15. Mai 2010

Rossinis "Armida" aus der Met im Kino

Renée Fleming (Armida), Lawrence Brownlee (Rinaldo)

Um Rossinis "Armida" in der Metropolitan Opera zu erleben, musste man nicht unbedingt nach New York reisen: Wir sahen die Aufführung vom 1. Mai 2010 im Hildesheimer Kino. Es war ein ungewohntes Opernerlebnis, das man mit einer "richtigen" Opern-Aufführung nicht vergleichen kann. Aber wann hat man schon einmal die Gelegenheit, ohne Flugreise nach New York eine preiswerte Live-Aufführung der Metropolitan Opera zu erleben, bequem in Kinosesseln ruhend und nach Wunsch mit Popcorn ausgestattet. In den beiden halbstündigen Opernpausen konnte man ein froh gestimmtes und festlich gekleidetes Publikum im Kinofoyer wandeln sehen. Übrigens stehen jetzt schon das Programm und die Termine der Met-Kino-Aufführungen für 2010/2011 fest. Hier die Kinoliste Deutschland.

Das Libretto der Oper von Giovanni Schmidt basiert auf einem Drama des Dichters Torquato Tasso "La Gerusalemme liberata".  Die Zauberin Armida liebt den Ritter Rinaldo und versucht mit allen Mitteln, diesen in ihrem Palast zu halten. Das gelingt nicht: Die anderen Paladine appellieren an sein Ehrgefühl und erzwingen Rinaldos Abschied von der Zauberin und seinen Aufbruch in die Schlacht um Jerusalem. Das trifft Armida schon deshalb besonders hart, weil Rinaldo sie schon früher einmal verlassen hatte. Durch diesen erneuten "Verrat" des Geliebten seelisch gebrochen, muss Armida den Rinaldo  am Ende doch ziehen lassen.

Die Titelrolle ist eine schwierige Paraderolle für jede Sängerin, seinerzeit von dem erst 25-jährigen Rossini der Primadonna Isabella Colbran, seiner späteren Ehefrau, auf den Leib (die Kehle) geschrieben. Zu Recht werden die ausdrucksstarken Soloarien, aber auch die sinnlichen Liebesduette, bei diesem Charakter gerühmt.

Nun also die in ausgewählten Kinos weltweit übertragene Live-Aufführung mit Renée Fleming als Armida und Lawrence Brownlee als Rinaldo. In den beiden Opernpausen gab es Interviews mit den Künstlern, in denen Fleming bescheiden bekannte, keine ausgewiesene Rossini-Sängerin zu sein, Strauss` Rosenkavalier liege ihrer Stimme besser. Ihre Koloraturen klingen auch nicht so pointiert wie bei den Spezialistinnen des Fachs. Das wird mehr als wettgemacht durch die schöne Stimme und die ergreifende darstellerische Durchdringung der Rolle. Ist sie zu Beginn das durchtriebene, verlogene Weib, dem es gelingt dem Heerführer der Kreuzritter seine besten Krieger, darunter Rinaldo, unter einem Vorwand abspenstig zu machen, so schlüpft sie danach genau so glaubhaft in die Gestalt einer wahrhaft Liebenden. Lawrence Brownlee lieferte wieder einmal einen Beweis seiner außerordentlichen Gesangskunst: Er meisterte scheinbar mühelos gewagte Sprünge aus der tiefen in die hohe Lage. Begeisternd auch John Osborn als Heerführer der Christen Goffredo.

Die lange Ballettszene, in der die Situation des "lächerlichen", verliebten Helden vorgeführt wird, verdient Aufmerksamkeit. Rinaldo ist hier ein dekadenter, nur noch dem Genuss hingegebener Mann, der durch Armidas Zauber seiner eigentlichen Aufgabe, dem Kämpfen, entfremdet wird. Zunächst wird Rinaldo von elfengleichen Mädchengestalten umringt, danach sehen wir ihn in einer wüsten Steigerung der Szene entfesselt inmitten von langschwänzigen Fabelwesen, die ihn umtanzen. Hier besonders eindrucksvoll mit vollem Bass und artistischen Sprüngen der junge Peter Volpe als mit Armida befreundeter Zauberer Idraote.

In weiteren Rollen: José Manuel Zapata (Gernando), Barry Banks (Carlo), Kobie van Rensburg (Ubaldo), Yegishe Manucharyan (Eustazio) sowie Keith Miller (Astarotte).

Die Ouvertüre wurde unter voller Konzentration auf das Orchester geboten, das heißt es gab keine inszenatorische Ablenkung.  Die Leitung oblag Riccardo Frizza. Wie bei Opern-Verfilmungen üblich, erfolgte selten ein Ausblick auf die gesamte Bühne, sondern häufiger waren Ausschnitte zu sehen, in denen nur die Sänger und Sängerinnen in Aktion gezeigt wurden, oft  "Kopfbilder". Das hatte aber den Vorteil, dass man dem Klang-Entstehungs-Prozess unmittelbar folgen konnte.

Fazit: Es lohnt sich auf jeden Fall, nach einem Aufführungsort Ausschau zu halten, welcher die Gelegenheit bietet, einmal eine Oper vom Kinosessel aus zu erleben.

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