Der dreiteilige Rossini-Zyklus am Theater Bremen ist vollendet. Mit dem Barbiere di Siviglia steht nach La Cenerentola und Maometto II nun die populärste Opera Buffa schlechthin auf dem Spielplan. Regie führte wie bei den vorangegangenen Produktionen auch Michael Hampe. Dieser Barbiere ist nicht neu, sondern die Adaption einer Inszenierung, die Hampe in den 80er Jahren herausbrachte und die bereits auf mehreren Bühnen gezeigt wurde. Das Label Arthaus Musik hat einen Mitschnitt von den Schwetzinger Festspielen 1988 auf DVD herausgebracht, u.a. mit Cecilia Bartoli, David Kuebler und Gino Quilico.
Foto: Theater Bremen
Kenner Michael Hampes, seines Barbiere im Besonderen, wissen, dass er mit im besten Sinne des Wortes klassischen Mitteln arbeitet. Bühnenbilder und Kostüme – die Monika Gora nach Entwürfen von Mauro Pagano für die Bremer Bühne neu eingerichtet hat – sind schön anzusehen, entspringen ganz dem Geist der Geschichte von Beaumarchais. Keine Frage, handwerklich ist mit Michael Hampe ein großer Könner am Werk, dessen Arbeit in dieser Bremer Wiederaufnahme indes nicht restlos überzeugen kann. Die Posen, die einzelne Sänger auf der Bühne einnehmen, bestimmte Szenen, etwa zur Gewittermusik im zweiten Akt, das alles wirkt hier auffällig uninspiriert und nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Hampe ist freilich kein Bilderstürmer oder Erneuerer der szenischen Umsetzung, das will er sicher auch gar nicht sein, es bleibt vielmehr der Eindruck zurück, dass gerade die Umsetzung am Bremer Theater durch das Ensemble einerseits und die technische Einrichtung auf der Bühne andererseits hier nicht die Souveränität erreichen, die es offenbar braucht, um diese Produktion zu einem geschlossenen Opernabend werden zu lassen.
Das Ensemble, das Hampe für diese Wiederaufnahme zur Verfügung stand, vermag leider auch nicht restlos zu überzeugen. Allen voran muss Nadja Stefanoff genannt werden, die mit der überzeugendsten sängerischen Leistung punkten konnte. Der einzige Wunsch, der bei ihrer Rosina offenbleibt, ist etwas mehr Fülle in den tiefen Lagen der Partie, sonst kann sie mit leicht fließenden Koloraturen, sicherer Höhe und ihrer in jeder Hinsicht charmanten Erscheinung ganz für sich einnehmen – das macht sie vor allem frei für ein unbeschwertes, überzeugendes Spiel auf der Bühne. Damit tat sich Leonardo Ferrando als Almaviva schwer, verharrte oft in Posen, die ihm als Darsteller nicht unbedingt entgegenkamen – lässt dabei aber gutes Potential eines klangschönen, hell timbrierten und beweglichen lyrischen Tenors erkennen. Es bleibt ihm zu wünschen, dass er sich in diesem Fach in Ruhe entwickeln kann.
Am Abend vor der Premiere erst ist der junge mexikanische Bariton Alberto Albarrán als Figaro eingesprungen. Er war Mitglied des Opernstudios am Bremer Theater, ist jetzt fest im Ensemble, hatte die Partie mit einstudiert – und musste die Premiere für seinen kurzfristig erkrankten Kollegen retten. Albarrán hat große Freude am Spiel, das ist ihm anzusehen, braucht nur noch viel mehr Erfahrung, um zu einer Darstellung aus einem Guss zu kommen. Insgesamt konnte er sich auch stimmlich in das Ensemble gut einfügen, die eine oder andere Schwachstelle sei der Nervosität gutgeschrieben, die sein plötzlicher Einsatz sicher ausgelöst hat.
Tomas Möwes spielte einen schrulligen Doktor Bartolo, konnte mit seinem inzwischen sehr engen und vibratoreichen Bariton stimmlich weniger überzeugen. Seit einigen Jahren ist Kurt Rydl ebenso regelmäßiger wie prominenter Gast in Bremen, legte darstellerisch einen köstlichen Don Basilio hin, verfügt nach wie vor über ein mächtiges, urgewaltiges Organ – wünschenswert wäre gleichwohl gewesen, hätte er Kraft und Volumen seiner Stimme vor allem in den Ensembles etwas zurücknehmen können, um nicht permanent herauszustechen. In den übrigen Partien ergänzten u.a. Agnes Selma Weiland als Berta, Loren Lang als Fiorillo und vor allem Günter Schulz als Ambrosio als herrliche Karikatur des dümmlichen Dieners im Hause Bartolo das Ensemble.
Die orchestrale Seite hinterließ insgesamt einen etwas fahlen Eindruck, vor allem, weil Bremens 1. Kapellmeister Daniel Montané den ganzen Abend über mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, Bühne und Orchester zusammenzuhalten. Was am Anfang noch nach Anlaufschwierigkeiten klang, entwickelte sich zu einem Manko des ganzen Abends. An diesem Punkt war der Aufführung somit am ehesten anzumerken, dass Rossini eben doch keinesfalls zu unterschätzende Anforderungen an seine Interpreten stellt. Wie viele der Abstriche tatsächlich der Premierennervosität zuzuschreiben sind, werden erst folgende Aufführungen belegen können, eine rundum überzeugende Visitenkarte seiner Rossini-Kompetenz konnte das Bremer Haus an diesem Abend nicht zeigen, der Beifall des Publikums, der nicht allzu überschäumend ausfiel, trug dem ebenso Rechnung.
Christian Schütte (Besuchte Aufführung: 20. März 2010)
Video unter: www.eventv.de/hbtheater/barbiere/
Weitere Termine: 21., 24., 30. April, 5., 9., 21. Mai, 1. Juni
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.