16. Juni 2010

Die Ehe ist schon etwas Komisches, oder ??

Seit Stefano Mazzonis di Pralafera als Intendant der Opéra Royal de Wallonie (ORW) in Lüttich für die Spielpläne verantwortlich ist, folgt er bei seiner Auswahl nicht nur dem “mainstream“, sondern er stellt in jeder Spielzeit auch Opern vor, die abseits des Standardrepertoires liegen. So brachte er ebenso Aubers Fra Diavolo und Lalos Le Roi d’Ys wie Cimarosas Matrimonio Segreto und 3 Intermezzi von Cherubini, Cimarosa und da Capua auf die Bühne. In seiner 3. Saison präsentierte er nun mit Rita und Il Campanello 2 Einakter von  Donizetti, in denen Heirat und Ehe Anlass für komisch - absurde Verwicklungen sind.


Die opéra comique "Rita ou Le mari battu" – komponiert 1841 doch erst nach Donizettis Tod 1860 in Paris uraufgeführt – erzählt die Geschichte der Gastwirtin Rita (köstlich gespielt und gesungen von der Sopranistin Priscille Laplace), die in ihrer Ehe mit Beppe (der ebenso höhensichere wie spielfreudige Tenor Aldo Caputo) nicht nur die Hosen anhat, sondern bei Bedarf (Titel !) auch zu körperlichen Maßnahmen greift. In deren Alltag bricht völlig unerwartet Ritas erster Ehemann Gaspar ein, der als tot galt: eine Paraderolle für den alten Kämpen Alberto Rinaldi, dessen Stimme aber etwas abgesungen klang – kein Wunder nach fast 50 Bühnenjahren.

In 3 Arien, 3 Duetten und einem abschließenden Terzett serviert uns ein komödiantischer Donizetti prickelnde Musik, wobei vor allem Beppes Arie “Je suis joyeux“ in den Ohren hängen bleibt. Der Hausherr hatte persönlich die Regie übernommen und ein heimeliges Café mit Außenbewirtschaftung auf die Bühne des Palais Opéra de Liège gestellt, in dem verschiedene Statisten das Drei - Personenstück nicht nur visuell belebten.

Eben dieses Bühnenbild bildete dann den Schauplatz der Eingangsszene der 1836  geschriebenen Farsa "Il campanello di notte", die mit der Hochzeit des schon etwas älteren neapolitanischen Apothekers Don Annibale Pistacchio mit der jungen und schönen Serafina beginnt. Auch in diesem vom Bergamasker Meister selbst verfassten Libretto kommt ein zweiter Mann ins Spiel, nämlich Serafinas Ex - Liebhaber Enrico. Um Don Annibale die Hochzeitsnacht zu vermasseln, zu der sich die junge Gattin in der oberen Etage der inzwischen auf der Drehbühne installierten Apotheke sichtbar zurecht macht, schlüpft Enrico in Outfit und Charakter von 3 nächtlichen Besuchern, die den Notdienst des Apothekers in Anspruch nehmen. Der Bariton Massimiliano Gagliardo bietet hier vor allem als Sänger mit Stimmproblemen eine Bravourleistung in gesanglicher und mimischer Hinsicht. Aber auch die beiden übrigen Protagonisten, Priscille Laplace und der Bass Domenico Colaianni, sorgen für die nötige Komik und musikalische Finessen in dieser kurzweiligen Momentaufnahme zwischenmenschlicher Beziehungen und Konflikte. In den Nebenrollen als Brautmutter und Hausdiener wussten Monica Minarelli und Aldo Caputo ebenso zu gefallen wie der  Chor der Opéra de Namur, dessen Mitglieder in ihren individuellen Kostümen und exaltierten Perücken für Farbtupfer sorgten.

Insgesamt fand das Nachtglöckchen mit seiner mitreißenden Musik, in der bewusste Zitate - z.B. aus Rossinis Otello (Desdemonas Lied von der Weide, die hier zum Maulbeerbaum wird) und aus Donizettis eigener Oper Marin Faliero - schmunzeln machten, beim Publikum noch mehr Anklang. Am Pult des klangvoll spielenden Orchesters der ORW stand der in der Barockmusik aber auch im Belcantobereich versierte Claudio Scimone, der trotz seiner fast 75 Jahre zum ersten Male in Liège gastierte und für Schwung und  musikalischen Esprit sorgte.

In der nächsten Saison wartet die ORW übrigens mit einer echten Rarität auf: Baldassare Galuppis "L’Inimico delle donne" aus dem Jahre 1771 (ab 28. Januar 2011)! Vielleicht kann man diese Oper dann nicht nur in Lüttich, sondern auch am heimischen Computer live erleben. Den Service "OperaLive" bietet die Lütticher Oper seit Februar 2010 an (vgl. auch den Bericht hier im Belcantoblog).

Walter Wiertz (Besuchte Vorstellung am 11. Mai )

2 Kommentare:

  1. Die Rita habe ich schon auszugsweise in der Vorschau der OperaLive gesehen und war begeistert. Wie schön, dass man jetzt im Blog mehr darüber lesen kann, wie auch über den anderen Donizetti-Einakter. Ein Leckerbissen für Belcanto-Freunde! Durch die Fotos erhält man auch einen Eindruck von der flotten und dennoch ansprechenden Inszenierung à la Française (die adretten Kostüme, das Bühnenbild).

    AntwortenLöschen
  2. Ungefähr 1965 kreuzte die „Rita“ zum ersten Mal meinen Weg, nämlich als ich bei Ricordi in Mailand stolz die Schallplatten-Rarität „Das Glöckchen“ erstand und es dort auch eine „Rita“ gab. Einakter von Donizetti zu hören, ist bis heute eine Seltenheit geblieben. Um so erfreulicher das Engagement der Oper Lüttich für dieses Genre. Ich besuchte die letzte Aufführung der beiden Einakter am 15.05. und erlebte dabei die angenehme Überraschung, wieder einmal Monica Minarelli sehen und hören zu können. Langjährigen Festivalbesuchern in Wildbad dürfte diese Sängerin noch gut in Erinnerung sein. In „L'equivoco stravagante“ sang sie damals die Dienerin. In „Il campanello di notte“ in Lüttich war sie die Madame Rosa und damit als gestalterisches Schwergewicht opulent besetzt. Musikalisch ist die „Rita“ sicherlich der schwächere der beiden Einakter, während es sich bei der „Nachtglocke“ lohnen würde, diese heitere musikalische Kostbarkeit, z.B. kombiniert mit anderen Einaktern aus Donizettis Jugendzeit, häufiger aufzuführen. Am 15.05. wurden beide Opern per Video aufgezeichnet und es ist zu erwarten, dass diese Aufnahmen irgendwann als DVD veröffentlicht werden.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.