28. März 2010

Triumph für Donizettis "Caterina Cornaro"

Zweitausend Belcanto-Fans feierten Nelly Miricioiù

Concertgebouw in Amsterdam (Foto: mikebm)

Es ist Samstagmittag, kurz nach 13 Uhr. Im wie so oft bei den konzertanten Opernaufführungen der “ZaterdagMatinee“ ausverkauften Concertgebouw in Amsterdam warten knapp 2000 Belcanto-Fans auf den Beginn der Donizetti-Oper "Caterina Cornaro". Von oben schreiten jetzt Sängerinnen, Sänger und Dirigent die zahlreichen Stufen zum Podium hinunter, begleitet von herzlichem Begrüßungsbeifall. Dieser steigert sich zum Orkan, als die erste Sängerin, eine gut aussehende, wenn auch nicht mehr ganz junge Dame ihr Notenpult erreicht. Bravarufe werden laut - “Nelly is back“. Nelly Miricioiù und die “Zaterdag- Matinee“: das ist eine lange “Liebesbeziehung“, die 1985 begann und über 25 Jahre hinweg unvergessliche Opernnachmittage garantierte. Meist verkörperte die in England lebende gebürtige Rumänin Heroinen des Belcanto (u.a. die Armida und Semiramide von Rossini, Donizettis Anna Bolena, Lucrezia Borgia, Maria Stuarda und Elisabetta sowie Bellinis Norma und Imogene ).

Nelly Miricioiù nach der Aufführung am 20.3.2010 
(Foto: Frits de Reuter im Blog von Nelly Miricioiu)

Auch Caterina Cornaro war eine jener historischen Frauengestalten, deren Schicksal offensichtlich vor allem in den 1840er Jahren Komponisten magisch anzog: Denn außer Donizetti schrieben u.a. Halévy, Balfe und Pacini Opern über die “Königin von Cypern“. Caterina stammte aus Venedig, wurde 1472 im Alter von 18 Jahren mit dem König von Zypern verheiratet, der 2 Jahre später einem Giftanschlag zum Opfer fiel. 15 Jahre lang herrschte sie nun allein über die Mittelmeerinsel, bis sie auf politischen Druck und mit sanfter Gewalt gezwungen in ihre Heimat zurückkehren musste. Als Entschädigung erhielt die junge Frau das nordwestlich von Venedig gelegene Städtchen Asolo, das sie mit großem Engagement und Unternehmungsgeist in kurzer Zeit für seine Bewohner zu einem lebenswerten Fleckchen Erde ausbaute. Vor allem aber machte sie, indem sie Künstler aller Sparten nach Asolo einlud, ihr kleines Reich zu einer Art Kulturhauptstadt Europas. Ihr Leben verbrachte sie – so der Dichter Pietro Bembo – „Tag für Tag mit Musik, Gesang, Tanz und prächtigen Gelagen“ in dem von ihr errichteten Barco, einer Villa, die auch heute noch existiert.

Caterina Cornaro (Foto: Wikipedia)

Nun also präsentierte sich Nelly Miricioiù  als Caterina Cornaro in der letzten Oper des Meisters aus Bergamo, die zu seinen Lebzeiten auf die Bühne kam (1844 in Neapel). Und man merkte schnell: immer noch (sie wird in diesen Tagen 58 Jahre alt) ist die Stimme dieser Ausnahmesängerin jederzeit in der Lage, in wunderbarer Weise Text und Emotionen in Musik und Töne zu fassen. Bei dramatischen Passagen klingt sie gelegentlich etwas klirrend, kann aber anscheinend mühelos alle vorgesehenen bzw. handlungsrelevanten Spitzentöne abrufen. Kein Wunder, dass sie erneut im Mittelpunkt der finalen Ovationen stand und ihr einige persönliche Blumensträuße auf die Bühne gereicht wurden. Fast hätte ihr Nicola Alaimo in der Rolle ihres Ehemannes Lusignano die Show gestohlen. Denn dieser junge italienische Bariton bot nicht nur stimmlich eine glänzende Leistung, sondern gab auch jederzeit zu erkennen, dass er in dieser Rolle lebte und sie mit Intensität gestalten wollte. Genau diese Fähigkeit ließ der argentinische Tenor Dario Schmunck, der den ursprünglich vorgesehenen John Osborn ersetzte, ein wenig vermissen. Er verließ sich auf sein zweifellos schönes Timbre, strahlte aber kaum jemals die Verve aus, mit der beispielsweise José Carreras im Live-Mitschnitt aus London (1972 mit Montserrat Caballé) die Rolle des französischen Geliebten Gerardo ausfüllte – von dessen fulminanten acuti ganz zu schweigen. Als venezianischer Gesandter Mocenigo überzeugte vollauf wieder einmal Mirco Palazzi, und auch die 3 Nebenrollen waren adäquat besetzt, wobei die Mezzosopranistin Serena Malfi in ihren kurzen Einwürfen als Caterinas Vertraute Matilde neugierig machte auf ihr Rollendebüt als Angelina in Rossinis La Cenerentola im Sommer in Bad Wildbad.

Immer wieder ein Erlebnis ist der “Groot Omroepkoor“, dessen Präzision, Homogenität und Stimmgewalt (74 Sänger/innen) Chorszenen plastischer und nachdrücklicher erscheinen lassen als dies kleinere Ensembles unter den Bedingungen einer Bühnenregie vermögen. Auch der erstmals im Concertgebouw zu erlebende englische Dirigent David Parry – allen Belcanto-Liebhabern bestens von vielen Einspielungen bei Opera Rara bekannt – bot mit der “Radio Kamer Filharmonie“ eine klangvolle Leistung, lebendiger und schwungvoller als manche seiner Dirigate auf den Silberscheiben.

Dieser faszinierende und packende Belcanto - Opernnachmittag ließ insofern etwas Wehmut aufkommen, als in der kommenden Jubiläumsspielzeit der “ZaterdagMatinee“ (50–jähriges Bestehen) zwar wieder 6 Opern auf dem Spielplan stehen, doch leider keine aus dem Belcanto – Bereich.

Donizetti war übrigens nach eigenem Bekunden von dieser seiner “tragedia lirica“, die erst 1 Jahr nach der Uraufführung 1845 in Parma zum Erfolg wurde, recht angetan, wenn er auch selbst in bemerkenswerter Selbsteinschätzung meinte, dass sie vielleicht nicht unbedingt ein Meisterwerk sei. Für den, der dies überprüfen möchte, bietet sich noch in diesem Jahr eine fantastische Möglichkeit: Anlässlich des 500. Todestages von Caterina Cornaro wird  diese “ihre“ Oper am 30. Juli an einem authentischen Ort aufgeführt, nämlich in der Burganlage von Asolo, auf der Caterina bis kurz vor ihrem Tod 1510 lebte.
Besuchte Vorstellung am 20.03.10

Walter Wiertz

2 Kommentare:

  1. Wirklich ganz ausgezeichnet geschrieben, dieser Bericht! Herzlichen Dank, Walter!
    Reto

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  2. Dieter Kalinka hat gesagt:

    Auch ich war in der vom Autor besprochenen Vorstellung, und wir waren beileibe nicht die einzigen Belcantofreunde aus dem grenznahen NRW. Aus eigenem Erleben kann ich daher dem ausführlichen und sachkundigen Bericht nur zustimmen.

    Noch eine Anmerkung zu den geschichtlichen Aspekten, die diese Renaissancefürstin betreffen. Laut Wikipedia soll Madame Caterina sowohl ihren Mann wie auch ihren Sohn ein Jahr nach dessen Geburt vergiftet haben. Ob diese meuchlerischen Aktivitäten der auch mit Venedig symbolisch Vermählten mehr ihren politischen Verpflichtungen oder der auf Zypern erwachten Freude am Herrschen geschuldet waren, beantwortet das Onlinelexikon leider nicht. Ihr weiteres Leben in Asolo lässt eher Letzteres vermuten.*

    Den stimmlichen Leistungen sei bei Dario Schmunck noch ein Merkstrich angefügt. Den zärtlich-gefühlvollen Auftakt des Duetts zu Anfang des Prologs sang er geschickt kaschiert mit Kopfstimme. Ob die Zeit für das
    Rollenstudium zu kurz bemessen war? Schließlich sprang er kurzfristig für John Osborn ein.

    * Wer 2007 in Köln die Abende von Rossinis „Péchés de viellesse“ besucht hat, der konnte gleichsam einen Nachklang des höfischen Lebens Caterina Cornaros erleben. Den Chorpart sang damals in den betreffenden Stücken der „Coro
    da Camera Reale Corte Armonica Caterina Cornaro“ aus Asolo.

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