30. November 2010

Rendez-vous mit Rossini


In einer schönen Aufmachung präsentiert Anna Bonitatibus ihre Affinität zu Rossini. „Un Rendez-vous. Ariette e Canzoni“ vereinigt 23 Lieder und Albumblätter. Dabei schweift die Mezzosopranistin vom tiefen Contraltoregister zur hohen Soprantessitur. Gleichsam um ihren Stimmumfang zu zeigen, singt sie das „Mi lagnerò tacendo“ in Versionen für Contralto, Mezzo und Sopran (Track 16-18). Dabei scheint ihr das mittlere bis tiefere Register am besten zu liegen. Das tiefe L’amour à Pekin singt sie in einem pastosen Contraltoregister, ohne sich Gewalt anzutun. In der Höhe neigt sie dagegen zu einer leichten Schärfe. Leider sind Rossinis spätere Lieder nicht dazu geeignet, ihre Koloraturgewandtheit zur Geltung zu bringen. Mit Verve nimmt sie sich auch des Lazzarone an, eines der Stücke, das Rossini ausdrücklich für Bariton komponiert hat, und zeigt damit, wie gut sich dieses Repertoire durch Transponierungen für eine Erweiterung auf andere Stimmlagen eignet. Die Diktion ist ausgezeichnet, auch die Aussprache in den französischen Stücken zeigt einen kontrollierten und gut trainierten Sprachgebrauch. Ein etwas zweifelhaftes Stilmittel ist das Hauchen von Tönen, statt sie zu singen.
Die Klavierbegleitung von Marco Marzocchi ist locker und einfühlsam.

Das bekannte spanische Lied „En medio a mis colores“ wird hier unter dem Titel La partenza auf einen italienischen Text („Vicino è il crudo istante, ahi!“) dargeboten, übrigens das einzige Stück, in dem die Sängerin ihre Stimmgeläufigkeit demonstrieren kann – es stammt ja auch aus der Zeit der Theaterkarriere und gehört mithin nicht in die hier evozierte Atmosphäre der „Samedi soir“ der späten Pariser Jahre. Das gilt noch viel mehr für die beiden schlüpfrigen Studentenlieder („Hai la sottana“ und „Nella stagion di maggio“), während La légende de Marguerite auf die Melodie von Cenerentolas Lied keine authentische Rossini-Fassung ist. Leider geht der Begleittext auf diese Stücke nicht ein, und die Vermischung verschiedener Stilepochen wird im Booklet nicht offengelegt. Im Übrigen vermittelt Eduardo Rescigno, u.a. durch seinen Dizionario rossiniano als ausgewiesener Rossini-Kenner bekannt, einen guten Einblick in Rossinis Leben und sein Spätwerk. Im Gegensatz zu den Liedtexten, die nur in der Originalsprache und auf Englisch abgedruckt sind, liegt sein Text in der in Buchform vorliegenden CD-Hülle auf Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch vor und kann im Internet auch noch auf Spanisch, Japanisch und Russisch konsultiert werden. Überhaupt bietet die speziell eingerichtete Website www.unrendez-vous.com viele zusätzliche Angaben, so die Bios der beiden Interpreten in den 6 Sprachen (im Booklet nur auf Englisch), Details zu den einzelnen Stücken (it/engl.), einige schöne Abbildungen (darunter eine Carte de Visite, die Rossini wahrscheinlich einem jungen Künstler gewidmet hat: „Offert a M.r Victor Britsch | a titre d’encouragement en 1861 | Passy   G. Rossini“), eine Fotosession und schließlich ein Video-Clip, in dem die Sängerin das Paris Rossinis vorstellt (alternativ engl. oder it.). Ingesamt wird mit dieser CD und der Internetpräsenz eine sehr achtbare Rossini-Sängerin mit den Mitteln der schönen Multimediawelt präsentiert.

Rossini. Un Rendez-vous. Ariette e Canzoni, Anna Bonitatibus, Mezzosopran, Marco Marzocchi, Klavier. RCA/Sony 88697 70532 2 (1 CD, 62'16"). Aufnahme 23.-27. November 2009, Fazioli Concert Hall, Sacile. Booklet mit Einführung von Eduardo Rescigno in e|d|f|i, Interpretenbiographien in e, Liedtexte in i/f|e.


Reto Müller

Vorabdruck aus «Mitteilungsblatt der Deutschen Rossini Gesellschaft»

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