Musikalisch ist die Oper ein Hochgenuss, man kann ohne Weiteres nachvollziehen, dass sie sogleich als reifes Meisterwerk empfunden und auch von Napoleon geschätzt wurde. Schon in der Ouvertüre wird durch zarte Kantilenen und schmissigen Bläsereinsatz deutlich, dass die Oper zwischen gefühlvollem Liebesglühen und geballtem Kampfesgeschehen wechselt. Danach kommen alle Stilmittel abgewogen zum Einsatz: Arien, Rezitative, mehrstimmige Passagen von Frauen- und Männerstimmen, Flöten-, Fagott- und Violinensoli, Pizzikato-Stellen und Basso-Continuo-Begleitung, leichthändig vom griechischen Dirigenten George Petrou selbst am Hammerflügel eingestreut. Der erste Akt endet mit einem effektvollen Finale, als der aufgebrachte Bräutigam Boleslao seinen Nebenbuhler Lovinski bei Lodoiska entdeckt. "Eilt! Zu den Waffen, auf zur Rache, Tod dem Verräter!" schmettert der Chor (Männerchor des Prager Philharmonischen Chors).
Die Frage, warum diese Oper mit ihren ausdrucksvollen Arien, die zwischen Verzweiflung und Entzücken, zwischen Resignation und Hoffnung schwanken, letztlich doch in Vergessenheit geriet, ist nicht leicht zu beantworten. Vielleicht war der Opernstoff als solcher doch nicht packend genug, um das Publikum dauerhaft zu fesseln. Zwar gibt es effektvolle Szenen, die in Burgen, Wäldern, unterirdischen Gewölben oder auf Plätzen spielen, aber der Handlungsfaden ist eher dünn. Die Personen sind fein gezeichnet, es gibt aber keine Entwicklung der Charaktere: Lodoiska und Lovinski bleiben einander unbeirrbar verbunden, und Boleslao ist von Anfang bis Ende der verzweifelt drängende und letztlich zur Entsagung gezwungene Liebhaber.
Es ist ein Verdienst der Internationalen Simon-Mayr-Gesellschaft auf eine konzertante Einspielung zu drängen, die nun in Ingolstadt anlässlich der Simon-Mayr-Tage 2010 zu hören war. Immerhin wird der "Meister der italienischen Oper aus Bayern" demnächst im Jahre 2013 seinen 250. Geburtstag feiern. Mit der Lodoiska lernten die Zuhörer im Festsaal des Theaters der Stadt Ingolstadt nach der Oper "Fedra" (Braunschweig u. Ingolstadt), "Il ritorno d'Ulisse" (Regensburg) und der "Medea in Corinto" (St. Gallen u. München) eine weitere herausragende Oper des seinerzeit hoch geschätzten Komponisten kennen. Wer bereits mit Mayr-Opern vertraut war, konnte den Komponisten, der zwischen Klassik und Romantik steht, sogleich wieder erkennen.
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Im Video vom Schlussapplaus sind alle acht Sängerinnen und Sänger zusammen mit dem Dirigenten George Petrou (weißes Jackett) zu sehen (von links nach rechts): Marc Megele (Sigeski), Elvira Hasanagič (Resiska), Elena Belfiore (Lovinski), Anna Maria Panzarella (Lodoiska), Jeremy Ovenden (Boleslao), Ines Reinhardt (Narseno), Nam Won Huh (Radoski), Marko Cilic (Giskano)
Es musizierte das BR Münchner Rundfunkorchester; eine Aufzeichnung der Oper wird am 3. Oktober 2010 um 19:03 Uhr von BR-Klassik ausgestrahlt. Allen Belcanto-Freunden, die am 24. September 2010 nicht in Ingolstadt dabei sein konnten, wird dringend ans Herz gelegt, dieser Produktion zu lauschen. Die Noten wurden vom Verlag Ricordi anlässlich dieser Wiederaufnahme in unserer Zeit für Musiker und Sänger zur Verfügung gestellt. Unter George Petrous Leitung erlebten wir staunend ein Werk, das in dieser Weise in unserer Zeit noch nicht zu hören war. Anna Maria Panzarellas gut und mit großem Atem geführten Sopran als Lodoiska ist besonders hervorzuheben. Als Boleslao stand der herausragende Jeremy Ovenden (Tenor) zur Verfügung, ein Sänger, der zu fantastischer Modulation und Ausdrucksstärke findet, auch die vielen "Attacken" seiner Rolle bravourös meistert. Bewundernswert die Kraft, die ihm den ganzen Abend über zur Verfügung steht. Unwillkürlich denkt man an den berühmten Tenor Giacomo David, der diesen "Bösewicht" seinerzeit verkörperte, und für den Mayr möglicherweise die Ursprungsfassung der Oper erweiterte. Die Hosenrolle des Lovinski sang Elena Belfiore, ein Mezzosopran mit großer Tiefe und Ausdruckskraft. Auch die übrigen Rollen waren ausgezeichnet besetzt: Resiska, gesungen von Elvira Hasanagič, Nam Won Huh als Radoski, Marko Cilic als Giskano und mit jugendlich glänzendem Sopran Ines Reinhardt als Narseno.
Astrid Fricke
Schade, Ihr Lieben, dass wir nur den Schlussapplaus anhören konnten... Ein bisschen Musik hätte es auch sein können - aber das ist ja immer sehr schwer - wegen der Rechte..;-))
AntwortenLöschenAber wieder toller Artikel!!
Gruß Anntheres