2. Dezember 2010

Rossinis "Moses in Ägypten" in der Stadtkirche Meiningen

Das Meininger Theater - Südthüringisches Staatstheater 
Das Meininger Theater wird zur Zeit renoviert. Deshalb diente die schöne Meininger Stadtkirche als stimmungsvoller, beziehungsreicher Ort für die Aufführung der "Heiligen Handlung", der Oper "Moses in Ägypten" von Rossini. Diese in Deutschland sehr selten gespielte Oper lockte auch rund 20 Mitglieder der Deutschen Rossinigesellschaft in die ehemalige Thüringische Residenz Meiningen.
Stadtkirche in Meiningen (Foto: privat)
Die hoch gespannten Erwartungen wurden sicherlich durch die ungewöhnliche Spielstätte noch gefördert. Sich dort an einem trüben Novemberabend zu treffen und den festlich erleuchteten Kirchenraum zu betreten, war ein Erlebnis der besonderen Art. Aufatmend konstatierten vor allem die Damen, dass es in der voll besetzten Kirche mollig warm war - eine nicht unwichtige Voraussetzung für ungetrübten Musikgenuss.

Solisten, Orchester und Chor beglückten dann mit ihren außergewöhnlichen Leistungen die Zuhörer. Durch die sparsame Bühnendekoration und den Einbezug des Kirchenraumes mit Emporen und Kanzel sowie die malerischen Kostüme hob sich das Stimmungsbild der Aufführung gegenüber manchen modernistischen Inszenierungsversuchen anderenorts wohltuend ab (Regie und Dramaturgie: Klaus Rak).

Dae-Hee Shin (Pharao) und Ensemble
Alle Szenenfotos mit freundlicher Genehmigung des Meininger Theaters
(zur Vergößerung bitte ins Bild klicken)
Eine nachvollziehbare Darstellung des Geschehens ist also keine Sünde wider den Theatergeist, sondern unterstützt im Gegenteil das Verständnis für den Handlungsablauf. Das Aufleuchten des den Kirchenraum prägenden Kreuzes und des mittleren Kirchenfensters der Apsis am Ende der Aufführung war zwar inhaltlich nicht deckungsgleich mit der biblischen Handlung im streng christlichen Sinne, verdeutlichte aber einprägsam den religiösen Background der Handlung.

Alla Perchikova (Elcia) und Ernst Garstenbauer (Moses))


Ute Ziemer (Amaltea), Dae-Hee Shin (Pharao), Ernst Garstenbauer (Moses) und Rodrigo Porras Garulo (Aronne)

Musikalisch war die Aufführung geprägt von der in Kirchen gemeinhin anzutreffenden Akustik mit großen Nachhallzeiten. Das Ergebnis konnte man je nach Einstellung und Ort des Sitzplatzes als von überwältigender Wucht oder als eher undifferenziertes Klangerlebnis empfinden. Ein in den Streichern viel zu sparsam besetztes Orchester gewann in dieser Akustik unerwartete Klangfülle, aus der immer wieder die exzellenten Soli des 1. Klarinettisten Sebastian Theile erwähnenswert hervorstachen. Die Sänger genossen offensichtlich den schmeichelhaften Zugewinn für ihre Stimmen durch den Nachhall. Trotzdem wäre es sicher kein Fehler gewesen, gelegentlich 'mal das ein oder andere Piano zu riskieren - das hätte der durch den Kirchenraum gewonnenen Aufwertung dieser "Azione tragico-sacra" bestimmt keinen Abbruch getan.

Dae-Hee Shin (Pharao), Ernst Garstenbauer (Moses) und Ensemble
Von Sängern und Chor war es immerhin eine respektable Leistung, hinter dem Rücken des Dirigenten und nur über den Bildschirm von ihm geleitet, alles schön zusammenzuhalten. Und Alexander Steinitz am Pult wurde dieser heiklen Aufgabe auch mit viel Engagement und präziser Zeichengebung voll gerecht. Sängerisch sehr beeindruckend waren der "Pharao" (Dae-Hee Shin), ebenso seine Fast-Schwiegertochter "Elcia" (Alla Perchikova), "Osiride" (Youn-Seong Shim) und, gemessen an der sonst üblichen Besetzung, "Aronne" (Rodrigo Porras Garulo).

Fazit: Für jeden - besonders auch für jemanden, der Musik mehr mit dem Weichzeichner liebt - eine voll zufriedenstellende Aufführung.

Weitere Rezensionen in: 
Thüringer Allgemeine, Der neue MerkerTLZ 8. Nov. und TLZ 10. Nov.) 

Ira Attenari (Besuchte Vorstellung: 19.11.2010)

5 Kommentare:

  1. Was für ein ausgefallener Opernabend in der schönen Stadtkirche! Die Akustik dieser Kirche ist sagenhaft. Mir hat die Aufführung sehr gut gefallen. Besonders verdienstvoll vom Meininger Theater war, dass man die Urfassung der Oper „Moses in Ägypten“ von 1819 aufgeführt hat. Denn neben musikalischen Qualitäten ist insbesondere der private Handlungsstrang psychologisch besser begründet und auch dramatischer fokussiert
    vertont worden als in der französischen Fassung. Es zeigte sich einmal wieder, dass es zwei gleichwertige Fassungen dieses Stoffes von Rossini gibt.

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  2. Danke sehr an den Autor.

    Gruss Eike

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  3. Mir war die Meininger Aufführung des „Moses in Ägypten“ zu laut. Zunächst einmal sei festgestellt, dass man es dem Meininger Theater hoch anrechnen muss, „Moses in Ägypten“ in der Form in einer Kirche überhaupt zur Aufführung gebracht zu haben. Ich habe die Vorstellung am 18. November 2010 besucht. Leider musste ich auch hier wieder feststellen, wie schon häufig erlebt, dass das Orchester zu laut war, der Klang zu massig und zu dunkel eingefärbt. Das führte dazu, dass auch die Sänger und Sängerinnen ebenfalls viel zu laut sangen,um sich Gehör zu verschaffen. Es ist mehr als eintönig, zwei Stunden lang die Akteure immer in gleicher Lautstärke zu hören. Am Ende des Konzertes hörte ich zufällig eine Unterhaltung von zwei Konzertbesucherinnen mit an. Die eine Frau sagte zu ihrer Begleiterin: „Am Anfang hatte ich Mühe hineinzukommen, aber am Ende war es doch recht kurzweilig“. Soll das alles gewesen sein, was man in Rossinis Musik erleben kann? Kurzweiligkeit?

    In der Thüringer Zeitung steht, dass das typische Klangbild der Musik Rossinis sich „beinahe“ ungetrübt entfalten „durfte“. Soll so Rossinis Musik klingen? Nein, gerade so einförmig, alles gleichmachend, schreiend statt singend, darf sie nicht erklingen. Besonders anstrengend fand ich den „Bell“-cantogesang des Mosesdarstellers, Ernst Garstenauer. Unerträglich, zwei Stunden lang alle an die Wand zu schmettern! (Aufhorchen ließ mich dagegen der Antrittsgesang des noch jungen, sich um eine differenzierte – singende- Darstellung bemühenden Mexikaners Garulo). Musik kann so nicht entstehen. Klangereignisse sind das, vielleicht beeindrucken sie den einen oder anderen, mehr nicht. Aber Musik ist mehr, viel mehr. Rossini schrieb an seine Mutter, dass er „göttliche Musik“ geschrieben habe. Ja, diese Musik ist „göttlich“, in der Tat, aber wohl nur, wenn sie von einem „Göttlichen Dirigenten“ aufgeführt wird.

    Es gab am 28.11.2010 um 15.00 Uhr eine interessante Sendung im Deutschlandfunk, Musikszene, mit dem Titel „Zu Risiken und Nebenwirkungen von Gesangskarrieren“, in der die Sängerin Vesselina Kasarova genau dieses Problem anspricht. Zitat: „Die meisten Orchester spielen heute zu laut... Man muss brüllen, brüllen, brüllen“. Man kann sich das Manuskript zumailen lassen. Sehr zu empfehlen.

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  4. Sehr schöne und mit viel Sensibilität und Einfühlungsvermögen erstellte Rezension. Danke!
    rk

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  5. Danke für die sehr differenzierte Rezension.
    Da ich von meinem Platz aus nur das Geschehen auf der Kanzel betrachten konnte, kann ich zur Inszenierung wirklich nicht viel sagen, ausser, dass mich der Selbstmord am Ende doch ziemlich befremdete (mal ein Hinseher und dann das), ich mich aber durch fehlende Bilder sehr auf den Gesang und die Musik konzentrieren konnte. Und ich habe da auch Differenzierungen gehört, nicht alles als zu laut aber eben mit Nachhalleffekt erlebt. Und den Pharao habe ich selten so gut gesungen erlebt.
    Meiningen ist weit, aber die Reise hat sich gelohnt und ich habe mich gefreut, dass ich nicht in eine anonyme Turnhalle oder ähnlich ungeeignet Spielstääte musste, sondern diese oratorienhafte Oper in einer Kirche erleben konnte. Da nehme ich gerne auch den Nachhall in Kauf.
    Dorothee Wehofsits

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