Der Festspielsommer ist vorbei – Zeit für eine Vorschau auf die kommende Saison an der Hamburgischen Staatsoper, vorrangig aus der Sicht einer Rossini- und Belcantobegeisterten.
Belcanto-Opern in Hamburg? Leider weiterhin Fehlanzeige! Es sind jetzt sogar noch weniger als letzte Spielzeit, die mit sechs Strauss-Opern (davon drei als Premieren bei insgesamt fünf Opernpremieren!) völlig unausgewogen war. Nachdem nun Rossinis „Il turco in Italia“ in der wunderbaren Inszenierung von Christoph Loy nicht mehr auf dem Spielplan steht, gibt es in Hamburg nur noch:
- „Il barbiere di Siviglia“ von Rossini in einer zeitlosen Inszenierung von Gilbert Deflo aus dem Jahr 1976, - auch nach 36 im Laufe der letzten Jahrzehnte besuchten Vorstellungen immer noch gern gesehen, aber nur bei einer interessanten neuen Besetzung noch attraktiv genug;
- „L’elisir d’amore“ von Donizetti, ebenfalls in einer Uralt-Inszenierung aus dem Jahr 1977; „Inszenierung und Bühnenbild nach Jean-Pierre Ponnelle“ bedeutet in der Realität , dass dem Publikum seit Jahren nur noch ein Einheitsbühnenbild ohne Szenenwechsel geboten wird, ein Ärgernis für all diejenigen, die noch die Inszenierung in ihrer ursprünglichen Gestalt mit Heuwagen etc. kennen;
- Als Inszenierung aus neuerer Zeit steht nur „La Fille du Régiment“ von Donizetti aus dem Jahr 2006 auf dem Spielplan, eine liebenswerte und witzige Inszenierung von Alexander von Pfeil.
Eine Oper von Bellini oder eine opera seria von Donizetti gibt es – abgesehen von der misslungenen und schnell wieder verschwundenen „Lucia di Lammermoor“ von 1998 - in Hamburg ohnehin nur noch dann, wenn Edita Gruberova das gerade im Repertoire hat, aber in Hamburg natürlich nur konzertant. Und opere serie von Rossini? Zuletzt in den 80er Jahren konzertante Aufführungen von „Semiramide“ und „Guglielmo Tell“.
Und was ist nun in der kommenden Spielzeit musikalisch zu erwarten?
Die Intendantin und Generalmusikdirektorin Frau Simone Young hat – wenn ich mich recht erinnere – zu Beginn ihrer Intendanz mit der Spielzeit 2005/2006 angekündigt, Opern komplett – also ohne die üblichen Striche – zu bieten. Dies scheint aber nur für die von ihr selbst dirigierten Werke zu gelten, - eine „Traviata“ ohne Striche war ein Genuss, eine ungekürzte „Frau ohne Schatten“ erschien endlos. Beim „Barbiere di Siviglia“ aber gab es auch in den vergangenen Spielzeiten wieder die besonders ärgerlichen Amputationen insbesondere beim Duett Almaviva-Figaro, in der Musikstunde und im Terzett Almaviva-Rosina-Figaro.
Dass es auch anders geht, zeigt ein Rückblick auf die 80er Jahre: Wenn Alberto Zedda dirigierte, kam man voll in den Genuss der von ihm editierten Fassung, lediglich die große Arie des Almaviva gab es nicht zu hören, da fehlten damals bekanntlich aber auch die hierzu fähigen Tenöre. Dass das heute glücklicherweise anders ist, scheint von den derzeit in Hamburg Verantwortlichen aber nicht zur Kenntnis genommen zu werden; denn selbst als in der vorletzten Spielzeit ein Almaviva-Sänger wie Antonino Siragusa zur Verfügung stand, war von der großen Arie „Cessa di più resistere“ nichts zu hören, - da machten sich Enttäuschung und Unmut breit unter den Besuchern, die wissen, was andernorts geboten wird und auch in Hamburg eigentlich selbstverständlich sein sollte und natürlich auch machbar wäre, - so hat Rockwell Blake 1998 diese Arie – wenn auch ohne Chor-Beteiligung – hier gesungen, und das war sensationell.
Die Auswahl der Dirigenten für die drei Belcanto-Opern erscheint recht ungewöhnlich. Namhafte Dirigenten oder gar belcantoerfahrene Spezialisten waren bereits in den beiden vergangenen Spielzeiten nicht mehr zu erleben, die Zeiten, in denen Alessandro De Marchi den Philharmonikern Rossini-Drive erfolgreich abforderte, sind wohl leider vorbei. Rossini und Donizetti scheinen vielmehr Experimentierfeld und Bewährungsprobe für dirigentischen Nachwuchs zu werden. Kommende Spielzeit sollen beim „Barbiere di Siviglia“ Alexander Winterson – Studienleiter an der Hamburgischen Staatsoper - , beim „Elisir d’amore“ und der „Fille du Régiment“ Florian Csizmadia – Chordirektor der Hamburgischen Staatsoper – am Pult stehen. Das können natürlich – und hoffentlich! - angenehme Überraschungen werden, ich möchte mir da kein Vorurteil erlauben, es zeigt aber, welchen Stellenwert dieses Repertoire in Hamburg hat, das zudem bei Überlastung der Philharmoniker auch gerne den Hamburger Symphonikern überlassen wird, - was beim „Turco in Italia“ vergangene Spielzeit übrigens m. E. keineswegs von Nachteil war.
Was die Besetzungen anbelangt, so können wir uns immerhin auf einige Vorstellungen des „Barbiere di Siviglia“ mit Lawrence Brownlee (hoffentlich mit der großen Arie!) und Silvia Tro Santafé – teils zusammen mit George Petean – freuen. Ansonsten wird aus dem Ensemble besetzt bzw. man kann auf Neuentdeckungen hoffen. Wie das letzte Spielzeit ausging, ist im unten stehenden Bericht von Hartmut nachzulesen.
In Sachen Belcanto-Oper müssen wir Hamburger uns also anderswo umhören und z. B. des öfteren nach Bremen fahren. Dort stehen kommende Spielzeit mit Rossinis „Maometto II“, Rossinis „La Cenerentola“ (WA) und Bellinis „Norma“ gleich drei Opern aus der Belcanto-Ära auf dem Spielplan, alle szenisch, dazu gibt es mit Wagners „Rienzi“ und Cavallis „La Didone“ noch zwei weitere Raritäten. Und es besteht die begründete Aussicht, dass es in den kommenden Spielzeiten so interessant weitergeht. Wie uns der Bremer Intendant Herr Frey anläßlich der Mitgliederversammlung der Deutschen Rossinigesellschaft, die dieses Jahr wegen der „Cenerentola“ in der Inszenierung von Michael Hampe in Bremen stattfand, mitteilte, wird es in Bremen in fünf aufeinander folgenden Spielzeiten jeweils die Premiere einer Rossini-Oper geben. Auch Bremerhaven bietet Interessantes: „Maria Stuarda“ von Donizetti.
Auch in Hamburg gibt es natürlich im übrigen Repertoire einige empfehlenswerte Höhepunkte:
Mit einer Barockoper kann man sich allerdings nicht über die Belcanto-Misere hinweg trösten. Dieses Repertoire ist nun völlig vom Spielplan verschwunden. Die letzte Produktion machte im Juli das Internationale Opernstudio in der kleinen Opera Stabile: „La Calisto“ von Cavalli, für mich ein Saisonhöhepunkt mit einer sehr unterhaltsamen Inszenierung und mit der wunderbaren Christiane Karg, die leider nicht als Ensemblemitglied in Hamburg bleibt, sondern nach Frankfurt geht.
Die Spielzeit beginnt mit Verdi-Wochen mit sieben Opern aus dem Repertoire (vom 6. September bis 12. Oktober). Der „Rigoletto“ wird das Hamburg-Debüt von Joseph Calleja bringen, Franz Grundheber soll wieder den Macbeth singen, Michele Pertusi *den Falstaff und in „Simon Boccanegra“ Mardi Byers die Amelia, - eine Sängerin, auf deren Hamburg-Debüt alle diejenigen gespannt sind, die sie in ihrer Lübecker Zeit dort als ausgezeichnete Adriana Lecouvreur und u.a. in „I masnadieri“ erlebt haben.
*Aktueller Hinweis (8.9.): Wegen Erkrankung von Michele Pertusi singt Roberto de Candia den Falstaff.
Besonders freue ich mich wieder auf Verdis „Don Carlos“ in der fünfaktigen französischen Fassung, für mich persönlich die wichtigste Inszenierung in meinem ganzen bisherigen Opernleben, bei der ich auch nach über einem Dutzend seit der Premiere 2001 besuchter Vorstellungen immer noch neue Details entdecke. Abgesehen von der Rolle der Elisabeth, in der es ein Wiedersehen und Wiederhören mit dem langjährigen und von vielen vermissten Ensemblemitglied Danielle Halbwachs geben wird, ist die gleiche Besetzung wie in der vergangenen Spielzeit vorgesehen. Ich hoffe, der unten folgende Bericht von Hartmut wird einige Leser veranlassen, sich dieses Ereignis nicht entgehen zu lassen (nur drei Vorstellungen: 21. und 28. Sept., 12. Okt.). Von Berichten vom Hörensagen über die beiden nach wie vor umstrittenenen Szenen dieser Konwitschny-Inszenierung sollte sich niemand abschrecken lassen: zum Autodafé, das ich persönlich besonders packend finde, weil es quasi unter unbewusster „Mitwirkung“ des Publikums stattfindet, kann man sich in freier Platzwahl ein ruhiges Plätzchen in einer der oberen Ranglogen suchen, wenn man einfach nur in Ruhe zuhören möchte, und die Pantomime „Ebolis Traum“ zur Ballettmusik ist m. E. allemal witziger und unterhaltsamer als ein Maskenball mit Balletteinlage in weißen Tütüs.
An Opernpremieren erwartet uns eine interessante Mischung: „Die Walküre“, „Die lustige Witwe“ (in einer Inszenierung von Harry Kupfer), Brittens „Death in Venice“ (mit Michael Schade), Glucks „Iphigénie en Tauride“ (unter Alessandro De Marchi) und Verdis „Attila“ (konzertant). Ein besonderes Erlebnis wird sicherlich wieder Elisabeth Connell als Turandot sein, in der vergangenen Spielzeit war ihre Darbietung einfach unglaublich faszinierend und sängerisch hervorragend.
Für Daten und Besetzungen – auch des übrigen Repertoires – sei auf die Internet-Seite Hamburgische-Staatsoper-Spielplan verwiesen.
Belcanto-Opern in Hamburg? Leider weiterhin Fehlanzeige! Es sind jetzt sogar noch weniger als letzte Spielzeit, die mit sechs Strauss-Opern (davon drei als Premieren bei insgesamt fünf Opernpremieren!) völlig unausgewogen war. Nachdem nun Rossinis „Il turco in Italia“ in der wunderbaren Inszenierung von Christoph Loy nicht mehr auf dem Spielplan steht, gibt es in Hamburg nur noch:
- „Il barbiere di Siviglia“ von Rossini in einer zeitlosen Inszenierung von Gilbert Deflo aus dem Jahr 1976, - auch nach 36 im Laufe der letzten Jahrzehnte besuchten Vorstellungen immer noch gern gesehen, aber nur bei einer interessanten neuen Besetzung noch attraktiv genug;
- „L’elisir d’amore“ von Donizetti, ebenfalls in einer Uralt-Inszenierung aus dem Jahr 1977; „Inszenierung und Bühnenbild nach Jean-Pierre Ponnelle“ bedeutet in der Realität , dass dem Publikum seit Jahren nur noch ein Einheitsbühnenbild ohne Szenenwechsel geboten wird, ein Ärgernis für all diejenigen, die noch die Inszenierung in ihrer ursprünglichen Gestalt mit Heuwagen etc. kennen;
- Als Inszenierung aus neuerer Zeit steht nur „La Fille du Régiment“ von Donizetti aus dem Jahr 2006 auf dem Spielplan, eine liebenswerte und witzige Inszenierung von Alexander von Pfeil.
Eine Oper von Bellini oder eine opera seria von Donizetti gibt es – abgesehen von der misslungenen und schnell wieder verschwundenen „Lucia di Lammermoor“ von 1998 - in Hamburg ohnehin nur noch dann, wenn Edita Gruberova das gerade im Repertoire hat, aber in Hamburg natürlich nur konzertant. Und opere serie von Rossini? Zuletzt in den 80er Jahren konzertante Aufführungen von „Semiramide“ und „Guglielmo Tell“.
Und was ist nun in der kommenden Spielzeit musikalisch zu erwarten?
Die Intendantin und Generalmusikdirektorin Frau Simone Young hat – wenn ich mich recht erinnere – zu Beginn ihrer Intendanz mit der Spielzeit 2005/2006 angekündigt, Opern komplett – also ohne die üblichen Striche – zu bieten. Dies scheint aber nur für die von ihr selbst dirigierten Werke zu gelten, - eine „Traviata“ ohne Striche war ein Genuss, eine ungekürzte „Frau ohne Schatten“ erschien endlos. Beim „Barbiere di Siviglia“ aber gab es auch in den vergangenen Spielzeiten wieder die besonders ärgerlichen Amputationen insbesondere beim Duett Almaviva-Figaro, in der Musikstunde und im Terzett Almaviva-Rosina-Figaro.
Dass es auch anders geht, zeigt ein Rückblick auf die 80er Jahre: Wenn Alberto Zedda dirigierte, kam man voll in den Genuss der von ihm editierten Fassung, lediglich die große Arie des Almaviva gab es nicht zu hören, da fehlten damals bekanntlich aber auch die hierzu fähigen Tenöre. Dass das heute glücklicherweise anders ist, scheint von den derzeit in Hamburg Verantwortlichen aber nicht zur Kenntnis genommen zu werden; denn selbst als in der vorletzten Spielzeit ein Almaviva-Sänger wie Antonino Siragusa zur Verfügung stand, war von der großen Arie „Cessa di più resistere“ nichts zu hören, - da machten sich Enttäuschung und Unmut breit unter den Besuchern, die wissen, was andernorts geboten wird und auch in Hamburg eigentlich selbstverständlich sein sollte und natürlich auch machbar wäre, - so hat Rockwell Blake 1998 diese Arie – wenn auch ohne Chor-Beteiligung – hier gesungen, und das war sensationell.
Die Auswahl der Dirigenten für die drei Belcanto-Opern erscheint recht ungewöhnlich. Namhafte Dirigenten oder gar belcantoerfahrene Spezialisten waren bereits in den beiden vergangenen Spielzeiten nicht mehr zu erleben, die Zeiten, in denen Alessandro De Marchi den Philharmonikern Rossini-Drive erfolgreich abforderte, sind wohl leider vorbei. Rossini und Donizetti scheinen vielmehr Experimentierfeld und Bewährungsprobe für dirigentischen Nachwuchs zu werden. Kommende Spielzeit sollen beim „Barbiere di Siviglia“ Alexander Winterson – Studienleiter an der Hamburgischen Staatsoper - , beim „Elisir d’amore“ und der „Fille du Régiment“ Florian Csizmadia – Chordirektor der Hamburgischen Staatsoper – am Pult stehen. Das können natürlich – und hoffentlich! - angenehme Überraschungen werden, ich möchte mir da kein Vorurteil erlauben, es zeigt aber, welchen Stellenwert dieses Repertoire in Hamburg hat, das zudem bei Überlastung der Philharmoniker auch gerne den Hamburger Symphonikern überlassen wird, - was beim „Turco in Italia“ vergangene Spielzeit übrigens m. E. keineswegs von Nachteil war.
Was die Besetzungen anbelangt, so können wir uns immerhin auf einige Vorstellungen des „Barbiere di Siviglia“ mit Lawrence Brownlee (hoffentlich mit der großen Arie!) und Silvia Tro Santafé – teils zusammen mit George Petean – freuen. Ansonsten wird aus dem Ensemble besetzt bzw. man kann auf Neuentdeckungen hoffen. Wie das letzte Spielzeit ausging, ist im unten stehenden Bericht von Hartmut nachzulesen.
In Sachen Belcanto-Oper müssen wir Hamburger uns also anderswo umhören und z. B. des öfteren nach Bremen fahren. Dort stehen kommende Spielzeit mit Rossinis „Maometto II“, Rossinis „La Cenerentola“ (WA) und Bellinis „Norma“ gleich drei Opern aus der Belcanto-Ära auf dem Spielplan, alle szenisch, dazu gibt es mit Wagners „Rienzi“ und Cavallis „La Didone“ noch zwei weitere Raritäten. Und es besteht die begründete Aussicht, dass es in den kommenden Spielzeiten so interessant weitergeht. Wie uns der Bremer Intendant Herr Frey anläßlich der Mitgliederversammlung der Deutschen Rossinigesellschaft, die dieses Jahr wegen der „Cenerentola“ in der Inszenierung von Michael Hampe in Bremen stattfand, mitteilte, wird es in Bremen in fünf aufeinander folgenden Spielzeiten jeweils die Premiere einer Rossini-Oper geben. Auch Bremerhaven bietet Interessantes: „Maria Stuarda“ von Donizetti.
Auch in Hamburg gibt es natürlich im übrigen Repertoire einige empfehlenswerte Höhepunkte:
Mit einer Barockoper kann man sich allerdings nicht über die Belcanto-Misere hinweg trösten. Dieses Repertoire ist nun völlig vom Spielplan verschwunden. Die letzte Produktion machte im Juli das Internationale Opernstudio in der kleinen Opera Stabile: „La Calisto“ von Cavalli, für mich ein Saisonhöhepunkt mit einer sehr unterhaltsamen Inszenierung und mit der wunderbaren Christiane Karg, die leider nicht als Ensemblemitglied in Hamburg bleibt, sondern nach Frankfurt geht.
Die Spielzeit beginnt mit Verdi-Wochen mit sieben Opern aus dem Repertoire (vom 6. September bis 12. Oktober). Der „Rigoletto“ wird das Hamburg-Debüt von Joseph Calleja bringen, Franz Grundheber soll wieder den Macbeth singen, Michele Pertusi *den Falstaff und in „Simon Boccanegra“ Mardi Byers die Amelia, - eine Sängerin, auf deren Hamburg-Debüt alle diejenigen gespannt sind, die sie in ihrer Lübecker Zeit dort als ausgezeichnete Adriana Lecouvreur und u.a. in „I masnadieri“ erlebt haben.
*Aktueller Hinweis (8.9.): Wegen Erkrankung von Michele Pertusi singt Roberto de Candia den Falstaff.
Besonders freue ich mich wieder auf Verdis „Don Carlos“ in der fünfaktigen französischen Fassung, für mich persönlich die wichtigste Inszenierung in meinem ganzen bisherigen Opernleben, bei der ich auch nach über einem Dutzend seit der Premiere 2001 besuchter Vorstellungen immer noch neue Details entdecke. Abgesehen von der Rolle der Elisabeth, in der es ein Wiedersehen und Wiederhören mit dem langjährigen und von vielen vermissten Ensemblemitglied Danielle Halbwachs geben wird, ist die gleiche Besetzung wie in der vergangenen Spielzeit vorgesehen. Ich hoffe, der unten folgende Bericht von Hartmut wird einige Leser veranlassen, sich dieses Ereignis nicht entgehen zu lassen (nur drei Vorstellungen: 21. und 28. Sept., 12. Okt.). Von Berichten vom Hörensagen über die beiden nach wie vor umstrittenenen Szenen dieser Konwitschny-Inszenierung sollte sich niemand abschrecken lassen: zum Autodafé, das ich persönlich besonders packend finde, weil es quasi unter unbewusster „Mitwirkung“ des Publikums stattfindet, kann man sich in freier Platzwahl ein ruhiges Plätzchen in einer der oberen Ranglogen suchen, wenn man einfach nur in Ruhe zuhören möchte, und die Pantomime „Ebolis Traum“ zur Ballettmusik ist m. E. allemal witziger und unterhaltsamer als ein Maskenball mit Balletteinlage in weißen Tütüs.
An Opernpremieren erwartet uns eine interessante Mischung: „Die Walküre“, „Die lustige Witwe“ (in einer Inszenierung von Harry Kupfer), Brittens „Death in Venice“ (mit Michael Schade), Glucks „Iphigénie en Tauride“ (unter Alessandro De Marchi) und Verdis „Attila“ (konzertant). Ein besonderes Erlebnis wird sicherlich wieder Elisabeth Connell als Turandot sein, in der vergangenen Spielzeit war ihre Darbietung einfach unglaublich faszinierend und sängerisch hervorragend.
Für Daten und Besetzungen – auch des übrigen Repertoires – sei auf die Internet-Seite Hamburgische-Staatsoper-Spielplan verwiesen.
Hier die Berichte von Hartmut aus der Hamburgischen Staatsoper:
Gioachino Rossini - “Il barbiere di Siviglia“
Nur in der Rubrik „Stargastspiel in der Provinz“ war leider der BARBIER am 27.4. zu verbuchen, denn SILVIA TRO SANTAFÉ deklassierte die Herren mit ihrem dunkeltimbrierten und mit enormer Höhe versehenen, raumfüllenden und doch so beweglichen Mezzo gewaltig. Besonders auffällig wurde es in Ensembles, bei denen mehrere Sänger nacheinander dieselbe Passage hatten, weil sie dann plötzlich auf „ihr“ Tempo (und das Rossini angemessene) anzog und SIMON HEWITT, der im Graben samt dem höchst repertoire-alltäglichen Orchester auf deutlich Langsameres eingestellt schien, kaum hinterher kam.
Am größten war der Unterschied zum Almaviva von JUAN JOSÉ LOPERA, der zwar ein recht angenehmes Timbre und auch die nötige Höhe hatte, sich aber mit den Koloraturen plagte, die er entweder verwischte oder mit unschöner Aspiration versah. Etwas besser schlug sich in diesem Punkt OLEG ROMASHYN, nur versandete das ohnehin nicht große Organ nach der Pause, bis er nahezu unhörbar war, und schauspielerisch ist er für einen Figaro vorerst noch viel zu steif. Ordentlich der Basilio von TIGRAN MARTIROSSIAN, dem man nur das extreme Grimassenschneiden abgewöhnen müsste; nicht weiter auffällig ALFONSO ANTONIOZZI als Bartolo. Und so blieb es der zweiten Dame, GABRIELE ROSSMANITH, vorbehalten, als Berta mit einigen sonst nie zu hörenden Linien im Finale I noch etwas Besonderes beizusteuern.
Hartmut aus Hamburg - Besuchte Vorstellung am 27. April 2008
Giuseppe Verdi - „Don Carlos“
In der Generalprobe 2001 hatten mich die DON CARLOS-Inszenierung von PETER KONWITSCHNY (und einige schwache Sängerleistungen) dermaßen verärgert, dass ich bei der Premiere zuhause und der Produktion überhaupt für die nächsten Jahre fern blieb. Inzwischen stehe ich dem Ganzen freilich nicht mehr so ablehnend gegenüber, wenn man einmal von der Ballettmusik (eine erstklassige Slapstick-Nummer im falschen Stück) und dem als Medienspektakel die Musik erschlagenden Autodafé absieht; neue Sänger haben dafür gesorgt, dass deutlich wird, wie gründlich und genau Konwitschny über weite Strecken an der psychologischen Ausdeutung der Personen gearbeitet hat. Zudem wurde an diesem Abend nicht nur höchst intensiv gespielt, sondern auch so gesungen, wobei die Krone für mich zu gleichen Teilen an zwei Sänger geht. Zum einen an den virtuos auf der Kante zwischen liebenswertem Kerl und geistigen Aussetzern balancierenden JEAN-PIERRE FURLAN in der Titelpartie. Das Organ ist nicht eigentlich schön und die ein oder andere Höhe kommt auch zu gestemmt, aber was er an Stehvermögen und Musikalität zu bieten hat, ist erstklassig, und derart schier endlose Atemphrasen bekommt man von kaum einem deutlich berühmteren Kollegen zu hören. Zum anderen an MICHELLE BREEDT, die eine sowohl in den Bewegungen als auch stimmlich gleichermaßen temperamentvolle wie elegante Eboli sang, virtuos in den Koloraturen des Schleierliedes, mit dramatischem Feuer in den Ausbrüchen, aber immer schlank im Ton und auf Linie. GEORGE PETEAN gab den Posa als politischen Idealisten mit Einsicht in die Realität, sein in allen Registern ausgeglichener und höhensicherer Bariton gehört ja zu den wenigen Hoffnungen im Verdi-Fach, wenn er weiter so technisch souverän und ohne „powern“ singt, dürfte da noch einiges zu erwarten sein.
Beim Philipp von PETER ROSE weiß man gleich beim ersten Auftritt, wer hier das Sagen hat; eine enorm starke Persönlichkeit, die am Ende aber trotz ausgeprägter Musikalität optisch den stärkeren Eindruck hinterlässt, zu rauh – im Piano manchmal schon brüchig – klingt das Organ.
Der bald 70jährige HARALD STAMM hatte da fast mehr Linie und das schönere Timbre zu bieten, besonders gefährlich war sein Inquisitor freilich nicht. Den einzig jungen Bass hatte diesmal TIM MIRFIN, der damit als Carlo V. entsprechend auffiel.
Die junge Italienerin RACHELE STANISCI hatte die Elisabeth anstelle der frühzeitig krank gemeldeten Angela Marambio übernommen. Schönen Bögen im Piano stand eine relativ harte Forte-Höhe sowie begrenztes Volumen gegenüber, eine solide Besetzung, vorerst nicht mehr.
Am Pult stand diesmal PHILIPPE AUGUIN, der sich mit dem für die französische Version erforderlichen deutlich weicheren Klangbild hörbar besser auskannte als seinerzeit Metzmacher und besonders den Streichern einen wunderbar runden Ton entlockte, über der Schönheit aber trotzdem nicht die dramatische Spannung vergaß.
Hartmut aus Hamburg - Besuchte Vorstellung am 2. März 2008
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