Haben Sie je von der „Oper im Knopfloch” gehört? Das ist ein kleines Opernensemble, das dem Publikum - vorwiegend im Raum Zürich - seit elf Jahren „unbekannte Opernpreziosen” präsentiert. Dazu gehörten u.a. so seltene und unterschiedliche Stücke wie El mal de amores, Zarzuela von José Serrano, The Zoo, “A musical folly” von Arthur Sullivan, Cendrillon, Opéra comique von Pauline Viardot, Prestami tua moglie, Operetta von Ruggero Leoncavallo, Abramo ed Isacco, geistliches Singspiel von Josef Myslivecek. Jetzt steht Macbeth auf dem Programm - natürlich nicht jener von Verdi, sondern der von André Hippolyte Chelard (1789-1861). Das Werk ist auch für den Rossinianer von Interesse, weil es genau in der Zeit auf die Bühne der Pariser Opéra kam, als Rossini dort seine Triumphe feierte - und das wurde ihm auch zum Verhängnis. In dem völlig rossinifizierten Paris erlitt das Erstlingswerk des (nicht mehr ganz jungen) Komponisten nach mehrjährigen Verzögerungen am 29. Juni 1827 Schiffbruch.
Rossini und Chelard - Auszug aus dem Programmheft (Vergrößern: Mausklick in das Bild; Zurück: "Zurück-Button" des Browsers ) |
Aber eine überarbeitete, deutsche Fassung ging am 20. Juni 1828* mit Erfolg in München über die Bühne und erschien sogleich, mit der Zueignung an Ludwig, König von Bayern, im Klavierauszug. Diese Version der „heroischen Oper in drey Acten nach Shakespeare” brachte das Ensemble zur Aufführung - allerdings ohne die Chöre und nur mit 5 Solisten. Auf recht hohem Niveau sangen und charakterisierten die Sänger ihre Rollen: Robert Braunschweig (Bariton) die Titelrolle, die Gründerin und Leiterin des Ensembles, Rosina Zoppi (Mezzosopran) seine Lady, Jean-Pierre Gerber (Bass) den König Duncan, Stephanie Bühlmann (Sopran) seine Tochter Moina und Pawel Grzegorz Stach (Tenor) deren Verlobter Douglas. Die drei Hexen waren über den Lautsprecher zu vernehmen, immer dann, wenn Macbeth die in der Mitte der Spielfläche stehende Kühltruhe - modernes Surrogat für einen dampfenden Hexenkessel - öffnete. Die übrigen Requisiten bestanden vorwiegend aus einem von einem Schlachtbetrieb gesponserten Arsenal von Messern sowie viel roter Farbe, mit der sich Macbeth nach dem Mord an Duncan sinnigerweise vollbesudelt hat. Diese Inszenierung (Matthias Flückiger) bot also keine Überraschungen, sie entsprach auch bei den Kostümen heutigem Theatermainstream und war für diesen effektiv grausigen Stoff und für die erklärtermaßen spartanischen Mittel dieser Truppe adäquat.
Der Stil von Macbeth erinnert eher an die deutschen Romantiker wie Weber oder Marschner. Nur gerade ein Duett schien mir typisch französisch zu sein und ließ mich an Boieldieu und Auber denken. Der von Andrew Dunscombe packend gespielte Klavierpart ließ eine effektvolle Orchestrierung vermuten, etwa bei dem Gewitter des Entre-Actes oder dem nachfolgende langen Vorspiel der Moina-Arie. Die Aufführung, die mit Pause nur zwei Stunden dauerte, hat natürlich keinerlei philologischen Anspruch – weder waren die Eingriffe zu erkennen (die verglichen mit dem im Internet aufzufindenden Librettos ziemlich massiv waren), noch wissen wir, wie stark sich die Münchner vor der Pariser Fassung unterschied. Aber das Stück wurde wirkungsvoll dargeboten, und der melodische Reichtum und die rhythmische Prägnanz weckte das Interesse an diesem Komponisten und seiner Musik, die im unmittelbaren rossinischen Umfeld entstanden ist.
Reto Müller (Besuchte Aufführung am 17. Oktober 2010)
Weitere Aufführungen im Theater Stok in Zürich am 22., 23. und 24. Oktober) und auf der bühne fasson in Lachen am 5. November.
* Teilweise wird in den Opernannalen der 25. August 1828 als Münchner Premierendatum genannt. Die «Münchener Politische Zeitung» bezeugt aber den 20. Juni 1828 als Erstaufführung. Mein Dank für diese Überprüfung geht an Franz Schröther.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.