13. Dezember 2008

Donizettis "Parisina" in London

Abb.: Il sogno di Parisina
(Andrea Gastaldi, 1867)
- zum Vergrößern Bild anklicken -




Dieter berichtet aus London:



Donizettis Parisina

Glanzlose Wiederbelebung 06.12.08 in London
(Southbank Centre´s Royal Festival Hall)

Besetzung

Azzo, Herzog von Ferrara………………………………..Dario Solari
Parisina, seine Gattin………………………………………Carmen Giannattasio
Ugo,später als ein
Sohn von Azzo identifiziert………………………………José Bros
Ernesto, Azzos Minister…………………………………..Nicola Ulivieri
Imelda, Parisinas Hofdame……………………………..Ann Taylor
Chor……………………………………………………………..Geoffrey Mitchell Choir

LONDON PHILHARMONIC ORCHESTRA
DAVID PARRY

Felice Romanis Libretto basiert (leicht abgewandelt) auf Lord Byrons Poem „Parisina“: Die Gattin Azzos, Parisina, liebt Ugo und verrät sich im Schlaf, was von Azzo belauscht wird. Er schwört Rache und beharrt auf seinem Todesurteil auch, als sich herausstellt, dass Ugo sein Sohn aus erster Ehe ist. Als er Parisina den enthaupteten Kadaver Ugos zeigt, bricht diese tot zusammen – natürlich erst nach einer Cabaletta.

Zum Glück wurde die Oper konzertant dargeboten. Nicht auszudenken, was ein Euro-trash-Regisseur mit Realschulabschluss und Aktualisierungswahn daraus gemacht hätte. Die Oper läuft manchmal auch unter dem Titel „Parisina d´Este“, um sie von der erfolglosen „Parisina“ Mascagnis zu unterscheiden.

Das Programmheft ließ sich bedauernd über die Vernachlässigung des Werkes aus und begründete diese damit, dass es – bis dato – keine Nachfolgerin von Donizetti-Spezialistinnen wie Maria Callas und Joan Sutherland gäbe.

Von der Prima Donna der Aufführung, Carmen Giannattasio, wurde eine staunenswerte Rollenbiographie angeführt: das dramatische Verdi-Fach (Desdemona, Amelia/Boccanegra, Leonore/Trovatore) sowie Rossinis „Ermione“ und unter anderem auch „Carmen“. Man durfte also auf einen großen Stimmumfang plus Belcanto-Technik einer Giannina Arrangi-Lombardi, Maria Vitale, Leyla Gencer… gespannt sein.

Die Wirklichkeit war dann ernüchternd. Zuerst ließ sie sich als unter „fatigue“ leidend ansagen. Diese Methode, sich „carte blanche“ für das Wohlwollen des Publikums zu verschaffen, finde ich unsäglich. Zu hören war dann eine weder schöne noch interessante Stimme und schon gar nichts von Belcantogesang wie Trillern, Ornamenten, Pianissimo, messa di voce oder brillanten Spitzentönen. Von Bühnenpräsenz keine Spur, sie sang die Partie nicht frei, sondern klammerte sich ständig mit Augen und Händen (zum Umblättern) an die Partitur. Ihrer Leistung „ebenbürtig“ war der junge Bariton Dario Solari mit stumpfer uninteressanter Stimme. Schade, die Baritonpartie ist in dieser Oper bedeutend.

Die mit Abstand beste stilistische Leistung erbrachte José Bros. Wie ich der Literatur entnahm, schrieb Donizetti dem Tenor etliche hohe C und D in die Partie – davon ließ er leider kein einziges vernehmen. David Parry dirigierte Orchester und Chor mit zackig-rhythmischem Gestus, und so klangen sie auch über weite Strecken.

Ich möchte die Aufführung nicht als grottenschlecht bezeichnen. Immerhin wirkte ein als „Startenor“ anerkannter Künstler mit, und die London Philharmonic gelten als Spitzenorchester. Eben nur sehr mäßig/durchschnittlich und meiner Meinung nach nicht geeignet, der Oper zu einem neuen „Durchbruch“ zu verhelfen.

Anlass des Konzertes war die vorher erfolgte Studio-Einspielung des Werkes durch OperaRara mit identischer Besetzung. Möglich, dass die CD besser klingt, man kann ja heute mit technischen Mitteln sehr viel „mogeln“. Trotzdem halte ich diese CD nicht für habenswert, auch angesichts der Hochpreispolitik von OperaRara.

Ich habe zwei Live-Mitschnitte, auf denen die Protagonistin mit zwei exquisiten Sopranistinnen - Montserrat Caballé und Mariella Devia - besetzt ist. Schon deswegen vorzuziehen, außerdem ist Zancanaro der Partner von Devia.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts gab es kaum mehr als eine Handvoll von Aufführungen der Parisina. Laut CLOR discography und anderen Quellen sind folgende Live-Mitschnitte dokumentiert:

1964/Siena: Bruno Rigacci – Marcella Pobbe/Renato Cioni/Giulio Fioraventi
1974/N.Y.: Eve Queler - Caballé/Jérome Pruett/Quilico (nur Caballé ist gut)
1990/Florenz: Bartoletti – Devia/Gonzales/Zancanaro (Tenor furchtbar!)
1997/Lugo: Carignani – Sonia Dorigo/Amadeo Moretti/C.C. Caruso
1997/Lugano: E.Plasson - Pendatchanska/Amadeo Moretti/de Andrès

Auf den mir vorliegenden Mitschnitten ist die Ouverture verkürzt; OperaRara bringt sie vollständig.

Dieter (Frankfurt a. M.)

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