20. Mai 2008

Rossini-Opern machen glücklich...

...und warum? Das wird in einer Besprechung der CD-Aufnahme der "Donna del lago" aus Bad Wildbad wunderbar erklärt:


"Rossini-Opern, hat man ihre Funktionsweise erst einmal durchschaut, machen glücklich. Die großen dramatischen Konfrontationen laufen wie Schneeballschlachten ab: Die Kontrahenten schleudern sich in wachsender Erregung Koloraturen-Salven ins Gesicht. Lyrische Gefühle klettern hingegen auf langen Koloraturen-Treppen gen Himmel und wieder hinab. Dramatik setzt sich wie ein gepixeltes Bild aus kleinsten Noten zusammen. Über das schiere Vergnügen am virtuosen Pointillismus hinaus überrascht einen der Schwan von Pesaro aber in jeder Oper wieder mit ungeahnten Erfindungen.
In der von Alberto Zedda 2006 in Wildbad einstudierten «La donna del lago» (1819) ist das der Naturton der stark geforderten Hörner, die zwei Jahre vor Webers «Freischütz» den viel beschworenen deutschen Wald evozieren. Dabei spielt die «Dame vom See» nach Sir Walter Scotts gleichnamiger Verserzählung im nebligen Schottland. Hintergrund ist der Kampf der Highlander-Clans gegen die Vereinnahmung ihres Landes durch die englische Zentralregierung Mitte des 18. Jahrhunderts. Die wildromantischen Schauplätze – Seen, Höhlen, Schluchten, Schlösser und Wälder – inspirierten Rossini zu atmosphärischer Klangzauberei. Gleich zu Beginn gleitet die Titelheldin im sanften Wiegenrhythmus einer Berceuse auf einem Nachen über den See. Die Melodie zieht sich als Erkennungsmotiv durch die ganze Oper und führt dazu, dass Elena zum Schluss im unbekannten Jäger, den sie bewirtete, den inkognito ihr nachstellenden König Jakob V. von England erkennt. Elenas Freundinnen singen ihr einen Brautjungfern- Chor – leider für Rodrigo, den sie nicht liebt, aber, gewissermaßen als Treibstoff des schottischen Freiheitskampfes, heiraten soll. Elena und Giacomo (= Jakob) singen sich im Dreivierteltakt in den Himmel, während Hörner mit düsteren Schicksalsakkorden dräuen. Barden feuern die Hochländer mit «keltischen » Harfen zum Kampf an.
Alberto Zeddas Live-Einspielung von den Rossini-Festspielen bereitet große Freude, auch wenn sie kleine Macken hat. Wer will schon beckmessern, wenn Rossinis horrende Gesangsaufgaben so gemeistert werden, dass es das Publikum – wie auf der CD zu hören – nach jeder Nummer von den Stühlen reißt. So sei nur um der Statistik willen erwähnt, dass das Mikrofon nicht nur Sonia Ganassis warmen, vornehmen Mezzo mit den leuchtenden Höhen festhält, sondern auch die Mängel ihrer Atemtechnik und unschöne Brusttöne im Schluss-Rondo. Schlechterdings nichts auszusetzen ist an Marianna Pizzolato. Sie «spricht» nicht nur die Koloraturen- Sprache mit makelloser Präzision und Konturenschärfe. Ihr Mezzo verschmilzt im Liebesduett geradezu aphrodisierend mit Ganassis Timbre. Seraphisch schön singt auch der jungenhafte Tenor des clemenza-Königs, der nach alter Seria-Sitte am Ende seinen Feinden vergibt und die Liebenden zusammenführt. Maxim Mironov verzeiht man, wenn die Stimme mal vor Aufregung zittert und die Rouladen nicht so gestochen klar perlen wie bei Pizzolato. Ferdinand von Bothmer kann man nur dafür bewundern, dass er die mörderische Heldenpartie des sterbenden Clan-Führers Rodrigo mit ihren jähzornigen Intervallsprüngen live bewältigt. Das heroische Timbre mit der baritonalen Einfärbung hat er, die aberwitzigen Spitzentöne muss er pressen und stemmen. Selbst eine charmante Minipartie wie Albina ist mit Olga Peretyatko hochkarätig besetzt, während Wojtek Gierlach als fanatischer Vater leider Bassgewalt und Autorität vermissen lässt."

Quelle: Boris Kehrmann in Opernwelt Heft 5/2008

1 Kommentar:

  1. Ich finde es toll, was Ihr alles zusammentragt! Eine lesenswerte Seite!

    Gruß Antonie

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