ihre gesangliche Höchstleistung an diesem Abend bot und eine ideale Partnerin der Bartoli war. John Osborn war als Pollione insbesondere in den lyrischen Szenen überzeugend und einfühlsam. Allerdings fehlte seiner Stimme die erforderliche Härte und Strahlkraft, um auch die herrische Facette seiner Figur des römischen Statthalters hörbar werden zu lassen. Der basso cantante Michele Pertusi, Rossinifreunden als Interpret vieler Rollen des Pesaresen wohlbekannt, sang seine Soli als Oroveso klangschön, markig und prägnant. Die Norma-Vertraute Clotilde, Irène Friedli, und Polliones Freund Flavio, Tansel Akzeybek, ergänzten das Ensemble.
Höchstes Lob ersang sich auch der Chor. Mit seinem transparenten Klang meisterte er vorzüglich sowohl die intimen wie martialischen Stellen seines Partes. Überschäumender, nicht enden wollender Applaus am Ende der Vorstellung, wobei die stehenden Ovationen nicht allein Cecilia Bartoli als Star des Abends galten, sondern auch ihren übrigen ausgezeichneten Mitstreitern. (Hinweis: Auf Youtube ist eine aus dem Jahr 2008 stammende Interpretation der "Casta Diva" durch Cecilia Bartoli zu hören)
Höchstes Lob ersang sich auch der Chor. Mit seinem transparenten Klang meisterte er vorzüglich sowohl die intimen wie martialischen Stellen seines Partes. Überschäumender, nicht enden wollender Applaus am Ende der Vorstellung, wobei die stehenden Ovationen nicht allein Cecilia Bartoli als Star des Abends galten, sondern auch ihren übrigen ausgezeichneten Mitstreitern. (Hinweis: Auf Youtube ist eine aus dem Jahr 2008 stammende Interpretation der "Casta Diva" durch Cecilia Bartoli zu hören)
Dieter Kalinka (Besuchte Vorstellung am 01. Juli 2010)
Lieber Herr Kalinka,auch ich war an diesem 1. Juli in der mir unvergesslich bleibenden Normavorstellung. Aber im Gegensatz zu Ihnen, dem anfäglichen Skeptiker, voller erwartungsfroher Zuversicht.
AntwortenLöschenUnd dennoch war ich wieder einmal über das darstellerische und gesangliche Potential diese Ausnahmesängerin ,die ich schon oft erlebt habe,überrascht. Was für eine Norma. Und was für eine Sternstunde des Belcantogesanges aller Mitwirkenden. Sie haben es treffend beschrieben. Allerdings kann ich einige Ihrer Eindrücke, C. Bartoli betreffend, nicht teilen. Sie schreiben von einigen "verhuschten Abwärtsskalen". Diese konnte ich nicht ausmachen, ganz im Gegenteil, mir hat besonders ihr sehr sauberes Legato bei diesen Abwärtsskalen gefallen, auch ihre häufig eingesetzte messa di voce bei länger ausgehaltenen Noten im Cantabile war makellos sicher geführt und sehr beeindruckend in der jeweils unterschiedlichen musikalischen Aussage.
Das nächste Konzert mit Cecilia Bartoli ist übrigens im November in Essen. Dort wird sie das Sacrificium-Programm geben. Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen. Mit herzlichen Grüßen
Cecifan
Good Afternoon
AntwortenLöschenAwesome post, just want to say thanks for the share